VwGH 2002/15/0158

VwGH2002/15/01582.3.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der S AG in G, vertreten durch Dr. Hermann Pucher, Wirtschaftsprüfer in 8010 Graz, Rechbauerstraße 31, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat II), vom 26. Juni 2002, GZ. RV 381/1-10/01, betreffend Körperschaftsteuer für 1996, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §6 Z1;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;
EStG 1988 §6 Z1;
UmgrStG 1991 §3 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft (im Folgenden: Beschwerdeführerin) betrieb ein Gasversorgungsunternehmen und stand im Eigentum der P. AG, nachdem diese 100 % des Grundkapitals der Beschwerdeführerin erworben hatte.

Mit Wirksamkeit vom 31. Dezember 1993 wurde die Beschwerdeführerin als übernehmende Gesellschaft mit ihrer Muttergesellschaft, der P. AG, gemäß Art. I UmgrStG verschmolzen. Die Verschmelzungsbilanz zum 31. Dezember 1993 habe dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zufolge durch das Zusammenführen der Bilanzansätze der beiden verschmolzenen Gesellschaften unter Ausscheiden der Beteiligung an der Beschwerdeführerin einen Buchverlust ausgewiesen, wobei der auf die in den letzten beiden Jahren vor dem Verschmelzungsstichtag (31. Dezember 1993) von der P. AG angeschafften Anteile entfallende anteilige (153/168stel) Buchverlust 793,744.918 S betragen habe. Der bei der Anschaffung der Gesellschaftsanteile an der übernehmenden Gesellschaft (Beschwerdeführerin) abgegoltene Firmenwert (dessen 153/168stel Anteil 366,235.000 S ausmache) habe im Buchverlust Deckung gefunden und sei nach der Verschmelzung jährlich zu einem Fünfzehntel anteilig (153/168stel) mit 24,415.667 S abgesetzt worden.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 1996 erklärte die zum 31. Dezember bilanzierende Beschwerdeführerin negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 237,667.262 S und berücksichtigte dabei eine Teilwertabschreibung des Firmenwertes im Ausmaß von 280,780.165 S.

Da sich ab 1996 auf Grund der Liberalisierung des Energiemarktes in Europa, der Öffnung der Leitungsnetze und der Probleme bei der Gasverrechnung die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen tiefgreifend mit der Folge wesentlicher Belastungen für die Beschwerdeführerin verändert hätten, seien die Werthaltigkeit des Firmenwertes nicht mehr gegeben und eine Abschreibung des Teilwertes des Firmenwertes auf 0 S zum 31. Dezember 1996 zwingend geboten gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Körperschaftsteuer 1996 fest. Sie erkannte dabei die Teilwertabschreibung des Firmenwertes jedoch nicht an, weil eine solche Teilwertabschreibung grundsätzlich nicht zulässig sei.

Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 3 Abs. 2 Z 2 UmgrStG in der Stammfassung BGBl. Nr. 699/1991, des Art. 42 Z 2 und 9 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, des Art. 9 Z 3 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, und nach weitwendiger Auseinandersetzung mit dem Schrifttum iZm der "Abschaffung der Firmenwertabschreibung" durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 führte die belangte Behörde an, dass nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strukturanpassungsgesetz 1996 die Firmenwertabschreibung als ein dem Grundsatz der Steuerneutralität von Buchgewinnen und Buchverlusten widersprechender und daher Steuerbegünstigungscharakter aufweisender Fremdkörper im Umgründungssteuergesetz mit der Neufassung des § 3 Abs. 2 und 3 UmgrStG habe aufgehoben werden sollen.

Die belangte Behörde kam zum Schluss, dass eine Abschreibung des Firmenwertes auf den niedrigeren Teilwert auch vor Inkrafttreten der Änderungen durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 nicht zulässig gewesen sei. Es bestünden sachliche Unterschiede zwischen einem unmittelbaren Betriebserwerb ("asset deal") und einem mittelbaren Betriebserwerb (Anteilserwerb mit nachfolgender Verschmelzung - "share deal"), die es gerechtfertigt erscheinen ließen, unterschiedliche steuerliche Folgen eintreten zu lassen.

