Normen
EStG 1988 §10 Abs1;
EStG 1988 §10 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
In einem als "Aktennotiz über die Anmietung eines Gewerbeobjektes" überschriebenen, mit dem 15. Mai 1991 datierten, allerdings von niemandem unterschriebenen Schriftstück wurde ein Vertrag formuliert, in welchem die Rechtsvorgängerin der nunmehr mitbeteiligten Partei als "Mieterin" und eine I. GmbH als "Vermieterin" bezeichnet wird. In der "Präambel" des Vertragstextes wird ausgeführt, dass die Vermieterin auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft die Errichtung eines Büro- und Lagergebäudes und die Adaptierung des bestehenden Gebäudes beabsichtige, wobei diese Arbeiten auf Grund der Angaben, im Auftrag und im Hinblick auf die langfristige Anmietung durch die Mieterin durchgeführt würden. Die Mieterin beabsichtige, die Gebäude und die dazugehörigen Nutzflächen zu den nachstehend genannten Bedingungen langfristig anzumieten. Nach Beschreibung von "Altbestand" und "Neubestand" im § I des Vertragstextes heißt es im § II, dass die Errichtung des Betriebsgebäudes und die Adaptierung des Altbestandes im Auftrag und nach genauer Spezifikation der Mieterin erfolge, wobei die genauen Details verschiedenen Protokollen, Beschreibungen, Plänen, Bescheiden und Genehmigungen zu entnehmen seien. Die Vermieterin verpflichte sich, wird im § III ausgeführt, das geplante Gebäude zügig zu errichten. Mit der Errichtung des Gebäudes werde im Mai 1991 begonnen; da als Bauzeitraum mit 18 Monaten gerechnet werde, könne eine Fertigstellung des Gebäudes für Ende 1992 geplant werden. Die Vermieterin werde bemüht sein, den ersten Bauabschnitt bevorzugt fertig zu stellen, sodass eine Übergabe an die Mieterin Mitte 1992 möglich sein werde. § IV des Vertragstextes hat folgenden Wortlaut:
"§ IV MIETDAUER
Das Mietverhältnis beginnt am 1. des dem Übergabetermin folgenden Monats und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Vermieterin und Mieterin haben das Recht, das Mietverhältnis unter Einhaltung einer 6monatigen Kündigungsfrist zum Ende des Kalendermonats gerichtlich aufzukündigen.
Die Mieterin verpflichtet sich jedoch, von ihrem Kündigungsrecht erst frühestens nach Ablauf einer 15jährigen Mietdauer Gebrauch zu machen.
Als Kündigungsgrund gelten die im Mietrechtsgesetz angeführten Kündigungsgründe als vereinbart. Darüber hinaus erhält die Vermieterin das Recht, den Mietvertrag aufzukündigen, soferne
- die Ausweitung des Geschäftsumfanges der Vermieterin einen erhöhten Bedarf an Betriebsräumlichkeiten für sich und ihre Mitarbeiter bedingt und/oder
- die Vermieterin ihren derzeitigen Geschäftsumfang auf ... ausdehnt, sodass einerseits aus Platzgründen dringender Eigenbedarf geltend gemacht werden kann, und andererseits aus Wettbewerbsgründen die Ausübung des Betriebsgegenstandes der Mieterin die wirtschaftliche Entwicklung der Vermieterin beeinträchtigt und die Nutzung der Räumlichkeiten durch die Mieterin unzumutbar ist.
Einvernehmlich wird festgehalten, dass die o.a. Gründe als wichtig und bedeutsam für die Vermieterin anzusehen sind. Im Rahmen dieser vereinbarten Kündigungsgründe ist auch eine Teilkündigung von Betriebsflächen möglich. Von ihrem Recht zur Kündigung des Mietvertrages aus den angeführten, 'besonderen Kündigungsgründen', kann die Vermieterin frühestens 15 Jahre nach Mietbeginn Gebrauch machen.
