VwGH 2003/04/0177

VwGH2003/04/017724.2.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. der C und 2. des H, beide in R und vertreten durch Dr. Gerhard Halbreiner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 23/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Oktober 2003, FA14A-15/575-02/19, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: P in R), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;
AVG §52;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §77 Abs2;
GewO 1994 §81 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 14. Oktober 2003 wurde dem Mitbeteiligten im Instanzenzug gemäß den §§ 74, 81, 333 und 339 GewO 1994 iVm § 66 Abs. 4 AVG die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung seiner bestehenden Betriebsanlage (Kfz-Werkstätte) an einem näher bezeichneten Standort durch Errichtung und Betrieb einer Lackieranlage unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, wobei in Abänderung des erstinstanzlichen Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg (BH) vom 9. September 2002 folgende Auflage zusätzlich vorgeschrieben wurde:

"17. Das Abluftrohr ist doppelschalig auszuführen und zur Vermeidung von Körperschallübertragungen zu entkoppeln."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Berufungsverfahren sei im Zuge eines Ortsaugenscheines eine Lärmmessung am nächstgelegenen Punkt, rund 6 m von der Abluftanlage entfernt, im Garten der Beschwerdeführer durchgeführt worden und habe ein Betriebsgeräusch von 47 - 49 dB ergeben. Für die weitere Beurteilung habe der lärmtechnische Sachverständige einen vierstündigen Einsatz und eine daraus resultierende 50 %ige Auslastung der Lackieranlage angenommen und bei dieser Auslastung als Beurteilungspegel einen Immissionswert von 44 bis 46 dB errechnet. Dieser Beurteilungspegel überschreite die Grenze der zumutbaren Störung von 45 dB maximal um 1 dB. Die ärztliche Sachverständige habe zu diesem Befund festgehalten, auf Grund näher angeführter möglicher Gesundheitsgefährdungen sei aus ärztlicher Sicht eine Überschreitung des Grenzwertes von 45 dB unbedingt zu vermeiden und stelle auch eine Überschreitung um nur 1 dB eine unzumutbare Belästigung dar.

Darauf aufbauend seien vom lärmschutztechnischen Amtssachverständigen mehrere Alternativmaßnahmen vorgeschlagen worden, mit denen der Beurteilungspegel auf 45 dB vermindert werden könne:

- eine Einschränkung der täglichen Betriebszeit der

Lackieranlage auf 40 %, längstens aber 3 Stunden, wobei über die

Einsatzzeit ein Betriebstagebuch zu führen sei,

- das Einsetzen eines Schalldämpfers in die

Abluftführung und das gleichzeitige Entkoppeln des einschaligen

Abluftrohres vom Ventilatorgehäuse oder

- die doppelschalige Ausführung des Abluftrohres mit

Entkoppelung des einschaligen Abluftrohres vom Ventilatorgehäuse (zur Vermeidung von Körperschallübertragungen).

Zur letztgenannten Maßnahme habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Geräusche des Abluftrohres für den Immissionswert maßgebend gewesen seien. Die mitbeteiligte Partei habe versichert, dieses Abluftrohr sei nur einschalig ausgeführt. Daher wäre die Maßnahme der doppelschaligen Ausführung aus schalltechnischer Sicht zu bevorzugen, da damit auch eine betriebliche Einschränkung der Arbeitsvorgänge hintangehalten werden könne. Es wäre sogar möglich, dass nach Ausführung dieser Maßnahme die Einsatzzeit der Lackieranlage über 50 % ausgedehnt werden könne.

