VwGH 2005/20/0289

VwGH2005/20/02891.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des M in W, geboren 1962, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. November 2004, Zl. 248.688/2-X/47/04, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrages und einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §63 Abs5;
MeldeG 1991 §19a Abs1 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §19a Abs2 idF 2001/I/028;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §17;
ZustG §4;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §63 Abs5;
MeldeG 1991 §19a Abs1 idF 2001/I/028;
MeldeG 1991 §19a Abs2 idF 2001/I/028;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §17;
ZustG §4;

 

Spruch:

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nepal, reiste am 13. September 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Mai 2003 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nepal für zulässig.

Einer vom Bundesasylamt eingeholten Meldeauskunft zufolge war der Beschwerdeführer seit 28. April 2003 in 1070 Wien, Zollergasse 15, mit der "Wohnsitzqualität: Obdachlos" gemeldet. Dieser Adresse bediente sich das Bundesasylamt (mit einem von der Post ausgebesserten Fehler in der Postleitzahl) für den Rückscheinbrief, mit dem der Bescheid dem Beschwerdeführer zu eigenen Handen zugestellt wurde. Dem Rückschein zufolge wurde die Sendung nach Zustellversuchen am 4. und 5. Juni 2003 am 6. Juni 2003 durch Hinterlegung zugestellt. Am 27. Juni 2003 gelangte die Sendung unbehoben an das Bundesasylamt zurück.

Mit Schriftsatz vom 20. Jänner 2004, zur Post gegeben aber erst am 3. Februar 2004, beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, die er mit einer (verbesserungsbedürftigen) Berufung und einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verband.

In der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages legte er u.a. dar, er habe durch einen fremdenpolizeilichen Bescheid vom 9. Jänner 2004 erfahren, dass sein Asylverfahren seit 21. Juni 2003 negativ abgeschlossen sei. Der diesbezügliche Bescheid des Bundesasylamtes sei ihm "bis heute nicht zugestellt" worden. Beim Bundesasylamt habe der Beschwerdeführer (zu einem im Antrag nicht angegebenen Zeitpunkt) erfahren, dass der Bescheid "am 21.6.2003 ausgefertigt und an meine Wohnanschrift in Wien 7., Zollergasse 15 ... wo ich seit 28.4.2003 durchgehend bis heute gemeldet und wohnhaft bin", geschickt worden sei. Durch die "nicht erfolgte Zustellung" des Bescheides drohten dem Beschwerdeführer Rechtsnachteile, wobei ihn "an der Nichtzustellung des Bescheids des Bundesasylamts keinerlei Verschulden trifft, zumal ich durchgehend an oben genannter Adresse gemeldet war." Da dem Beschwerdeführer "der bekämpfte Bescheid bis dato nicht zugestellt" worden sei, berufe er "zur Wahrung der Frist gegen diesen und beantrage zugleich seine Zustellung, um in der Folge ein ergänzendes Vorbringen erstatten zu können."

Dieser (späteren Angaben zufolge mit Unterstützung durch "Asyl in Not" erstellte) Schriftsatz langte am 4. Februar 2004 beim Bundesasylamt ein. Am 12. März 2004 nahm eine Mitarbeiterin von "SOS Mitmensch" Einsicht in den Asylakt des Beschwerdeführers. Sie gab hiezu eine vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht folgenden Inhalts zum Akt:

"Ich bevollmächtige Fr. Dr. Ingrid A. wohnhaft ... ehrenamtliche Mitarbeiterin der Rechtsberatung von SOS Mitmensch dazu für mich in meinem Asylverfahren telefonische Auskünfte einzuholen, sowie zur og. Zahl Akteneinsicht zu nehmen, und - falls erforderlich - Rechtshandlungen für mich zu setzen."

Mit Erledigung vom 19. März 2004 wies das Bundesasylamt sowohl den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers als auch dessen Antrag, dem Wiedereinsetzungsantrag aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zurück. Es ging davon aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet sei.

Diese Erledigung stellte das Bundesasylamt nicht dem Beschwerdeführer, sondern der Mitarbeiterin von "SOS Mitmensch" an deren in der Vollmacht genannte Wohnadresse zu.

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die - mit der Beifügung "vertreten durch" von der Mitarbeiterin von "SOS Mitmensch" für den Beschwerdeführer erhobene - Berufung gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 71 Abs. 2 AVG ab. Auch die belangte Behörde ging davon aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet sei.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die (mit dem Wiedereinsetzungsantrag verbundene und in der Folge ergänzte) Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 28. Mai 2003 gemäß § 63 Abs. 5 AVG (als verspätet) zurück.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In Bezug auf die inhaltliche Erledigung der Berufung gegen die erstinstanzliche Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde - wie schon im Verfahrenshilfeverfahren - ausdrücklich und primär der Standpunkt vertreten, die Mitarbeiterin von "SOS Mitmensch" habe bei ihrer Vorsprache am 12. März 2004 keine Zustellvollmacht präsentiert, weshalb die Zustellung des Bescheides vom 19. März 2004 an sie - ungeachtet ihres nachfolgenden (weiteren) Einschreitens - nicht wirksam gewesen sei.

Dem ist beizupflichten. Aus dem Umstand, dass in der Bezeichnung der Bevollmächtigten in der Vollmachtsurkunde auch deren Wohnanschrift angegeben war, ergab sich angesichts des auf Einholung telefonischer Auskünfte, Akteneinsicht und "- falls erforderlich - Rechtshandlungen für mich" beschränkten Inhaltes der Vollmacht für das Bundesasylamt kein Anlass zur Zustellung der Erledigung vom 19. März 2004 an die in dieser Vollmacht genannte Person statt an den Beschwerdeführer. Der Bescheid, gegen den sich die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides inhaltlich erledigte Berufung richtete, wurde somit nicht wirksam erlassen.

In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von der Wirksamkeit der Hinterlegung im Juni 2003 aus, ohne sich damit auseinander zu setzen, dass ihr in Bezug auf die Voraussetzungen dieser Zustellung einander widersprechende Angaben vorlagen. Einerseits handelte es sich bei der Zustelladresse sowohl nach der vom Bundesasylamt (im Wege der "Behördenanfrage") eingeholten Meldeauskunft als auch nach einer vom Beschwerdeführer mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten "Bestätigung der Meldung" vom 17. Juli 2003 um eine Meldung mit der "Wohnsitzqualität: Obdachlos", was auf eine bloße Kontaktstelle im Sinne des § 19a MeldeG hindeutete. Andererseits war im Wiedereinsetzungsantrag von einer "Wohnanschrift" die Rede gewesen, an der der Beschwerdeführer "wohnhaft" sei. Dem angefochtenen Bescheid ist nicht entnehmbar, dass und weshalb die belangte Behörde Letzteres für richtig und die Angabe der "Wohnsitzqualität: Obdachlos" für falsch gehalten hätte.

Die belangte Behörde hat offenbar nicht erkannt, dass es - je nachdem, welche der Angaben richtig war - für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Hinterlegung auf unterschiedliche Einzelheiten im Sachverhalt angekommen wäre, und auf Grund dieses Rechtsirrtums keine Feststellungen über die Art der Abgabestelle getroffen (vgl. zu Zustellungen an der "Kontaktstelle" das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/01/0621).

Es war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die vom Beschwerdevertreter nicht entrichtete, aber dessen ungeachtet verzeichnete "Eingabegebühr" war im Hinblick auf die gewährte Verfahrenshilfe nicht zuzusprechen. Wien, am 1. September 2005

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