Die Mieterin verzichtet ausdrücklich in diesem und in allen übrigen Kündigungsfällen auf ihr Recht zur Ersatzbeschaffung und Beistellung eines Ersatzmietgegenstandes sowie auf Ersatz des Ausmietungsschadens gleich welcher Art. Die Mieterin erhält jedoch bei Geltendmachung dieses Kündigungsgrundes das Recht, eine Verlängerung der Kündigungsfrist bis zu einem Jahr zu begehren.
Gerät die Mieterin trotz qualifizierter Mahnung und Setzung einer 14tägigen Nachfrist mit einer Zahlung in Verzug, ist die Vermieterin berechtigt, den Mietvertrag mit sofortiger Wirkung aufzukündigen. Soferne der Zahlungsrückstand trotz qualifizierter Mahnung die Höhe eines dreifachen Monatsentgeltes erreicht, erlischt dieser Mietvertrag auch ohne weitere schriftliche Mahnung und Setzung von Nachfristen. Die Vermieterin hat in diesen Fällen jedoch unbeschadet der Beendigung des Mietverhältnisses Anspruch auf jene Zahlungen (Kündigungsentschädigung), die die Mieterin hätte leisten müssen, wenn der Mietvertrag vertragsgemäß beendet worden wäre. Diese Kündigungsentschädigung wird zusammen mit der Beendigung des Mietverhältnisses fällig."
Die mit "Mietzins" und "Mietzinsvorauszahlung" überschriebenen Bestimmungen des Vertragstextes haben folgenden Inhalt:
"§ V MIETZINS
Auf Grund des derzeitigen Planstandes und den derzeit bekannten Anforderungen der Mieterin wird der zur Verrechnung gelangende Mietzins für die Nutzung des Gebäudes und der gesamten Liegenschaft mit ca. ats 95,--/m2 Bruttonutzfläche vorläufig festgelegt. Der vereinbarte Hauptmietzins versteht sich netto, exklusive der gesetzlichen Mehrwertsteuer und exklusive der Betriebskosten, die zur Gänze von der Mieterin getragen werden.
Der Mietpreis wurde auf Grund der der Vermieterin derzeit vorliegenden Baukostenkalkulation und dem im Jahre 1991 im Bundesdurchschnitt ermittelten Mietpreis für Gewerbeobjekte festgelegt.
Vermieterin und Mieterin erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass der vereinbarte Mietzins im Hinblick auf eine Veränderung der gewünschten Ausstattung oder z.B. auf Grund unvorhersehbarer bautechnischer Mehrkosten entsprechend angepasst werden kann. Die Mieterin bestätigt, dass ihr die derzeitige Baukostenkalkulation bekannt ist. Eventuelle Veränderungen sind der Mieterin rechtzeitig bekannt zu geben. Die Mieterin erklärt sich ausdrücklich mit der Höhe des vereinbarten Mietzinses einverstanden und bestätigt die Angemessenheit.
Der vereinbarte Mietzins samt Zuschlägen ist im Voraus monatlich jeweils am 1. des Monats fällig. Die Mieterin erklärt sich damit einverstanden, dass für die Betriebskosten monatliche Pauschalbeträge in gleich bleibender Höhe gegen einmalige jährliche Abrechnung entrichtet werden.
Die Kosten für den Energiebezug gehen zu Lasten der Mieterin
und werden direkt von ihr bezahlt.
§ VI MIETZINSVORAUSZAHLUNG
Die Mieterin leistet für die Gesamtmietdauer eine einmalige Mietzinsvorauszahlung in Höhe von maximal 30 % der Baukosten, d. s. bei einer derzeit erwarteten Bausumme von ats 50 Mio. (Kostenaufstellung beiliegend), ats 15 Mio. Diese Mietzinsvorauszahlung ist unverzinslich und wird verteilt auf die Mietdauer von der jeweiligen Monatsmiete in Abzug gebracht. Gemäß der Vereinbarung lt. § IV dieses Vertrages gelangt daher monatlich ein Betrag von ats 83.330,-- von der noch festzulegenden Monatsmiete in Abzug. Die angeführten Werte verstehen sich exklusive Mehrwertsteuer, die (auch für die Vorauszahlung) beginnend ab Mietbeginn verrechnet wird.
