VwGH 2002/10/0085

VwGH2002/10/008531.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Sozialhilfeverbandes K, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 8. April 2002, Zl. MA 12-13136/00 KE, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe gemäß § 44 des Wiener Sozialhilfegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

Geltungsbereich VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1978;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Wr 1973 §44 Abs1;
SHG Wr 1973 §44 Abs2;
SHG Wr 1973 §44 Abs3;
SHG Wr 1973 §44 Abs5 litc;
SHG Wr 1973 §7a;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art3 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art5 Abs2 litc;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art5;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art3 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs2 litc;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Geltungsbereich VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1978;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
SHG Wr 1973 §44 Abs1;
SHG Wr 1973 §44 Abs2;
SHG Wr 1973 §44 Abs3;
SHG Wr 1973 §44 Abs5 litc;
SHG Wr 1973 §7a;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art3 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art5 Abs2 litc;
VE Sozialhilfe Kostenersatz OÖ Tir Vlbg 1973 Art5;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art3 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs1;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs2 lita;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5 Abs2 litc;
VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1974 Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Andrea G., eine ungarische Staatsangehörige, befand sie sich vom

1. bis 4. August 2000 zur stationären Behandlung in der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz. Die Genannte lebt seit 1995 in Wien.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. April 2002 wurde der Antrag des Landes Steiermark vom 15. November 2001 auf Anerkennung der endgültigen Kostentragung in Höhe von täglich EUR 216,56 für die durch die Behandlung von Frau Andrea G. in der Landesnervenklinik Sigmund Freud, 8053 Graz, Wagner Jauregg Platz 1, in der Zeit vom 1. bis 4. August 2000 entstandenen Pflegegebühren unter Berufung auf § 44 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 7a des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/1973 (WSHG), abgewiesen.

Nach der Begründung habe sich Andrea G. in der Zeit vom

1. bis 4. August 2000 in stationärer Pflege der Landesnervenklinik Sigmund Freud in Graz befunden. Die dabei entstandenen Pflegegebühren in der Höhe von insgesamt EUR 866,26 seien beim Sozialhilfeverband Graz-Stadt bzw. Sozialhilfeverband K zum Ersatz angemeldet worden. Zum Zeitpunkt des stationären Aufenthaltes sei Andrea G. in Wien polizeilich gemeldet gewesen. Sie sei nicht österreichische Staatsbürgerin, sondern besitze die ungarische Staatsbürgerschaft. Gemäß § 44 Abs. 1 und 3 WSHG habe das Land Wien den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für die Sozialhilfe aufgewendeten Kosten dann zu ersetzen, wenn sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe, mindestens jedoch fünf Monate in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat. Nach § 7a Abs. 1 WSHG stünden Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich nur Staatsbürgern zu. Gemäß Abs. 2 der genannten Bestimmung seien den Staatsbürgern folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich erlaubter Weise im Inland aufhielten:

a) Fremde, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt,

b) Fremde, wenn mit ihrem Heimatstaat auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit besteht, insoweit sie dadurch nicht besser gestellt sind als Staatsbürger in dem betreffenden Staat,

c) Fremde, denen nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. Nr. 8/1992 Asyl gewährt wurde,

d) durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Begünstigte.

Ein bilateraler Staatsvertrag zwischen Ungarn und Österreich auf dem Gebiet der Sozialhilfe existiere nach Rücksprache mit dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen nicht. Die Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961, BGBl. 460/1969, der unter anderem Österreich und Ungarn beigetreten seien, sei ein multilaterales völkerrechtliches Abkommen, das von Österreich nicht als verfassungsändernd und nur unter Erfüllungsvorbehalt ratifiziert worden sei. Ein entsprechendes österreichisches Gesetz sei bislang nicht erlassen worden, sodass kein Angehöriger eines Unterzeichnerstaates der Europäischen Sozialcharta einen Rechtsanspruch ableiten könne.

Es bestehe auch keine Gegenseitigkeit auf Grund tatsächlicher Übung im Sinne der lit. b des § 7a Abs. 2 WSHG. Ebenso wenig seien Ausnahmetatbestände der lit. c und lit. d erfüllt. Andrea G. habe daher als ungarische Staatsbürgerin keinen Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Wiener Sozialhilfegesetz. Dies wäre jedoch gemäß § 44 Abs. 3 WSHG Voraussetzung für die Geltendmachung eines Kostenersatzanspruches durch den Träger der Sozialhilfe eines anderen Landes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der mit "Kosten der Sozialhilfe" überschriebene Art. 2 der Ländervereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. für Wien Nr. 9/1974 (in der Folge: Ländervereinbarung), der auch das Land Steiermark beigetreten ist (vgl. dazu LGBl. für Wien Nr. 30/1978), bestimmt auszugsweise:

"Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden

a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe ...