Im Rahmen "allgemeiner Ausführungen zum Entstehen von sogenannten Buchverlusten oder besser Verschmelzungsdifferenzen" vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass "die Differenz zwischen der technischen Ausbuchung der Beteiligung und der Einbuchung der übernommenen Buchwerte (Verschmelzungskapital) auf einen gesellschaftsrechtlichen und nicht betrieblichen Vorgang zurückzuführen" sei. Deshalb sei "die Argumentationslinie, wonach der im Buchverlust enthaltene Firmenwert einer Teilwertabschreibung der übernehmenden Gesellschaft zugänglich sei, verfehlt, weil diese - selbst in ihrer eigenen Sphäre - keinen Substanzverlust an einem Firmenwert, der auf der Kapitalisierung eigener Zukunftserträge abgeleitet worden sei, erleiden" könne.

Nur unter besonderen gedanklichen Fiktionen sei verständlich, dass der im Anteilserwerb-Verschmelzungs-Modell aus dem Überpreis der Anteile, in welchem neben den mitübernommenen Teilwerten der Zielgesellschaft auch ein allfälliger Firmenwert abgegolten wurde, resultierende Buchverlust ein selbständiges Wirtschaftsgut iSd § 6 Z 1 EStG 1988 darstelle. Denn gerade das abzuschreibende Wirtschaftsgut "Beteiligung" sei durch die Verschmelzung selbst untergegangen.

Eine Teilwertabschreibung erscheine auch vom "dogmatischen Wirtschaftsgutansatz" her "merkwürdig", weil im Falle eines "Down-Stream-Mergers" die übernehmende Gesellschaft Absetzungen von einem Gegenstand "Beteiligung" vornehmen solle, den sie schon anlässlich der Verschmelzung an die Gesellschafter der übertragenen Gesellschaft herausgegeben habe. Die übernehmende Gesellschaft beanspruche die Abschreibung des "bloß mehr als Surrogat der Beteiligung" vorhandenen Buchverlustes.

§ 3 Abs. 2 Z 1 UmgrStG sehe als Primärnorm die Festschreibung der Steuerneutralität von Buchgewinnen und Buchverlusten vor. Diese sei nichts Neues gegenüber der Vorgängerbestimmung des § 1 Abs. 3 StruktVG. Schon aus der systematischen Interpretation ergebe sich unzweifelhaft, wenn auch maßgebliche Autoren in der Vergangenheit dem einen anderen Verständnishintergrund beigemessen hätten, dass der in § 3 Abs. 2 UmgrStG in der Stammfassung genannte Firmenwert unter den Oberbegriff des Buchverlustes falle und kein selbständiges Wirtschaftsgut darstellen könne. Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber "die Firmenwertabschreibung, eigentlich richtig: Buchverlustabsetzung" als begünstigende Ausnahmenorm verstanden wissen wollte, könne durch den ausdrücklichen Hinweis auf die lineare Verteilungsnorm auf 15 Jahre noch nicht geschlossen werden, dass er raschere Abschreibungen von Buchverlusten "goutiert" hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 3 UmgrStG in der Stammfassung BGBl Nr. 699/1991 lautete:

"§ 3. (1) Die übernehmende Körperschaft hat die zum Verschmelzungsstichtag steuerlich maßgebenden Buchwerte im Sinne des § 2 fortzuführen. .....

(2) Für Buchgewinne und Buchverluste gilt folgendes:

1. Buchgewinne und -verluste bleiben bei der Gewinnermittlung außer Ansatz, soweit nicht Z 2 anzuwenden ist.

2. Ein Firmenwert, der bei der Anschaffung von Gesellschaftsanteilen an der übertragenden oder übernehmenden Körperschaft abgegolten wurde, kann, soweit er im Buchverlust Deckung findet, ab dem dem Verschmelzungsstichtag folgenden Wirtschaftsjahr angesetzt und gemäß § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 abgeschrieben werden. Voraussetzung ist, dass

(3) ....."

§ 8 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

"(3) Die Anschaffungskosten eines Firmenwertes bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und bei Gewerbebetrieben sind gleichmäßig verteilt auf fünfzehn Jahre abzusetzen."

Durch Art. 42 Z 2 des am 30. April 1996 kundgemachten Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wurde § 3 Abs. 2 UmgrStG geändert und lautet:

"(2) Buchgewinne und Buchverluste bleiben bei der Gewinnermittlung außer Ansatz."

Im 3. Teil des UmgrStG wurde durch Art. 42 Z 9 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 folgende Z 4 angefügt:

"4. a) Die Abschreibung eines nach § 3 Abs. 2 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 699/1991 ermittelten Firmenwertes gemäß § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988 kann letztmalig im letzten vor dem 1. Jänner 1997 endenden Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden.