Die Mietzinsvorauszahlung ist 14 Tage nach Baubeginn - spätestens jedoch bis 15.6.1991 - auf ein von der Vermieterin bekannt zu gebendes Konto netto ohne weiteren Abzug zu überweisen."
In den Verwaltungsakten liegt ein auf diesen Vertragstext anscheinend Bezug nehmendes, weder datiertes noch unterschriebenes Schriftstück folgenden Wortlautes auf:
"Betrifft: Mietvereinbarung (Adresse)
Klarstellend wird zu
§ VI MIETZINSVORAUSZAHLUNG
festgehalten, dass im Falle einer vorzeitigen Kündigung seitens der Vermieterin gem. § IV keine Rückzahlung der geleisteten Mietvorauszahlung an die Mieterin erfolgt. Der noch nicht verbrauchte Teil der Mietvorauszahlung verfällt vielmehr als nicht rückforderbare und nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende Konventionalstrafe zu Gunsten der Vermieterin.
Gleichzeitig wird festgehalten, dass auch ein Rückforderungsanspruch der Mieterin auf den nicht verbrauchten Teil der Mietvorauszahlung ausdrücklich ausgeschlossen ist."
Den Streitpunkt des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet allein die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei dazu berechtigt war, von der von ihr - unter Berufung auf die mit dem wiedergegebenen Inhalt behauptete Vereinbarung mit der I. GmbH - im Jahr 1991 an diese Gesellschaft geleisteten Mietzinsvorauszahlung den Investitionsfreibetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 im Ausmaß von S 3 Mio. in Anspruch zu nehmen.
Im Zuge einer die Tätigkeit der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei erfassenden abgabenbehördlichen Prüfung wurde dies von der Prüferin mit der Begründung verneint, dass Nutzungsrechte nur an bereits bestehenden Wirtschaftsgütern begründet werden könnten, während Mietzinsvorauszahlungen für ein erst zu errichtendes Gebäudes "nicht als Mietrecht, sondern als nicht IFB-fähige Anwartschaft zu qualifizieren" seien. Aber auch nach Fertigstellung des Gebäudes komme es "nicht zu einer Begründung eines Mietrechtes", weil die wirtschaftliche Funktion des Aufwandes entscheidend sei und aus der Vertragsgestaltung eindeutig hervorgehe, dass die Mietzinsvorauszahlung wirtschaftlich die Funktion von Mietkosten habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, 94/14/0064). Das Vorliegen von Anschaffungskosten eines Mietrechtes würde zudem erfordern, dass die Zahlung nicht als Nutzungsentgelt für eine bestimmte Mietperiode, sondern deswegen geleistet werde, um überhaupt den Abschluss eines Mietvertrag zu erwirken. Dies sei aus der Aktennotiz nicht ableitbar und werde vom geprüften Unternehmen auch nicht behauptet. Die Mietzinsvorauszahlung sei auch für keinen ungewöhnlich langen Zeitraum vereinbart worden und dem im Prüfungsverfahren geäußerten Argument einer rechtlichen Absicherung der Position des Mieters müsse entgegengehalten werden, dass nur die Mieterin einen Kündigungsverzicht geleistet habe, während sich die Vermieterin neben den Kündigungsgründen des Mietrechtsgesetzes noch zwei weitere ausbedungen habe. Hinsichtlich des "Nachtrages" zur Vereinbarung habe der Prüferin "auch im Hinblick auf das finanzielle und organisatorische Naheverhältnis der Vertragspartner" (Anm.: Vermietende und mietende Gesellschaft haben denselben Geschäftsführer und denselben Mehrheitsgesellschafter) nicht die volle Überzeugung vermittelt werden können, ob und wann der Inhalt dieses Nachtrages überhaupt Vertragsbestandteil geworden sei. Selbst bei Anwendung dieser "dunklen, als Klarstellung bezeichneten" Bestimmung sei für die Frage der Rückforderung nichts gewonnen, weil hier nur Aussagen über Schadenersatz getroffen würden.
