VwGH 2005/18/0165

VwGH2005/18/01658.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1976, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. April 2005, Zl. SD 194/05, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §12 Abs2b;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §12 Abs2b;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. April 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 34 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Dem Beschwerdeführer sei erstmals am 14. März 2001 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung erteilt worden, weil er eine Bestätigung über die Aufnahme in das "Modul - Internationales Zentrum für Hotel- und Tourismusausbildung" für das Schuljahr 2000/2001 vorgelegt habe. Seinem Verlängerungsantrag vom 6. März 2001 sei hingegen eine Inskriptionsbestätigung der Veterinärmedizinischen Universität Wien zu Grunde gelegen. Zu diesem Studium sei der Beschwerdeführer bereits am 4. September 2000 zugelassen worden. Dasselbe Studium sei auch einem weiteren Verlängerungsantrag vom 3. Oktober 2001 zu Grunde gelegen. Am 14. Oktober 2002 habe der Beschwerdeführer erneut eine weitere Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, diesmal Studienrichtung Mathematik an der Universität Wien, beantragt. Zu diesem Studium sei der Beschwerdeführer über seinen Antrag vom 26. Juni 2000 bereits im Jänner 2001 zugelassen worden. Am 3. Oktober 2003 habe er eine weitere Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung dieses Mathematikstudiums beantragt. Anlässlich der Erteilung des beantragten Titels sei der Beschwerdeführer von der Erstbehörde schriftlich darauf aufmerksam gemacht worden, dass beim nächsten Verlängerungsantrag ein entsprechender Studienerfolg nachzuweisen sei, widrigenfalls eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen würde.

Dem bislang letzten Verlängerungsantrag vom 4. Oktober 2004 habe der Beschwerdeführer eine Studienerfolgsbestätigung beigelegt, wonach er am 31. Jänner 2003, am 30. Juni 2003 und am 30. Jänner 2002 (laut Verwaltungsakt richtig: 30. Jänner 2004) je eine Übung im Ausmaß von zwei Semesterwochenstunden positiv absolviert habe. Nach den vorgelegten Zeugnissen habe er auch am 30. Jänner 2004 eine (weitere) Übung im Ausmaß von zwei Semesterwochenstunden und am 15. März 2004 eine Übung im selben Ausmaß positiv absolviert. Während des Berufungsverfahrens habe er ein Lehrveranstaltungszeugnis über eine Übung (zwei Semesterwochenstunden) vorgelegt, die er am 27. Jänner 2005 positiv absolviert habe und ein weiteres Zeugnis über die Absolvierung einer Übung.

Mit Schreiben der belangten Behörde "vom 15. Jänner 2005" sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, einen gemäß § 12 Abs. 2b FrG erforderlichen Studienerfolgsnachweis nach § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120 (UG), vorzulegen. Dem sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Er habe lediglich eine "Bestätigung des Studienerfolgs gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967" vorgelegt.

