VwGH 2005/14/0026

VwGH2005/14/002622.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der W-Ges.m.b.H. in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 8/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 26. Jänner 2005, Zl RV/0206-K/02, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatz- und Körperschaftsteuer 1994 bis 1998) sowie Umsatz- und Körperschaftsteuer 1994 bis 1998 und Kapitalertragsteuer 1994 bis 1998, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich Wiederaufnahme betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für das Jahr 1998 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH betreibt einen Gastronomiebetrieb in Klagenfurt.

Im Zuge einer den Zeitraum 1994 bis 1998 umfassenden Buch- und Betriebsprüfung traf der Prüfer u.a. folgende Feststellung: Am 15. September 1998 habe in sämtlichen Betriebsstätten der Brauerei B-AG eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Die im Zuge dieser Hausdurchsuchung kopierten Daten der Kunden seien von der Prüfungsabteilung für Strafsachen und Systemprüfung der Großbetriebsprüfung am Finanzamt Linz (PAST) in Form von Kontrollmitteilungen an die zuständigen Finanzämter versendet worden. Ziel der Hausdurchsuchung sei die Erfassung der sogenannten "Letztverbraucherlieferungen" (welche aber in Wahrheit an Gastronomiebetriebe gegangen seien) gewesen. Mit Hilfe der beschlagnahmten EDV-Daten habe eine erste Auswertung getroffen werden können. Erfasst seien jene Getränkelieferungen, die mittels Lieferscheinen erfolgt und somit dem jeweiligen Gastwirt zuordenbar seien. Einkäufe über die "Rampe" hätten hingegen nicht nachvollzogen werden können. Üblicherweise werde der Kunde vom Telefonverkauf der B-AG angerufen, um seine Bestellwünsche abzugeben. Diese würden mittels Auftragsschein erfasst oder sofort in die EDV eingegeben. Die Bestellungen würden in der Weise gesplittet, dass ein vom Kunden angegebener Teil auf seine offizielle Kundennummer eingegeben werde und die "Schwarzlieferungen" auf ein Letztverbrauchersammelkonto gebucht würden. Die Konten, auf denen solche inoffiziellen Lieferungen gebucht würden, seien zumeist wie folgt bezeichnet: "diverse Letztverbraucher; Ortsname", "LV, Ortsname", "Gemeinde, Ortsname". Ein Konnex zwischen den offiziellen und den inoffiziellen Lieferungen lasse sich anhand der Lieferschein- und Auftragsnummern sowie EDV-interner Nummern herstellen.

Durch die Betriebsprüfung sei das vom Finanzamt Linz übermittelte Kontrollmaterial einer Plausibilitätsprüfung unterzogen worden. Bei dieser Prüfung habe sich herausgestellt, dass die als Letztverbraucherlieferungen bezogenen Waren sowohl in der Artikelauswahl als auch in der Gebindegröße mit den offiziellen Lieferungen übereinstimmten. Das heiße, es seien keine nicht auf offiziell bezogenen Warengruppen oder Gebindegrößen bei den zugeordneten Letztverbraucherlieferungen vorgefunden worden. Auch der Wechsel der Gebindegrößen habe sich bei den Letztverbraucherlieferungen zeitgleich ergeben wie bei den offiziellen Lieferungen (z.B. Pago Marille - Wechsel von 0,2 l Flaschen auf 0,75 l Flaschen). Auch beim Aussetzen des Bezuges von Fassbier (im Juni 1996 bei 25 l Fässern bzw. im September 1996 bei 50 l Fässern) stünden die offiziellen und inoffiziellen Lieferungen im Einklang. Damit gingen die im Zuge der Schlussbesprechung von der Geschäftsführung der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente, dass es sich bei dem vorliegenden Kontrollmaterial auch um andere Abnehmer handeln könne, ins Leere. Dies deshalb, weil derartige Zufälle (gleiche Warengruppen, gleiche Gebindengrößen, gleicher Zeitraum beim Wechsel des Produktes und der Gebindegröße) in dieser Fülle niemals auf zwei Betriebe gleichzeitig zutreffen könnten. Weiters sei von der Betriebsprüfung eine Gebindeverrechnung bei Fass- und Kistenbier, beginnend mit der Betriebseröffnung im April 1994 und endend im Juni 1996 durchgeführt worden. Diese Gebindeverrechnungen (nur offizielle Lieferungen und Retourlieferungen) habe ergeben, dass bei den 25 l Fässern im Juni 1996 beim Aussetzen des Fassbezuges mehr Fässer leer zurückgegeben worden seien, als offiziell eingekauft worden seien. Auch hier sei der Schluss zulässig, dass dieser Überhang an Fassretourlieferungen nur aus den inoffiziellen Lieferungen herrühren könne.