.....

d) § 2 Abs. 4, § 3 Abs. 2 und 3, ..... jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 201/1996, sind erstmalig auf Umgründungen anzuwenden, denen ein Stichtag nach dem 31. Dezember 1995 zugrunde gelegt wird."

Mit Erkenntnis vom 3. März 2000, G 172/99, VfSlg. 15.739, hob der Verfassungsgerichtshof die Bestimmung der Z 4 lit. a des 3. Teiles des UmgrStG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2000 in Kraft tritt.

Der Gesetzgeber trug dem mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl Nr. 142/2000, Rechung und änderte die Bestimmung der Z 4 lit. a des 3. Teiles des UmgrStG wie folgt:

"Artikel 9

Änderung des Umgründungssteuergesetzes

.....

3. Der 3. Teil Z 4 lit. a tritt mit 31. Dezember 2000 außer Kraft. Der nach Abzug der auf die Jahre bis einschließlich 2000 entfallenden Fünfzehntel verbleibende Restbetrag eines Firmenwertes auf Grund einer Umgründung auf einen Stichtag vor dem 1. Jänner 1996 kann vom anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen in den nach dem 31. Dezember 2000 endenden Wirtschaftsjahren mit je einem Dreißigstel des Firmenwertes geltend gemacht werden."

Im Beschwerdefall ist noch § 3 Abs. 2 UmgrStG in der Stammfassung anzuwenden, denn der zugrunde liegenden Verschmelzung lag ein Stichtag vor dem 31. Dezember 1995 zugrunde (zum Inkrafttreten des § 3 Abs. 2 idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996 siehe den 3. Teil Z 4 lit. d UmgrStG)

Strittig ist, ob für das Streitjahr 1996 hinsichtlich des Firmenwertes iSd § 3 Abs. 2 Z 2 UmgrStG in der Stammfassung neben der Abschreibung gemäß § 8 Abs. 3 EStG 1988 auch eine Teilwertabschreibung nach § 6 Z 1 EStG 1988 zulässig war.

§ 6 Z 1 EStG 1988 lautet:

"§ 6. Für die Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gilt folgendes:

1. Abnutzbares Anlagevermögen ist mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung nach den §§ 7 und 8, anzusetzen. Bei Land- und Forstwirten und bei Gewerbetreibenden gilt der Firmenwert als abnutzbares Anlagevermögen. Ist der Teilwert niedriger, so kann dieser angesetzt werden. Teilwert ist der Betrag, den der Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. ....."

Die belangte Behörde stützte ihren Bescheid im Wesentlichen auf die Ansicht, dass es sich bei dem in § 3 Abs. 2 Z 2 UmgrStG in der Stammfassung erwähnten Firmenwert nicht um ein bewertbares Wirtschaftsgut handle und deshalb keine Teilwertabschreibung im Sinne des § 6 Z 1 EStG 1988 möglich sei.

Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, 2004/15/0045, die Ansicht vertreten, dass der in § 3 Abs. 2 Z 2 UmgrStG in der Stammfassung angesprochene Firmenwert der mit dem übertragenen Betrieb verbundene (objektbezogene) und tatsächlich mit diesem Betrieb auf die übernehmende Gesellschaft übergehende Firmenwert ist. Auf die Gründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Daraus ergibt sich, dass eine Teilwertabschreibung eines solchen Firmenwertes im Streitjahr dem Grunde nach zulässig war (siehe auch Zorn, Neue Teilwertabschreibung alter Firmenwerte aus Umgründungen, in SWK 2006, 254).

Da die Behörde die Rechtslage verkannte, hat sie sich nicht damit auseinandergesetzt, inwieweit das Vorbringen der Beschwerdeführerin überhaupt - dem in der Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 2005, 2001/15/0041, und vom 10. August 2005, 2002/13/0037) ausgedrückten Erfordernis entsprechend - konkrete Tatsachen enthielt, welche die Annahme eines niedrigeren Teilwertes gerade im Streitjahr rechtfertigen könnten, oder nur allgemein gehaltene Befürchtungen künftiger Ertragsminderungen durch die Unvorhersehbarkeit der allgemeinen und der branchenspezifischen Wirtschaftsentwicklung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1979, 500, 630/78, VwSlg. 5.407/F).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, welche im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.

Wien, am 2. März 2006

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