Der in § 12 Abs. 2b FrG normierte Versagungsgrund sei verwirklicht. Hinzu trete, dass das Mathematikstudium im ersten Studienabschnitt (vier Semester) 45 Semesterwochenstunden, davon 32 Stunden Vorlesungen und 13 Stunden Proseminare umfasse. Der Beschwerdeführer habe jedoch bisher lediglich Übungen absolviert. Im Hinblick darauf könne nicht einmal annähernd vorhergesehen werden, wann bzw. ob der Beschwerdeführer jemals den ersten Studienabschnitt absolvieren werde. Auch bei großzügiger Betrachtungsweise werde der Beschwerdeführer sohin dem von ihm selbst gewählten Aufenthaltszweck nicht gerecht. Solcherart werde die Annahme der Erstbehörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers offenbar anderen Zwecken diene, erhärtet, dies auch dadurch, dass der Beschwerdeführer zeitgleich seine Aufnahme in drei völlig verschiedene Bildungseinrichtungen erwirkt habe. Angesichts der strengen Zweckbindung der zu erteilenden Aufenthaltstitel werde durch dieses Verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens erheblich beeinträchtigt, weshalb auch der in § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG umschriebene Versagungsgrund verwirklicht sei.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Ein Fremder, der sich seit nunmehr viereinhalb Jahren zum Zweck des Studiums im Bundesgebiet befinde und keinen nennenswerten Studienerfolg aufzuweisen habe, stelle eine erhebliche Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Diese erweise sich jedoch nicht als besonders ausgeprägt. Angesichts des Mangels familiärer Bindungen sei das dem Beschwerdeführer zuzuschreibende Interesse am Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerwiegend. Dem stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Mangels besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände bestehe keine Veranlassung, von der Ausweisung im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Dabei sei auch zu bedenken, dass der Beschwerdeführer keine seiner Einflusssphäre entzogenen oder unabwendbaren oder unvorhersehbaren Gründe für den geringen Studienerfolg vorgebracht habe. Das Vorbringen, er wäre der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig, gehe ins Leere, weil der Beschwerdeführer den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache bereits im Juni 2002 erbracht habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer verfügte unstrittig bisher seit März 2001 über Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck des Studiums, wobei die letzte Aufenthaltserlaubnis laut Akteninhalt bis 31. Oktober 2004 gültig war. Am 4. Oktober 2004 hat der Beschwerdeführer die Erteilung eines weiteren derartigen Aufenthaltstitels beantragt.

Da sich der Beschwerdeführer somit während des Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann er gemäß § 34 Abs. 1 FrG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn (Z. 2) der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 12 Abs. 2b FrG kann die Erteilung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis für einen ausschließlich dem Zweck eines Studiums dienenden Aufenthalt versagt werden, wenn der Betroffene über keinen Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG 2002, BGBl. I Nr. 120, verfügt. Die Behörde hat dabei jedenfalls auf Gründe, die der Einflusssphäre des Betroffenen entzogen oder unabwendbar oder unvorhersehbar sind, Bedacht zu nehmen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des UG haben folgenden Wortlaut:

"§ 51. ...

(2) Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes gelten folgende

Begriffsbestimmungen:

...

26. Der Umfang der Studien ist im Sinne des Europäischen Systems zur Anrechnung von Studienleistungen (European Credit Transfer System - ECTS, 253/2000/EG, Amtsblatt Nr. L28 vom 3. Februar 2000) in ECTS-Anrechnungspunkten anzugeben. Mit diesen Anrechnungspunkten ist der relative Anteil des mit den einzelnen Studienleistungen verbundenen Arbeitspensums zu bestimmen, wobei das Arbeitspensum eines Jahres 1.500 Echtstunden zu betragen hat und diesem Arbeitspensum 60 Anrechnungspunkte zugeteilt werden.

...

§ 52. Das Studienjahr besteht aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Der Senat hat nähere Bestimmungen über Beginn und Ende der Semester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit zu erlassen.

...

§ 75. (1) Die Beurteilung der Prüfungen, wissenschaftlichen Arbeiten und künstlerischen Magister- oder Diplomarbeiten ist jeweils durch ein Zeugnis zu beurkunden. Sammelzeugnisse sind zulässig.

(2) Die Zeugnisse sind vom Senat festzulegen und haben jedenfalls folgende Angaben zu enthalten:

...

6. Die Bezeichnung der Prüfung oder das Fach und die erfolgte Beurteilung sowie die ECTS-Anrechnungspunkte.

...

(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat."

2. Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit dem laut Akt am 15. Februar 2005 zur Post gegebenen (offensichtlich irrtümlich mit 15. Jänner 2005 datierten) Schreiben aufgefordert, einen Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 UG binnen zwei Wochen vorzulegen. Diesem Auftrag ist der Beschwerdeführer unstrittig nicht nachgekommen.

Schon deshalb ist - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - der Tatbestand des § 12 Abs. 2b FrG erfüllt.

3.1. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2b FrG ("... kann versagt werden ...") ist der Behörde bei der Beurteilung, ob auf Grund des Fehlens des geforderten Studienerfolgsnachweises der Versagungsgrund erfüllt ist, Ermessen eingeräumt. Im Rahmen dieses Ermessens hat die Behörde insbesondere auf Gründe, die der Einflusssphäre des Fremden entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, Bedacht zu nehmen.