Für das Jahr 1994 sei in den Datenbeständen der B-AG nur für die Monate Mai und Dezember eine lückenlose Zuordnung sogenannter Letztverbraucherlieferungen vorgefunden worden. Es entspreche aber den Denkgesetzen, dass auch für die Monate Juni bis November 1994 derartige Lieferungen stattgefunden hätten. Diese würden nun anhand der Verkürzungsfaktoren im Schätzungswege ermittelt. Für die Jahre 1995 bis 1998 sei die Zuordnung durch die B-AG lückenlos erfolgt. Da die Unsicherheiten in der Vollständigkeit der Erlöserfassung mit der Hinzurechnung der nachgewiesenen Umsatzverkürzungen anhand der Datensätze der B-AG nicht nur Gänze beseitigt seien, seien auch bei den übrigen (nicht von der B-AG bezogenen) Warengruppen (Wein, Spirituosen, Kaffee) gemäß § 184 BAO Sicherheitszuschläge in Höhe von ca. 10 % der Umsätze aus diesen übrigen Waren festzusetzen. Insgesamt seien daher Umsatzerhöhungen in folgender Höhe vorzunehmen: 1994: S 305.000,-- , 1995: S 583.000,--, 1996: S 851.000,--, 1997: S 511.000,--, 1998: S 472.000,--. Dies führe - unter Berücksichtigung des Wareneinsatzes - auch zu einer entsprechenden Erhöhung des jeweiligen Einkommens der Beschwerdeführerin und zu verdeckten Gewinnausschüttungen.

Den Prüfungsfeststellungen folgend nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 1994 bis 1997 wieder auf und erließ Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1998. Weiters erließ es für den Zeitraum 1994 bis 1998 Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer.

In der Berufung vom 22. Februar 2000 brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe die Vorlage verschiedener Beweisstücke, auf welche die Behörde ihre Annahme stütze, gefordert. Sowohl eine Zurverfügungstellung als auch eine Einsichtnahme in diese Unterlagen sei aber verweigert worden. Das Finanzamt habe angebliche Letztverbraucherlieferungen festgestellt und der Beschwerdeführerin zugerechnet; diese habe eine solche Unterstellung stets strikt und dezidiert von sich gewiesen und Beweise gefordert, insbesondere die von der Behörde herangezogenen Lieferscheine. Weder Lieferscheine noch Sonstiges sei von der Behörde vorgelegt worden. Dass Letztverbraucherlieferungen an sonstige Abnehmer der Fa. P (ein Unternehmen im Konzern der B-AG) mit Warengruppen der Beschwerdeführerin übereinstimmen könnten, ergebe sich schon daraus, dass sie vom gleichen Erzeuger stammten. Das treffe ebenfalls auf die Gebinde zu, weil die B-AG keine eigenen Gebinde für die Beschwerdeführerin anfertige. Auch wenn die B-AG neue Produkte erzeuge, sei ein Bezug durch die Beschwerdeführerin nicht verwunderlich. Bei hunderten Kunden der Fa. P bzw. B-AG wäre es wider jede Logik, würden nicht gleiche Warengruppen und Gebindegrößen auf verschiedene Betriebe zutreffen.

Das Finanzamt führe aus, dass eine Gebindeverrechnung bei Fass- und Kistenbier durchgeführt worden sei, wobei sich ergeben habe, dass mehr Fässer leer zurückgegeben worden seien, als zunächst offiziell eingekauft worden seien. Die Beschwerdeführerin habe sich der Mühe unterzogen, die vom Betriebsprüfer angestellte Berechnung nachzuvollziehen, und habe festgestellt, dass dem Prüfer - im einzelnen dargestellte - Fehler unterlaufen seien. Solcherart sei die Gebindeverrechnung in keiner Weise geeignet, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Rechnungswesens der Beschwerdeführerin in Zweifel zu ziehen.

In einer Stellungnahme zur Berufung vom 19. Dezember 2000 räumt der Prüfer ein, dass bei der Gebindeverrechnung ein Fehler unterlaufen sei. Dieser Umstand habe aber auf die vorgenommene Schätzung keinen Einfluss, da die Umsatz- und Erlöserhöhung auf den Feststellungen und Auswertungen der durch das Finanzamt Linz (PAST) beschlagnahmten EDV-Unterlagen der B-AG beruhe.