Das Finanzamt folgte der Auffassung der Prüferin und erließ nach Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren für die Jahre 1991 bis 1993 einen den Investitionsfreibetrag nicht zulassenden geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1991 sowie in dessen Konsequenz auch geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1992 und 1993 und des Weiteren gemäß § 296 BAO geänderte Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1993.
Gegen die geänderten Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1993 erhob die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei Berufung, in welcher sie der Rechtsauffassung der Prüferin mit dem Hinweis auf Erlassregelungen, auf die Gesetzesmaterialien zu § 10 EStG 1988 und den Hinweis auf die Bestimmung des § 307 Abs. 2 BAO entgegentrat. Das von der Prüferin ins Treffen geführte Erkenntnis vom 12. August 1994, 94/14/0064, behandle die Abgrenzungsfrage zwischen Mietzinsvorauszahlung und "Mietrechtserwerb" nicht und angesichts des vorliegenden vertraglichen Ausschlusses jedes Rückforderungsanspruches der Mieterin auf den nicht verbrauchten Teil einer Mietvorauszahlung seien die in der Verwaltungspraxis und im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079, genannten Bedingungen "zum Erwerb eines Mietrechtes" als erfüllt anzusehen. Soweit das genannte Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 12. Jänner 1993 noch weitere, strengere Kriterien für einen Mietrechtserwerb anführe, könne dieses Erkenntnis im Grunde des § 307 Abs. 2 BAO nicht als relevant betrachtet werden. Die Vorauszahlung sei als Gegenleistung für den Abschluss des Mietvertrages und nicht für die zeitraumbezogene Nutzung des Mietobjektes entrichtet worden. Es sei eine Zahlung im Ausmaß eines Betrages von S 15 Mio. schon aus wirtschaftlicher Sicht nicht als bloße Mietvorauszahlung, sondern nur insofern verständlich, als damit der Abschluss des Mietvertrages ermöglicht werde. Dass ein Nutzungsrecht nur an schon bestehenden Wirtschaftsgütern begründet werden könne, sei eine Ansicht der Prüferin, die ebenfalls nicht geteilt werden könne. Der Abschluss von Mietvereinbarungen sei im Bereich jedes Immobilienleasing schon vor Errichtung des Gebäudes durchaus branchenüblich und praktisch nicht anders durchführbar. Das betroffene Grundstück sei schon im Eigentum der Vermieterin gestanden und die Art des Gebäudes sei bei Vertragsabschluss konkretisiert gewesen.
Von der Prüfungsabteilung wurde eine Stellungnahme erstattet, in welcher den Berufungsargumenten entgegengetreten wurde, dieser Stellungnahme widersprach die mitbeteiligte Partei in Wiederholung ihres Berufungsvorbringens.
Nach antragsgemäßer Durchführung der mündlichen Berufungsverhandlung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungen der mitbeteiligten Partei Folge und änderte die vor ihr bekämpften Bescheide des Finanzamtes antragsgemäß ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 und des § 307 Abs. 2 BAO auf eine sich aus Erlassregelungen ergebende Verwaltungspraxis, nach welcher Bedingungen für die Aktivierung eines Mietrechtes formuliert worden seien, welche von der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei erfüllt worden seien. Von einem aktivierbaren Mietrecht hätten auch Investitionsbegünstigungen unabhängig von der Nutzungsdauer dieses Mietrechtes geltend gemacht werden können. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079, könne entnommen werden, dass für das Vorliegen von Anschaffungskosten der Umstand spreche, dass die Zahlung nicht mehr als Nutzungsentgelt für eine bestimmte Mietperiode, sondern deswegen geleistet werde, um überhaupt den Abschluss des Mietvertrages zu erwirken. Ein Indiz dafür wäre nach dem genannten Erkenntnis, wenn eine (teilweise) Rückzahlung auch für den Fall ausgeschlossen sei, dass der Vermieter aus Gründen, die er zu vertreten habe, nicht in der Lage wäre, seiner laufenden Verpflichtung aus dem Mietvertrag nachzukommen. Im vorliegenden Fall sei "ein 30 % der Anschaffungskosten (d.h. der Gesamtmiete für die Grundmietdauer von 15 Jahren)" nicht übersteigender, als Mietvorauszahlung bezeichneter Betrag bei Vertragsabschluss geleistet worden, wobei "mit 'Klarstellender Vereinbarung' zu § VI Mietzinsvorauszahlung festgehalten" worden sei, dass im Falle einer vorzeitigen Kündigung durch die Vermieterin keine Rückzahlung der geleisteten Mietvorauszahlung an die Mieterin