VwGH 2005/21/0044

VwGH2005/21/004426.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Jänner 2005, Zl. Fr 3416/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §39 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §39 Abs1;
FrG 1997 §39 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde auf zwei rechtskräftige Verurteilungen des am 2. Juni 2003 eingereisten Beschwerdeführers. Am 12. März 2004 sei er wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 Suchtmittelgesetz und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt worden, wobei ein Teil in der Dauer von fünf Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass er am 5. November 2003 eine Kugel mit 0,4 g Kokain und am 9. Februar 2004 weitere acht Kugeln mit Heroin und Kokain zum Zweck des unmittelbaren Weiterverkaufes bereitgehalten und am 9. Februar 2004 vier Kugeln mit 1,6 g Kokain an zwei verdeckte Ermittler sowie eine Kugel mit Kokain an einen unbekannt gebliebenen Suchtgiftkonsumenten verkauft habe. Er habe somit Suchtgift Anderen gewerbsmäßig überlassen.

Mit Urteil vom 8. Oktober 2004 sei er - neben einem Teilfreispruch - wegen des Vergehens nach § 15 und § 269 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden, weil er am 24. August 2004 in Wien einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, und zwar der Anhaltung und Festnahme, durch Versetzen von Schlägen und Tritten zu hindern versucht habe.

Aus diesem Sachverhalt schloss die belangte Behörde erkennbar auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG und erachtete das Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt. Letzteres begründete sie mit dem Hinweis auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, die hohe Begleitkriminalität und die große Wiederholungsgefahr sowie die gewerbsmäßige Vorgangsweise des Beschwerdeführers. Weiters habe der Beschwerdeführer auch ein gegen die Staatsgewalt gerichtetes Fehlverhalten gesetzt. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers sei auf eine ausgeprägte sozialschädliche Neigung zur Missachtung von österreichischen Rechtsvorschriften zu schließen. Seiner Verantwortung, dass er auf Grund einer Notlage zu diesen Delikten gezwungen gewesen sei, sei entgegenzuhalten, dass er sofort nach Asylantragstellung in die Bundesbetreuung aufgenommen worden und somit mit Kost und Quartier versorgt gewesen sei. Sein Fehlverhalten könne daher nur als besondere Missachtung der Rechtsordnung des Aufnahmestaates und als Ausnützung der eingeräumten Rechtsstellung als Asylwerber angesehen werden.

Das Asylverfahren des Beschwerdeführers sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Der Behörde seien keine inländischen familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers bekannt. Wegen des ca. fünfmonatigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vor Verwirklichung des maßgebenden Sachverhaltes könne der Beschwerdeführer auch nicht als integriert betrachtet werden. Bei Abwägung der für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden öffentlichen und privaten Interessen gelange die Behörde zur Ansicht, dass das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers und seine offenkundige sozialschädliche Neigung zur Negierung österreichischer Rechtsvorschriften die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten erscheinen lasse.

Weiters sah sich die belangte Behörde außer Stande, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.

Das Aufenthaltsverbot sei auf unbefristete Zeit zu verhängen, weil der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes angesichts der mehrfach gewerbsmäßig und über einen längeren Zeitraum begangenen Suchtgiftdelikte nicht vorhergesehen werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).

Die Beschwerde tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen. Der Gerichtshof hegt somit keine Bedenken gegen die behördliche Ansicht, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster und zweiter Fall) FrG verwirklicht sei. Es kann auch keineswegs die weitere Ansicht der belangten Behörde als rechtswidrig gesehen werden, dass nach § 36 Abs. 1 FrG eine Gefährlichkeitsprognose gegen den Beschwerdeführer zu treffen sei, beeinträchtigt doch sein festgestelltes Fehlverhalten in beträchtlichem Ausmaß das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit Anderer, dies insbesondere im Blick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität. Dass die entsprechende Verurteilung - worauf die Beschwerde hinweist - bereits mehr als ein Jahr zurückliegt, vermag die Gefährlichkeitsprognose (noch) nicht zu entkräften. Dass der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde behauptet - Angst vor einer Amtshandlung hatte und deswegen der Staatsgewalt Widerstand entgegensetzte, kann die Gefährdung des öffentlichen Interesses insbesondere an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität nicht beseitigen. Dem auch in der Beschwerde erhobenen Hinweis auf eine bestehende Notlage hat bereits die belangte Behörde - unwidersprochen - entgegengehalten, dass der Beschwerdeführer sofort nach Asylantragstellung in die Bundesbetreuung aufgenommen worden sei.

Weiters bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfügt. Anhaltspunkte für eine Integration in Österreich werden nicht aufgezeigt, weshalb die Beurteilung der belangten Behörde nach § 37 FrG nicht als rechtswidrig erkannt werden kann. Dem bereits aufgezeigten öffentlichen Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes steht jedenfalls kein gegenläufiges privates Interesse des Beschwerdeführers entgegen, das auch nur entfernt das Gewicht des erstgenannten Interesses aufweist.

Warum die belangte Behörde das ihr zustehende Ermessen nach Meinung der Beschwerde nicht im Sinn des Gesetzes ausgeübt haben soll, wird nicht dargetan. Solches ist auch aus der Bescheidbegründung nicht ersichtlich, liegen doch keine Umstände vor, die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen.

Letztlich wendet sich die Beschwerde gegen die unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes. Gemäß § 39 Abs. 1 FrG kann jedoch das Aufenthaltsverbot im Fall des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG unbefristet erlassen werden, wobei gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen ist. Ein Aufenthaltsverbot ist für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, oder auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall dieses Grundes nicht vorhergesehen werden kann. Als für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes maßgebliche Umstände gemäß § 39 Abs. 2 FrG ist außer dem konkret gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen auch auf die privaten und familiären Interessen im Sinn des § 37 FrG Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 98/18/0367). Es ist die behördliche Ansicht nicht zu beanstanden, dass nicht vorhersehbar sei, wann die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers weggefallen sein wird. Im Blick auf das bedeutsame Interesse an der Unterbindung der Suchtgiftkriminalität einerseits und das - wenn überhaupt - nur schwach ausgeprägte private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich andererseits erweist sich die unbefristete Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. April 2005

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