In einer Stellungnahme des Finanzamtes Linz (PAST) vom 7. Dezember 2000 wird ausgeführt, Grundlage für die Zuordnung der Letztverbraucherlieferungen zu den Gastwirten bildeten die bei der B-AG beschlagnahmten EDV-Daten. Auf Grund dieser Originaldaten sei vom Systemprüfer der Großbetriebsprüfung Linz eine Zuordnung insoweit vorgenommen worden, als folgende Datensätze der Gastwirte- und Letztverbraucherlieferungen berücksichtigt worden seien: auf- bzw. absteigende Lieferscheinnummer, gleiche Fuhrscheinnummer, gleiches Datum sowie eine interne laufende Nummer. Diese Zuordnungskriterien seien mit Hilfe von Unterlagen, die bei einigen Auslieferungslagern im Zuge der Durchsuchung beschlagnahmt worden seien, auf ihre Richtigkeit überprüft worden. Bei diesen Unterlagen handle es sich überwiegend um sogenannte Ladevorschlagslisten, auf denen eine Zuordnung anhand einer Kennzahl (Lieferkennzahl bzw. Adressenkennzeichen) ersichtlich sei. Die Zuordnungsmöglichkeit auf Grund dieser Kennzahl sei von Angestellten der B-AG im Zuge von Einvernahmen bestätigt worden.

Mit Eingabe vom 16. Februar 2001 beantragte die Beschwerdeführerin, die vom Finanzamt Linz (PAST) angeführten Beweismittel konkret für den ihr zur Last gelegten Letztverbraucherbezug vorzulegen. Das Finanzamt Linz (PAST) behaupte ein konsequentes System, das sich entweder aus auf- oder absteigenden Lieferscheinnummern ergebe. Dazu werde festgestellt, dass ein Letztverbraucherlieferschein jeweils zwei Abnehmern zugeordnet werden könne, nämlich jenem mit der vorangehenden und jenem mit der nachfolgenden Lieferscheinnummer. Die Beschwerdeführerin beantrage die Vorlage sämtlicher Lieferscheine, welche sie betreffen könnten, sowie die Übersendung eines während der Betriebsprüfung vom Betriebsprüfer erwähnten Sachverständigengutachtens.