3.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass dieses Ermessen zu seinen Gunsten hätte geübt werden müssen, weil die von ihm im Verfahren vorgelegte Bestätigung nach dem Familienlastenausgleichsgesetz an zumindest gleichwertige Anforderungen geknüpft sei. Bei der Ermessensentscheidung sei maßgeblich, dass er mit dieser Bestätigung den positiven Abschluss von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen habe.

3.2.2. Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Erbringung von Leistungen, die dem im § 75 Abs. 6 UG geforderten Ausmaß entsprechen, ohne Vorlage einer Bestätigung nach dieser Bestimmung, einen Grund für die Ermessensübung zu Gunsten des Fremden darstellen kann.

Der Beschwerdeführer hat nach dem Akteninhalt am 25. Juni 2002 die Ergänzungsprüfung aus Deutsch erfolgreich abgelegt.

Seither hat er Bestätigungen über den erfolgreichen Abschluss von folgenden Prüfungen über Lehrveranstaltungen im nachfolgend genannten Umfang vorgelegt:

zwei Semesterwochenstunden am 31. Jänner 2003

zwei Semesterwochenstunden am 30. Juni 2003

insgesamt vier Semesterwochenstunden am 30. Jänner 2004

zwei Semesterwochenstunden am 15. März 2004

insgesamt vier Semesterwochenstunden am 27. Jänner 2005.

Er hat im Verwaltungsverfahren (und auch in der Beschwerde) nicht vorgebracht, weitere Prüfungen erfolgreich abgelegt zu haben. Insgesamt hat er somit im Wintersemester 2002/2003 zwei

Semesterwochenstunden, im Sommersemester 2003 zwei

Semesterwochenstunden, im Wintersemester 2003/2004 vier

Semesterwochenstunden, im Sommersemester 2004 zwei Semesterwochenstunden und im Wintersemester 2004/2005 vier Semesterwochenstunden positiv absolviert. Er hat somit bisher in keinem - jeweils ein Wintersemester und das darauffolgende Sommersemester umfassenden - Studienjahr positive Prüfungen über acht Semesterwochenstunden abgelegt. Im Hinblick darauf kann dahinstehen, ob der positive Abschluss von Lehrveranstaltungen über acht Semesterwochenstunden im Studienjahr in jedem Fall für die Erreichung des Studienerfolgs gemäß § 75 UG ausreicht, oder ob jedenfalls auch 16 ECTS-Punkte erreicht werden müssen. (In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass für die vom Beschwerdeführer am 15. März 2004 abgelegte Prüfung über zwei Semesterwochenstunden nach der vorgelegten Bestätigung der Technischen Universität Wien nur drei ECTS-Anrechnungspunkte vergeben wurden.) Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht konkret, auf Grund welcher Leistungen er die Voraussetzungen gemäß § 75 Abs. 6 UG erfülle.

Die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangte Behörde, dass die im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Sprachschwierigkeiten keinen Grund für eine positive Ermessensübung darstellen, begegnet keinen Bedenken, zumal der Beschwerdeführer die Ergänzungsprüfung aus Deutsch bereits vor mehr als zwei Jahren und neun Monaten abgelegt hat. Da der Beschwerdeführer auch sonst keine seiner Einflusssphäre entzogenen oder unabwendbaren oder unvorhersehbaren Gründe für den mangelnden Studienerfolg vorgebracht hat und solche Gründe auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich sind, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 12 Abs. 2b FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte Gebrauch machen müssen.

Da die Ansicht der belangten Behörde, der Versagungsgrund gemäß § 12 Abs. 2b FrG sei verwirklicht, somit unbedenklich ist, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob auch der Versagungsgrund gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG vorliegt.

4. Im Hinblick darauf, dass sich der Beschwerdeführer seit März 2001 ausschließlich zum Zweck des Studiums in Österreich aufhält, ohne einen ausreichenden Studienerfolg aufzuweisen, und er unstrittig über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet verfügt, kann die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

5. Die sich nach dem Gesagten als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 8. September 2005

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