Hiezu habe die ärztliche Sachverständige ausgeführt, die Beschränkung der Betriebszeit würde zwar die Einhaltung des Grenzwertes von 45 dB ermöglichen, allerdings erscheine eine Kontrolle dieser Maßnahme durch ein Betriebstagebuch nicht in ausreichendem Ausmaß möglich. Besonders sei hervorzuheben, dass ursächlich für den Lärm des Abluftrohres einerseits die Verlängerung desselben (bedingt durch die immissionstechnische Forderung nach Luftreinhaltung) und andererseits die Tatsache sei, dass dieses einschalige Rohr unmittelbar mit dem Ventilatorgehäuse in Verbindung sei und daher Körperschallübertragungen aufträten. Sie empfehle daher aus medizinischer Sicht die doppelschalige Ausführung des Abluftrohres als "optimalste" Lösung, würde dabei doch die Entkoppelung eine Verminderung von Körperschallübertragungen ermöglichen, welche zu starken Belästigungsreaktionen führen könnten.

Diesen Ausführungen des lärmschutztechnischen sowie der medizinischen Amtssachverständigen sei zu entnehmen, dass durch die Vorschreibung der Auflage einer doppelschaligen Ausführung und Entkoppelung des Abluftrohres die Belästigungen, Beeinträchtigungen und die nachteiligen Einwirkungen auf ein zumutbares Maß beschränkt werden könnten. Die Begutachtung durch einen Amtssachverständigen könne nur durch ein Gutachten eines anderen Sachverständigen in tauglicher Weise in Diskussion gezogen und allenfalls erschüttert werden. Das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführer sei daher nicht geeignet, die schlüssigen Gutachten des lärmschutztechnischen sowie der medizinischen Amtssachverständigen zu entkräften. Der Berufung sei daher nur teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, dass gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 die doppelschalige Ausführung und Entkoppelung des Abluftrohres zur Verminderung von Körperschallübertragungen als Auflage 17. vorgeschrieben werde.

Zu den Einwendungen, bereits durch die unansehnliche Anlage am Dach des Betriebsgebäudes, das unmittelbar an die Liegenschaft der Beschwerdeführer angrenze, würden Eigentumsgefährdungen sowie eine Minderung des Wertes des Grundstückes eintreten, werde festgestellt, dass unter einer Gefährdung des Eigentums die Möglichkeit einer bloßen Gefährdung nicht zu verstehen sei. Die Bestimmungen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 GewO 1994 sähen im Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nur den Schutz des Eigentums eines Nachbarn vor der Vernichtung seiner Substanz und nicht vor einer bloßen Minderung des Verkehrswertes vor. Da durch den Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage das Eigentum der Beschwerdeführer in ihrer Substanz nicht bedroht sei, sei diese Einwendung als unbegründet abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem gesamten Vorbringen nach in den ihnen durch die GewO 1994 gewährleisteten Nachbarrechten verletzt.

Sie bringen hiezu im Wesentlichen vor, die Amtssachverständigen gingen bei der Beurteilung der zu erwartenden Lärmimmissionen vom Betriebsstundenzähler der Anlage aus; jedoch könnten die damit gemessenen Betriebsstunden nicht repräsentativ sein, zumal die Anlage in dieser Zeit rechtswidrig betrieben worden sei. Wenn bereits eine nicht bewilligte Anlage trotz zahlreicher Anzeigen 225 Stunden betrieben werde, werde sie nach ihrer Bewilligung wohl ununterbrochen in Betrieb sein. Bereits die bisherige Inbetriebnahme habe eindeutig eine unzumutbare Lärmbelästigung für die Nachbarn hervorgerufen. Nach den Ausführungen des lärmtechnischen Amtssachverständigen werde für die Beurteilung der Lärmimmissionen der vierstündige Einsatz (eine 50 %ige Auslastung) der Lackieranlage angenommen. Bereits dabei werde der Grenzwert von 45 dB um 1 dB überschritten, was bereits eine unzumutbare Belästigung darstelle. Die nunmehrige Auflage einer doppelschaligen Ausführung und Entkoppelung des Abluftrohres werde wohl keine Verbesserung bringen und auch der von den Amtssachverständigen vorgeschlagene Schalldämpfer sei nie eingebaut worden. Zwar lege die medizinische Amtssachverständige Wert auf die Minimierung der Geruchsimmissionen, jedoch andere Immissionen, wie Staub, Lackrückstände, von der Verbrennung stammende Partikel sowie Lösungsmittelreste, die von der Anlage entweichen und auf das Nachbargrundstück einwirken würden, seien nicht geprüft worden. Auch in dieser Hinsicht sei die Anlage nicht bewilligungsfähig.

2. Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst (u.a.) geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden;

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen.

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

3. Die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen des § 77 GewO 1994 vorliegen, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, auf Grund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 auszuüben vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0001, mwN).

Die Auswirkungen einer zu genehmigenden Betriebsanlage sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d. h. am belastendsten sind. Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist aber immer die beantragte Ausstattung und Betriebsweise der Anlage, handelt es sich doch beim Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage um ein Projektsverfahren, dem alleine die in § 353 GewO 1994 genannten Einreichunterlagen zugrundezulegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2006, Zl. 2003/04/0130, mwN).

4. Die Beschwerdeführer bringen im vorliegenden Fall vor, die Behörde sei bei der Beurteilung der Auswirkungen der verfahrensgegenständlichen Lackieranlage unzulässigerweise von einem vierstündigen Einsatz (einer 50 %igen Auslastung) der Lackieranlage ausgegangen.

Die Beschwerdeführer sind zwar im Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass sich eine entsprechende Einschränkung des Betriebes der Lackieranlage nicht aus dem beantragten Projekt ergibt (nach den vorgelegten Verwaltungsakten hat die mitbeteiligte Partei lediglich den Einsatz der Lackieranlage von 700 Stunden pro Jahr und eine Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 7.30 bis 18.30 Uhr bzw. Samstag von 8.00 bis 12.20 Uhr beantragt). Sie verkennen jedoch, dass sich die Behörde bei der Beurteilung der beantragten Änderung der Betriebsanlage auf die - im Übrigen nicht als unschlüssig zu erkennenden - Ausführung des lärmtechnischen Sachverständigen gestützt hat, nach denen bei einer doppelschaligen Ausführung und Entkoppelung des Abluftrohres der zulässige Grenzwert von 45 dB eingehalten werde und nach Ausführung dieser Maßnahme die Einsatzzeit der Lackieranlage über 50 % ausgedehnt werden könne. Die ärztliche Sachverständige hat sich in ihrem Gutachten aus medizinischer Sicht für diese Maßnahme ausgesprochen, da dadurch eine Verminderung von Körperschallübertragungen ermöglicht werde, welche sonst zu starken Belästigungsreaktionen führen könnten. Es ist danach nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde nach Vorschreibung dieser Maßnahme als Auflage 17. des angefochtenen Bescheides von der Genehmigungsfähigkeit der beantragten Änderung der Betriebsanlage gemäß den §§ 77 Abs. 1 und 81 GewO 1994 ausgegangen ist. Wenn die Beschwerdeführer vorbringen, die Auflage einer doppelschaligen Ausführung und Entkoppelung des Abluftrohres werde wohl keine Verbesserung bringen, so treten sie den Ausführungen der Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.

5. Weiters rügt die Beschwerde als Verfahrensfehler, die Behörde habe andere Immissionen, wie Staub, Lackrückstände, von der Verbrennung stammende Partikel sowie Lösungsmittelreste, die von der Anlage entweichen und auf das Nachbargrundstück einwirken würden, nicht geprüft. Zunächst sind die Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass die von der beantragten Änderung ausgehenden Geruchsimmissionen in erster Instanz unter Zuziehung eines Amtssachverständigen für Luftreinhaltung und der ärztlichen Sachverständigen geprüft wurden. Darüber hinaus wird durch die Beschwerde nicht konkret dargetan, inwiefern die Beschwerdeführer durch den behaupteten Verfahrensfehler in ihren gewerberechtlich geschützten Nachbarrechten verletzt worden wären bzw. die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

6. Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Aufwandersatz gemäß den §§ 47 ff VwGG iVm mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, war nicht zuzusprechen, da die belangte Behörde einen solchen nicht beantragt hat.

Wien, am 24. Februar 2006

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