In einer Stellungnahme des Finanzamtes Linz (PAST) vom 28. Jänner 2004 wird die allgemeine Praxis beschrieben, wonach für den Bierführer der Letztverbraucherlieferschein an den offiziellen Lieferschein geheftet worden sei, damit er erkennen könne, welche Letztverbraucherlieferung zu welchem Kunden gehöre. Diese "Barverkaufs- bzw. Fahrverkaufsrechnungen" würden vom Kunden weder unterschrieben noch werde die Erhalt der Ware auf diesem Schein bestätigt. Die Abrechnung erfolge gegen Barzahlung des Lieferscheins. Die Vorgangsweise sei im Zuge der Vernehmung von Mitarbeitern der B-AG, insbesondere von Telefonverkaufsdamen und Lkw-Fahrern, niederschriftlich bestätigt worden. Da die inoffiziellen Lieferungen auf ein Sammelkonto der jeweiligen Gemeinde gebucht worden seien, könne sich aus der Herausgabe dieses Sammelkontos für eine zweifelsfreie Zuordnung an den Kunden nichts ergeben. Durch Auswertung der EDV-Daten der B-AG habe eine Verknüpfung zwischen den offiziellen und inoffiziellen Lieferungen an die Kunden hergestellt werden können. Grundlage für die Auswertung seien folgende Datensätze gewesen: auf- bzw. absteigende Lieferscheinnummer, gleiche Fuhrscheinnummer, gleiches Datum sowie eine interne laufende Nummer. Diese Zuordnungskriterien seien mit Hilfe von Unterlagen, die im Zuge der Hausdurchsuchung bei einigen Auslieferungslagern beschlagnahmt worden seien, auf ihre Richtigkeit überprüft worden. Bei den Unterlagen handle es sich überwiegend um sogenannte Ladevorschlagslisten, die eine Zuordnung anhand einer Kennzahl (Lieferkennzahl bzw. Adresskennzeichen) ermöglichten. Die Zuordnungsmöglichkeit auf Grund dieser Kennzahl sei von Angestellten der B-AG im Zuge von Einvernahmen bestätigt worden. Bei dem Auslieferungslager für die Beschwerdeführerin handle es sich bis einschließlich 1997 um die Fa. P in Klagenfurt. Seit 1998 sei die K-GmbH in Klagenfurt für die Belieferung zuständig gewesen. Zeugeneinvernahmen seien österreichweit am Tage der Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Die allgemeine Vorgangsweise sei durch eine Menge von Niederschriften belegt worden. Die durchgeführten Zeugeneinvernahmen seien logischerweise allgemein gehalten, das heiße, die darin enthaltenen Aussagen richteten sich nicht auf einen bestimmten Kunden. Durch die Befragung sollte eruiert werden, ob Schwarzlieferungen durch ein bestimmtes System ermöglicht worden seien. Es sei festgestellt worden, dass sämtliche EDV-Daten der Auslieferungslager bzw. Firmen der B-AG durch eine Direktstandleitung an die Zentrale in L übermittelt und dort verarbeitet worden seien. Diese Vorgangsweise sei auch von Angestellten der K-GmbH im Zuge von Zeugeneinvernahmen am 15. September 1998 bestätigt worden. Allein aus der zentralen Verwaltung der Daten ergebe sich zwingend, dass ein "Zuordnungs- bzw. Splittingsystem", das in mehreren Verkaufslagern nachgewiesen worden sei, auch für die anderen Verkaufslager gelten müsse. Es sei bereits erwähnt worden, dass dieses System mehrfach überprüft worden sei, indem Belege, die in einigen Verkaufslagern noch vorhanden gewesen seien und auf denen die Zuordnung mittels einer Kennzahl eindeutig erkennbar gewesen sei (beispielsweise Ladevorschlagslisten, Kundenkarteikarten) mit den EDV-Daten abgeglichen worden seien. Zeugenaussagen gebe es nicht vom Auslieferungslager der Fa. P, sondern von anderen Auslieferungslagern. Dies deshalb, da ab Jänner 1998 Kunden nicht mehr vom Auslieferungslager der Fa. P beliefert worden seien. Bisher seien keine Lieferscheinkopien vorgelegt worden, da sich auf diesen kein Vermerk finde, der auf eine Zuordnung zum jeweiligen Gastwirt schließen lasse. Die Bierführer hätten auch bestätigt, dass diese Fahrverkaufs-Lieferscheine nicht unterfertigt worden seien. Im gegenständlichen Fall seien jedoch sämtliche Lieferscheine vom 5. Mai 1994 bis zum 26. Juni 1998, die im Kontrollmaterial enthalten seien, aus den beschlagnahmten Mikrofilmen ausgedruckt worden. Es werde angemerkt, dass lediglich Lieferungen, die im Zeitraum vom 6. Juli 1998 bis zum 25. August 1998 stattgefunden und im Kontrollmaterial Eingang gefunden hätten, nicht ausgedruckt worden seien, da dieser Mikrofilm nicht unter den beschlagnahmten Unterlagen sei. Sämtliche ausgedruckten Lieferscheine lägen dem gegenständlichen Schreiben bei. Aus diesen Kopien sei ersichtlich, dass die Letztverbraucherlieferscheine nicht unterfertigt worden seien. Weiters sei von Seiten der B-AG Wert darauf gelegt worden, dass der Empfänger nicht auf dem Lieferschein ausgewiesen werde. Auf den Lieferscheinen sei auch die Ladezeit ersichtlich. Bei sämtlichen offiziellen Lieferungen sowie den der Beschwerdeführerin zugeordneten Selbstverbraucherlieferungen sei 9.00 Uhr bis 9.30 Uhr als Ladezeit ausgewiesen. Daraus sei ersichtlich, dass die zugeordneten Letztverbraucherlieferungen zum selben Zeitpunkt und somit an die selbe Adresse wie die offizielle Lieferung entladen worden seien. Bei Durchsicht des Mikrofilmbandes sei festgestellt worden, dass auf keinem Lieferschein, der auf Namen anderer Kunden laute bzw. nicht der Beschwerdeführerin zugeordnet worden sei, eine Ladezeit von 9.00 Uhr bis 9.30 Uhr aufscheine. Darin bestehe ein weiteres Indiz dafür, dass die Lieferungen eindeutig der Beschwerdeführerin zuzuordnen seien. Dem Begehren betreffend das Sachverständigengutachten könne nicht entsprochen werden, da zwei Sachverständigengutachten erstellt worden seien. Es wäre unerlässlich zu erfahren, welches Sachverständigengutachten gemeint sei.

