VwGH 2005/21/0301

VwGH2005/21/03018.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. Juni 2005, Zl. VwSen-400715/4/Gf/Pe, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: VT in L), zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §56 Abs1 Z2;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs5 idF 2002/I/126;
VwRallg;
FrG 1997 §56 Abs1 Z2;
FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §66 Abs5 idF 2002/I/126;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie ergibt sich Folgendes:

Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. September 2004 ausgewiesen. Mit der Begründung, er sei seiner sich aufgrund der rechtskräftigen Ausweisung ergebenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, weshalb davon ausgegangen werden müsse, er werde sich seiner beabsichtigten Abschiebung nicht zur Verfügung halten, verhängte die Bundespolizeidirektion Linz in der Folge mit Bescheid vom 23. Mai 2005 zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft; diese wurde am 30. Mai 2005 in Vollzug gesetzt.

Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde an die belangte Behörde. Diese erklärte, gestützt auf § 67c Abs. 3 AVG, mit dem bekämpften Bescheid die Anhaltung des Mitbeteiligten für rechtswidrig. Der Mitbeteiligte sei in Linz ordnungsgemäß gemeldet und habe sich bis zu seiner Festnahme auch tatsächlich dort aufgehalten. Zudem verfüge er aufgrund eines legalen Beschäftigungsverhältnisses zweifelsfrei über die zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erforderlichen finanziellen Mittel. Davon ausgehend sei offenkundig, dass seine Inschubhaftnahme primär dazu gedient habe, faktische Schwierigkeiten im Zuge der Abschiebung (allfällige Stornokosten betreffend gebuchte Flugtickets) hintanzuhalten. Derartige "Unannehmlichkeiten" rechtfertigten jedoch ebensowenig eine Schubhaftverhängung wie eine ohne entsprechende tatsächliche Hinweise getroffene Prognoseentscheidung dahin, dass sich der Fremde im Bewusstsein um drohende Zwangsmaßnahmen dem behördlichen Zugriff entziehen und seine Abschiebung dadurch erschweren könnte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene, auf § 74 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, gegründete Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 56 Abs. 1 Z 2 FrG können Fremde, gegen die ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar ist, u.a. dann von der Behörde zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

§ 61 Abs. 1 FrG ermöglicht die Festnahme und Anhaltung (Schubhaft) von Fremden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Der durch die FrG-Novelle 2002 (BGBl. I Nr. 126) mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2003 dem bisherigen § 66 FrG neu angefügte Abs. 5 schließlich ordnet an, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung, der Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegensteht. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann dem Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 24 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Die amtsbeschwerdeführende Partei hält dem bekämpften Bescheid entgegen, dass es im vorliegenden Fall um eine Inschubhaftnahme aufgrund fehlender Ausreisewilligkeit und nicht um Unannehmlichkeiten der Behörde gehe. Der Mitbeteiligte sei über ca. acht Monate hindurch nicht bereit gewesen, seinen illegalen Aufenthalt zu beenden. Er habe sehr deutlich bekräftigt, dass er Österreich "sicherlich nicht freiwillig" verlassen werde. Aus dieser Absicht könne bzw. müsse von einer Sicherheitsbehörde geschlossen werden, dass der Mitbeteiligte alles (einschließlich des Untertauchens) versuchen werde, um seine Abschiebung zu verhindern.

Aus den oben dargestellten Bestimmungen in ihrem Zusammenhang ergibt sich, dass fehlende Ausreisewilligkeit für sich allein - entgegen der in der Amtsbeschwerde vertretenen Ansicht - die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nicht rechtfertigen kann. Ist ein Fremder auf Grund mangelnder Ausreisewilligkeit nicht ausgereist, so erfüllt er - Existenz eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes oder einer durchsetzbaren Ausweisung unterstellt - die Voraussetzungen für eine Abschiebung im Grunde des § 56 Abs. 1 Z 2 FrG. Damit ist aber noch nicht - in jedem Fall ohne Weiteres - gesagt, dass es auch der Verhängung der Schubhaft bedarf, um diese Abschiebung zu sichern. Das Gesetz lässt vielmehr klar erkennen, dass dann, wenn die behördliche Prüfung die Erfüllung des Tatbestandes des § 56 Abs. 1 Z 2 FrG (also etwa wegen fehlender Ausreisewilligkeit) ergeben hat, in einem zweiten Schritt die Frage zu beantworten ist, ob ein Sicherungsbedarf besteht. Diese Frage kann naturgemäß aber nicht immer schon dann als bejaht gelten, wenn infolge bestehender Ausreiseunwilligkeit überhaupt erst die vorweg zu behandelnde Zulässigkei einer Abschiebung als solche feststeht. Das Sicherungserfordernis des § 61 Abs. 1 FrG muss daher in weiteren Umständen begründet sein, wofür etwa mangelnde berufliche oder soziale Verankerung im Inland in Betracht kommen. Nur bei einer derartigen - oder vergleichbaren - Konstellation, die vorliegend nicht zu sehen ist, kann die in der Amtsbeschwerde vorgetragene Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens, als schlüssig angesehen werden.

Nicht verkannt wird, dass die erfolgreiche Durchführung einer Abschiebung regelmäßig Vorbereitungshandlungen erfordert, die zuletzt auch in Maßnahmen gegenüber dem abzuschiebenden Fremden münden müssen. Dass die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen schon präventiv die Verhängung von Schubhaft rechtfertige, lässt sich allerdings am Boden des oben wiedergegebenen § 66 Abs. 5 FrG nicht vertreten, geht diese Bestimmung doch gerade davon aus, dass die Verhängung von Schubhaft ungeachtet der zur Durchsetzung einer Abschiebung letztlich notwendigen Maßnahmen von Befehls- und Zwangsgewalt unterblieben ist. Vor dem Hintergrund des erst am 1. Jänner 2003 in Kraft getretenen § 66 Abs. 5 FrG ist im Übrigen die in der Amtsbeschwerde zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur davor gültigen Rechtslage in ihrer Allgemeinheit nicht mehr aktuell. Was aber den Hinweis auf eine Entscheidung der belangten Behörde anlangt, so kann daraus nichts für den vorliegenden Fall gewonnen werden.

Nach dem Gesagten lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. September 2005

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