... erwachsen."

Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung ("Zuständigkeit") hat

folgenden Inhalt:

"Soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat."

Art. 5 der Ländervereinbarung ("Umfang der Kostenersatzpflicht") bestimmt auszugsweise:

"(1) Der zum Kostenersatz verpflichtete Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Art. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen.

(2) Nicht zu ersetzen sind:

a) die Kosten für Leistungen, die im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt werden, soferne es sich nicht um Kosten im Sinne des Art. 2 lit. b handelt;

...

c) die Kosten für Leistungen, die in den für den verpflichteten Träger geltenden Vorschriften in der Art nicht vorgesehen sind;

..."

Der mit "Kostenersatz an andere Länder" überschriebene § 44 WSHG in der Fassung LGBl. Nr. 17/1986 normiert:

"(1) Das Land Wien hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.

(2) Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfesuchenden

a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder

b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, statt Gesetzblatt Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1945, erwachsen.

(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.

...

(5) Das Land Wien als zum Kostenersatz verpflichteter Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Abs. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen. Nicht zu ersetzen sind:

a) die Kosten für Leistungen, die im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt werden, soferne es sich nicht um Kosten im Sinne des Abs. 2 lit. b handelt;

...

c) die Kosten für Leistungen, die in diesem Gesetz in der Art nicht vorgesehen sind;

..."

Der die "Voraussetzung der Hilfe" regelnde § 4 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 29/1998 hat folgenden Inhalt:

"(1) Auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes besteht für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes ein Rechtsanspruch.

a) Wer sich in der Steiermark aufhält und zu einem mehr als dreimonatigen Aufenthalt berechtigt ist, hat einen Rechtsanspruch auf Leistungen im Sinne der §§ 7 und 14.

b) Wer sich in der Steiermark aufhält und die genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, hat einen Rechtsanspruch im Sinne der §§ 7 Abs. 1 lit. b, c, d, Abs. 2 lit. a Z 2 und 3 und lit. b und 14. Zur Vermeidung unbilliger Härten können vom Träger der Sozialhilfe als Träger von Privatrechten auch andere Leistungen gewährt werden."

Dem angefochtenen Bescheid liegt erkennbar die Auffassung zu Grunde, mit den "Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen" nach § 44 Abs. 3 letzter Halbsatz WSHG sei der in der Person des betreffenden Hilfeempfängers konkretisierte Anspruch auf Hilfe gemeint. Nur in diesem Fall konnte die belangte Behörde nämlich zur Auffassung gelangen, es sei die Frage der "persönlichen" Anspruchsvoraussetzungen - wie etwa die österreichische Staatsbürgerschaft oder das Vorliegen von "Gleichstellungstatbeständen" im Sinne des § 7a WSHG - nach dem Recht des zum Ersatz der Kosten in Anspruch genommenen Landes zu beurteilen. Dies ist den zitierten Vorschriften indessen nicht zu entnehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr bereits ausgesprochen, dass die oben zitierten Vorschriften abstrakt auf den Leistungstypus abstellen, das heißt vorerst zu prüfen ist, ob die vom Träger der Sozialhilfe eines anderen Bundeslandes gewährte Hilfe auch im Leistungskatalog mit Rechtsanspruch nach dem Wiener Sozialhilfegesetz enthalten ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 97/08/0590). Dies ist in Ansehung der hier in Rede stehenden Krankenhilfe nicht strittig.

Aus § 44 Abs. 3 WSHG kann kein Anhaltspunkt dafür gewonnen werden, dass - über die Anknüpfung an "Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen" hinaus - auf den konkreten Leistungsanspruch der Empfänger, im vorliegenden Fall (auch) auf die Anspruchsvoraussetzung der Staatsbürgerschaft bzw. Gleichstellung nach § 7a WSHG abzustellen wäre. Maßgeblich als "landesrechtliche Vorschrift über die Sozialhilfe" im Sinne des § 44 Abs. 2 WSHG (vgl. dazu Art. 2. lit. a der Ländervereinbarung) ist im vorliegenden Zusammenhang vielmehr § 4 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes. Das Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen ist ebenfalls nicht strittig.

Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Ablehnung der Kostentragung erweist sich somit als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003.

Wien, am 31. Mai 2006

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