erfolge. Weiters sei zu beachten, dass entgegen der Auffassung der Prüferin der Vermieterin nicht zusätzliche Kündigungsgründe eingeräumt worden seien, sondern dass die Vermieterin im Gegenteil für die Grundmietdauer ausdrücklich auf die Geltendmachung dieser ihr eingeräumten, über das Mietrechtsgesetz hinausgehenden Kündigungsgründe (Eigenbedarf bzw. Wettbewerbsgründe) verzichtet habe. Es stelle damit die strittige Mietvorauszahlung das Entgelt für die Einräumung eines während der Grundmietdauer uneingeschränkten Mietrechtes dar, sodass entsprechend der Verwaltungspraxis und Judikatur damit "ein Mietrecht erworben" worden sei. Der Anwendbarkeit einer "eventuell bei Erlassung der im wieder aufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheide bestehenden", gegenüber der zuvor "geltenden" Verwaltungspraxis strengeren Judikatur stehe grundsätzlich die Bestimmung des § 307 Abs. 2 BAO entgegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach § 292 BAO in der Fassung vor der Änderung durch BGBl. I Nr. 97/2002 erhobene Präsidentenbeschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 kann der Steuerpflichtige bei der Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren Anlagegütern einen Investitionsfreibetrag von höchstens 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd geltend machen.
Mit der Frage der rechtlichen Voraussetzungen des Vorliegens von Anschaffungskosten für ein Mietrecht - welche die Inanspruchnahme eines Investitionsfreibetrages nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG 1988 auslösen könnten -, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt befasst. In seinem vom beschwerdeführenden Präsidenten mit Grund ins Treffen geführten Erkenntnis vom 15. April 1998, 98/14/0043, Slg. N.F. Nr. 7.271/F, dem eine dem Beschwerdefall durchaus vergleichbare Sachverhaltskonstellation zu Grunde lag, hat der Gerichtshof nach Darstellung seiner bis dahin ergangenen Judikatur klargestellt, dass "Mietrecht" und "Mietvorauszahlungen" einander nicht gegenseitig ausschließen, weil Mietvorauszahlungen ohnehin regelmäßig nur dann vorliegen, wenn ein Mietrecht eingeräumt worden ist. Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis daran erinnert, dass die Frage, ob eine Zahlung zu den Mietvorauszahlungen oder zu den Anschaffungskosten zu rechnen ist, stets nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen ist, wie dies der Verwaltungsgerichtshof schon in dem im Verwaltungsverfahren diskutierten Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079, ausgesprochen hatte. An das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, 96/15/0111, erinnernd hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. April 1998 ferner darauf hingewiesen, dass zu den Anschaffungskosten eines Mietrechtes jedenfalls nur ein über das angemessene Nutzungsentgelt hinausgehendes Entgelt zählen kann, während die Gegenleistung für die laufende Nutzungsüberlassung nicht als Anschaffungskosten des Rechts auf entgeltliche Nutzung qualifiziert werden darf. Im nachfolgenden hg. Erkenntnis vom 15. Juli 1998, 97/13/0076, schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof seine zuvor dargestellte Rechtsanschauung bekräftigt und klargestellt, dass die im hg. Erkenntnis vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079, beispielshaft angeführten Umstände (ungewöhnlich langer Zeitraum, für den die Vorauszahlung geleistet wird, oder Ausschluss einer Rückzahlung auch für den Fall, dass der Vermieter aus von ihm zu vertretenden Gründen seiner laufenden Verpflichtung aus dem Mietvertrag nicht nachkommen könnte) in besonders gelagerten Einzelfällen zwar Indizien darstellen mögen, aus denen sich im Kontext der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der konkreten Fallkonstellation der Anschaffungskostencharakter einer unter solchen Umständen geleisteten Sonderzahlung ergeben könnte, dass das bloße Vorliegen eines dieser Indizienelemente für sich allein aus einer Sonderzahlung aber noch nicht Anschaffungskosten eines Mietrechtes machen muss. Erneut hat der Verwaltungsgerichtshof auch in diesem Erkenntnis daran festgehalten, dass der wirtschaftliche Charakter einer Sonderzahlung als Teil des für die Gebrauchsüberlassung der Sache geschuldeten Entgeltes es nicht erlaubt, eine solche Zahlung als Anschaffungskosten des Mietrechtes anzusehen, für welche ein Investitionsfreibetrag in Anspruch genommen werden könnte.
