VwGH 2005/18/0539

VwGH2005/18/053915.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1974, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Juni 2005, Zl. St 273/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
EMRK Art8;
VwRallg;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AVG §38;
AVG §68 Abs1;
EheG §23;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juni 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 sowie den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe sich - der Begründung des erstinstanzlichen Bescheids zufolge - am 12. April 2002 in Steyr angemeldet und dabei eine befristete Aufenthaltsbewilligung der Stadt Düsseldorf vom 24. Jänner 2002 vorgewiesen. Am 28. Juli 2002 habe der Beschwerdeführer bei der Bundespolizeidirektion Steyr einen allerdings nicht unterschriebenen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, Familiengemeinschaft mit Österreicher, abgegeben. Er habe dabei eine Heiratsurkunde des Standesamtes Ybbs/Donau vom 13. Juli 2002 vorgewiesen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 23. April 2003 sei die Ehe des Beschwerdeführers als nichtig aufgehoben worden. Im Urteil sei festgestellt worden, dass die Eheschließung über Vermittlung einer dritten Person zu Stande gekommen sei, wobei der Gattin des Beschwerdeführers ein Entgelt in der Höhe von EUR 7.994,-- versprochen und teilweise bezahlt worden sei. Die Eheschließung sei ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, dem Beschwerdeführer eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Die Eheleute hätten nach der Eheschließung zu keinem Zeitpunkt zusammen gewohnt und die Ehe sei auch nie vollzogen worden. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein Ehewille bestanden. Es sei von einer Scheinehe auszugehen, für die Zahlungen geleistet worden seien. Zur Erlangung eines Aufenthaltstitels habe der Beschwerdeführer "die Ehe als Grundlage angeführt". Der Beschwerdeführer habe versucht, unter Ausnützung bzw. Zuhilfenahme einer differenziert gegliederten Organisation mehrerer Personen, welche es sich zum Ziel gemacht hätten, gegen Leistung hoher Geldbeträge gewerbsmäßig sogenannte "Scheinehen" zu vermitteln, eine Niederlassungsbewilligung in Österreich zu erhalten. Dadurch seien die fremdenrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen sowie insbesondere das öffentliche Interesse des Staates an einem geordneten Fremden- und Einwanderungswesen in gewinnsüchtiger Absicht umgangen worden. Es sei richtig, dass der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht unterschrieben sei. Mit der Übergabe des sonst ausgefüllten Formulars habe der Beschwerdeführer jedoch jedenfalls das Ansinnen zur Ausstellung einer solchen Bewilligung gezeigt. Die Ansicht des Beschwerdeführers, er hätte auf Grund seiner deutschen Aufenthaltsberechtigung eine solche für Österreich nicht nötig gehabt, gehe ins Leere. Für einen weiteren Aufenthalt und die Arbeitsaufnahme hätte dieser Titel nicht gereicht.

Die belangte Behörde führte sodann aus, der Beschwerdeführer sei nicht, wie er in seiner Berufungsschrift angegeben habe, einer "Heiratsschwindlerin" aufgesessen, sondern habe selbst versucht, der Behörde etwas "vorzuschwindeln".

Zu dem Argument des Beschwerdeführers, ein (in der Übergabe eines Antragsformulars zu erblickendes) "Ansinnen" (auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung) würde nicht ausreichen, werde auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

Der Beschwerdeführer halte sich erst seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet auf. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass er hier integriert wäre. Intensivere, insbesondere familiäre Bindungen habe er nicht behauptet. Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde nicht in beachtenswerter Weise in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Aus den angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Auch die Interessenabwägung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG gehe zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Es könne erst nach Ablauf der für das Aufenthaltsverbot vorgesehenen Zeit erwartet werden, dass der Beschwerdeführer sich wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist.

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet hat.

2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die am 13. Juli 2002 mit Silvia H. geschlossene Ehe mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 23. April 2003 für nichtig erklärt worden ist. Aus dem im Akt erliegenden Urteil ergibt sich, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen wurde, dem Beschwerdeführer in Österreich eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung zu verschaffen. Die Ehepartner haben zu keinem Zeitpunkt zusammen gewohnt und die geschlossene Ehe nie vollzogen.