Im Zuge des Erörterungstermins (§ 279 Abs. 3 BAO) wurde der Beschwerdeführerin das letztgenannte Schreiben des Finanzamtes Linz samt den Lieferscheinkopien "zur Verfügung bzw. Einsichtnahme übermittelt".

In der Eingabe vom 14. Mai 2004 brachte die Beschwerdeführerin vor, aus den Ladezeiten könne nicht auf den Lieferort geschlossen werden. Die Zeiten seien nur Richtlinien und so breit gefasst, dass sie potenziell über 50 andere Lokale in der Stadt (Klagenfurt) betreffen könnten. Laut Auskunft der Fa. P könne aus den Ladezeiten nicht rekonstruiert werden, an wen die Lieferung erfolgt sei. Des Weiteren könne das Finanzamt, selbst wenn man den Fehlschluss von der Wagenlieferzeit auf einen konkreten Lieferort unterstelle, nicht erklären, warum es in zahlreichen Fällen zu ganz anderen Lieferzeiten gekommen sei (Lieferscheine vom 8. März 1996, vom 15. April 1996, vom 22. April 1996, etc.). Auf den Letztverbraucherlieferschein vom 12. Februar 1996 und vom 3. Juni 1996 stehe überhaupt "VK Maria Saal", auf dem Letztverbraucherlieferschein vom 31. Juli 1995 "Fahrverkauf Gemeindeamt Bad Kleinkirchheim" und den Letztverbraucherlieferscheinen vom 19. Jänner 1996 "Fahrverkauf Mag. Stadt Klagenfurt Abt. 5". Ebenso problematisch verhalte es sich mit der Zuordnung anhand von absteigenden Letztverbraucherlieferscheinnummern. Aus dem Umstand, dass es in absteigender Reihenfolge Letztverbraucherlieferscheine gebe, folge nicht, dass diese der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien. Die Zuordnung werde vom Finanzamt in keiner Weise konkretisiert. Zwei Letztverbraucherlieferscheine seien von der Beschwerdeführerin unterfertigt, daraus lasse sich aber für das Finanzamt nichts gewinnen; vom Finanzamt Linz (PAST) sei mehrmals und konkret behauptet worden, dass als Letztverbraucherlieferungen getarnte Schwarzlieferungen niemals unterfertigt würden. Die Beschwerdeführerin habe festgehalten, dass sie dann, wenn sie Letztverbraucherlieferungen (z.B. für private Feste) bezogen habe, diese stets unterschrieben habe. Alle nichtunterfertigten Letztverbraucherlieferungen seien nicht von der Beschwerdeführerin bezogen worden. Zum Beweis der Richtigkeit der Ausführungen werde die Einvernahme von Mag. W S, Geschäftsführer der K-GmbH, beantragt.

Zum Erörterungstermin vom 7. Juli 2004 wurde Amtsdirektor G W, Systemprüfer am Finanzamt Linz, beigezogen. Dabei wurde Einvernehmen darüber erzielt, dass der Systemprüfer eine Darstellung der Datenaufbereitung und Auswertung in schriftlicher Form beibringen werde.

In der schriftlichen Darstellung des Systemprüfers, Amtsdirektor G W, vom 9. Juli 2004 wird ausgeführt:

"Betreff: Erläuterung der Aufbereitung der im Zuge der Hausdurchsuchung v. September 1998 bei der Fa. B-AG beschlagnahmten EDV-Daten hinsichtlich der Zuordnung von offiziellen und inoffiziellen Lieferungen

Nachfolgend soll erläutert werden wie die Zuordnung der offiziellen zu den inoffiziellen Lieferungen (=Lieferungen welche auf Gemeindekundenkonten der B-AG gebucht wurden, diese Gemeindekundenkonten sind bei der B-AG als Letztverbraucherkonten geführt) des EDV Datenbestandes der B-AG von der Finanzverwaltung vorgenommen wurde:

Wiederverkäuferlieferungen mit den Lieferscheinnnummern 98 und 100

zugeordnet.

Diese Doppelzuordnungen wurden mithilfe von im Datenbestand

enthaltenen Kennungen großteils aufgelöst.

Jene Doppelzuordnungen, welche nicht mithilfe dieser Kennungen aufgelöst werden konnten, wurden aus dem Datenbestand der zuzuordnenden Daten ausgeschieden und somit nicht ausgewertet.

Ebenso wurden Lieferzuordnungen, bei denen das Letztverbraucherkonto nicht auf einen Gemeindenamen lautete, aus dem Datenbestand ausgeschieden.