Auch die im Beschwerdefall von der belangten Behörde als Inhalt eines abgeschlossenen Vertrages unterstellten Formulierungen der "Aktennotiz" vom 15. Mai 1991 lassen an der wirtschaftlichen Funktion der - zutreffend als "Mietzinsvorauszahlung" bezeichneten - Leistung der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei an die Vermieterin als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung keinen Zweifel zu. Das von der mitbeteiligten Partei im Berufungsverfahren erstattete Vorbringen, die in Rede stehende Zahlung sei nur zur Erlangung des Mietrechtes geleistet worden, lässt sich mit den Formulierungen im § VI des Vertragstextes nicht in Einklang bringen und ist nur durch das offensichtliche Bestreben erklärbar, die dem Standpunkt der mitbeteiligten Partei abträgliche Sachlage nach Maßgabe der Formulierungen der Aktennotiz nachträglich anders darzustellen, als sie war.
Ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die mitbeteiligte Partei habe mit ihrer Zahlung von S 15 Mio. ein der Geltendmachung eines Investitionsfreibetrages zugängliches Mietrecht erworben, auf der Basis des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes als rechtsirrig zu erkennen, so ist auch die Ansicht der belangten Behörde nicht zu teilen, es würde mit einer die Qualifikation von Anschaffungskosten eines Mietrechtes verneinenden Beurteilung der Vorschrift des § 307 Abs. 2 BAO zuwidergehandelt.
Nach dieser, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Geltung gestandenen Vorschrift des § 307 Abs. 2 BAO durfte in einer nach Wiederaufnahme des Verfahrens ergehenden Sachentscheidung eine seit Erlassung des früheren Bescheides eingetretene Änderung der Rechtsauslegung, die sich auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes oder auf eine allgemeine Weisung des Bundesministeriums für Finanzen stützt, nicht zum Nachteil der Partei berücksichtigt werden.
Zutreffend stützt sich der beschwerdeführende Präsident in der Bekämpfung auch dieses behördlichen Argumentes auf das hg. Erkenntnis vom 15. April 1998, 98/14/0043, Slg. N.F. Nr. 7.271/F. In den Gründen dieses Erkenntnisses wird eingehend dargestellt, dass und weshalb der auch von der dortigen Beschwerdeführerin erhobene Einwand eines Verstoßes der vertretenen Rechtsansicht gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 BAO nicht vorlag. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG muss es genügen, in diesem Zusammenhang auf die Gründe des genannten Erkenntnisses zu verweisen. Dass der Gerichtshof auch mit den Ausführungen seines von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Erkenntnisses vom 12. Jänner 1993, 88/14/0077 bis 0079, vom Grundsatz der Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt einerseits und Anschaffungskosten für das Mietrecht andererseits in keiner Weise abgegangen ist, wird auch im bereits erwähnten hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1997, 96/15/0111, schon unmissverständlich dargestellt (siehe ebenso erneut das hg. Erkenntnis vom 15. Juli 1998, 97/13/0076).
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Die von der mitbeteiligten Partei begehrte Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte aus dem im § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund unterbleiben.
Wien, am 13. September 2006
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