Durch dieses Urteil ist bindend festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Ehe nur geschlossen hat, um ihm in Österreich den Aufenthalt und die Aufnahme einer Beschäftigung zu ermöglichen, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers (er habe niemals angegeben, dass die Eheschließung nur zu dem Zweck erfolgt sei, dass er eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in Österreich erhalte; er habe gegen eine Auflösung der Ehe keinen Einwand erhoben, nachdem sich in der Folge herausgestellt hätte, dass seine Ehegattin an einer dauerhaften Ehe überhaupt nicht interessiert gewesen sei und ihn offenbar nur des Geldes wegen geheiratet hätte; ihm sei vor Gericht der Unterschied zwischen einer Nichtigerklärung und einer Scheidung bzw. Auflösung der Ehe nicht erklärt worden; er sei immer der Meinung gewesen, es habe sich um eine einvernehmliche Auflösung der Ehe gehandelt) ist angesichts der Rechtskraft des genannten Urteils nicht zielführend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095, und vom 31. August 2004, Zl. 2004/21/0182).

2.2. Wie bereits im Berufungsverfahren bestreitet der Beschwerdeführer, dass sein Verhalten als bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG zu werten sei. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, von wem das Formular mit dem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ausgefüllt worden und wie es zum Akt gekommen sei.

2.3. Der Beschwerdeführer hat den mit "Steyr, am 28. Juli 2002" versehenen, nicht von ihm ausgefüllten "Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes für jugoslawische und türkische Gastarbeiter" nicht unterfertigt. Auch das an die Bezirkshauptmannschaft Melk gerichtete, mit 29. Juli 2002 datierte Ansuchen um Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung (zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin), dem auch ein Foto des Beschwerdeführers beigefügt ist, wurde von ihm nicht unterschrieben.

§ 13 Abs. 4 AVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 lautet:

"Weist ein schriftliches Anbringen keine eigenhändige und urschriftliche Unterschrift auf, so kann die Behörde, wenn sie Zweifel darüber hat, ob das Anbringen von der darin genannten Person stammt, eine Bestätigung durch ein schriftliches Anbringen mit eigenhändiger und urschriftlicher Unterschrift auftragen, und zwar mit der Wirkung, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist nicht mehr behandelt wird. Mit gleicher Wirkung kann auch die schriftliche Bestätigung eines mündlichen oder telephonischen Anbringens aufgetragen werden."

Hier hatte die Behörde zu derartigen Zweifeln keinen Anlass. Gegenstand des vom Beschwerdeführer nicht unterfertigten Antrags vom 29. Juli 2002 war die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung an den Beschwerdeführer zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin. Der Beschwerdeführer wurde - dem in der angefertigten Niederschrift angegebenen Gegenstand "Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - Verdacht der Scheinehe" zufolge - dazu am 29. Juli 2002 von der Bezirkshauptmannschaft Melk im Beisein einer Dolmetscherin vernommen. Die Niederschrift wurde vom Leiter der Amtshandlung, der beigezogenen Dolmetscherin und dem Beschwerdeführer unterzeichnet. Von daher deutet nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer den besagten Antrag nicht gestellt hätte bzw. dass der Antrag etwa von einer dritten Person ohne Einwilligung des Beschwerdeführers mit seinem Lichtbild versehen und unter Beifügung der Heiratsurkunde bei der Bezirkshauptmannschaft Melk eingebracht worden wäre. Der Beschwerdeführer, dem die genannten Anträge somit zuzurechnen sind, hat sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen. Die Auffassung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG sei erfüllt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0076, mwH), kann es nicht als rechtsirrig angesehen werden, wenn die Behörde vorliegend die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtet hat.

4. Der Beschwerdeführer hält sich seit dem Jahr 2002 im Bundesgebiet auf. Familiäre Bindungen bestehen nicht. Den daraus ableitbaren, nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die von ihm ausgehende Gefährdung des öffentlichen Interesses (vgl. II. 3.) gegenüber. Von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (hier:

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 3 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), keinem Einwand.

5. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde die gesetzwidrige Ausübung des bei der Anwendung des § 36 Abs. 1 FrG zu handhabenden Ermessens vorwirft, ist er ebenfalls nicht im Recht. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde keine Veranlassung, von dem ihr nach dieser Bestimmung bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

6. Bemerkt wird, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf eine Begünstigung nach Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des - durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB) berufen kann, weil in Anbetracht der durch das Nichtigkeitsurteil feststehenden Scheinehe das Erfordernis eines "ordnungsgemäßen Wohnsitzes" nicht erfüllt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, Zl. 99/21/0154).

6. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. Dezember 2005

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