Das passierte aufgrund von Zeichenfolgen, wodurch nicht alle diese Lieferzuordnungen ausgeschieden werden konnten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, dass über die Berufung nicht der gesamte Berufungssenat, sondern der Referent abgesprochen habe.

Hiezu ist auf die Bestimmung des § 323 Abs 12 BAO idF BGBl. I 97/2002 zu verweisen, wonach bei am 1. Jänner 2003 anhängigen Berufungen (nur) bis zum 31. Jänner 2003 der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat des unabhängigen Finanzsenates gestellt werden konnte. Die Beschwerdeführerin hat einen entsprechenden Antrag aber erst mit Schriftsatz vom 7. März 2003 und somit nach Ablauf der genannten Frist gestellt.

Das Schwergewicht des Beschwerdevorbringens liegt in jener Verfahrensrüge, mit welcher die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, ihre Sachverhaltsfeststellungen nicht hinreichend begründet zu haben. Es fehle eine hinreichende argumentative Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen und eine nachvollziehbar Darstellung, weshalb den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumenten nicht zu folgen und anzunehmen sei, dass sie Getränke, die in so genannten Letztverbraucherlieferscheinen ausgewiesen seien, bezogen habe. Die belangte Behörde stütze sich ausschließlich auf Letztverbraucherlieferscheine, welche den eindeutig der Beschwerdeführerin zuzuordnenden Wiederverkaufslieferscheinen der Nummer nach unmittelbar vorangingen. Die Lieferscheinnummern reichten für sich aber in keiner Weise aus, um eine Zuordnung der Lieferungen an die Beschwerdeführerin vorzunehmen. Trotz der Einwendungen der Beschwerdeführerin habe die belangte Behörde weitere Daten (etwa Lieferkennzahlen, Adresskennzeichen, "Kennungen", interne laufende EDV-Nummern, "Symbolvermerke", etc) für die - von der Beschwerdeführerin bestrittene - Zuordnung der Letztverbraucherlieferscheine nicht ermittelt und im angefochtenen Bescheid nicht dargestellt.

Diese Rüge ist im Ergebnis berechtigt.

Für die nach § 93 Abs 3 lit. a und § 288 Abs 1 lit d BAO gebotene Begründung eines Abgabenbescheides hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen die Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Begründung erkennen lassen muss, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Abgabenbescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl das hg Erkenntnis vom 28. Mai 1997, 94/13/0200).

Das der Darstellung des von der Behörde für erwiesen angenommenen Sachverhalts methodisch folgende Begründungselement eines Bescheides hat in der Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung zu bestehen. In den zu diesem Punkt der Bescheidbegründung zu treffenden Ausführungen sind, auf das Vorbringen eines Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im einzelnen eingehend, jene Erwägungen der Behörde darzustellen, welche sie bewogen, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, und aus welchen Gründen sich die Behörde im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung dazu veranlasst sah, im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse gerade den von ihr angenommenen und nicht einen durch Beweisergebnisse auch als denkmöglich erscheinenden Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl nochmals das zitierte hg Erkenntnis 94/13/0200).

Im gegenständlichen Fall ist von entscheidender Bedeutung, dass im Schreiben des Systemprüfers Amtsdirektor G W ausgeführt wird, die Zuordnung von Letztverbraucherlieferscheinen an einen bestimmten Gastwirt nach den Lieferscheinnummern stelle nur einen ersten Schritt dar und führe noch nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. In einem zweiten Schritt müsse daher "mithilfe von im Datenbestand enthaltenen Kennungen" gearbeitet werden. In diesem Schreiben ist etwa auch von einer internen laufenden Nummer (im EDV-System der B-AG), von einem Lieferkennzeichen und einer Kundennummer die Rede. Trotz der entsprechenden Einwendungen der Beschwerdeführerin begründet die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in keiner Weise, dass im Beschwerdefall die im Schreiben des Amtsdirektors G W abstrakt angesprochenen "im Datenbestand enthaltenen Kennungen" oder sonstige, über die laufende Lieferscheinnummer hinausgehende Informationen für die Zuordnung von Letztverbraucherlieferscheinen an die Beschwerdeführerin sprechen. Die belangte Behörde lässt sogar offen, ob jeweils der dem offiziellen Lieferschein der Nummer nach vorgehende Letztverbraucherlieferschein der Beschwerdeführerin zugeordnet worden ist, oder ob es sich jeweils um den Letztverbraucherlieferschein mit der nachfolgenden Nummer gehandelt hat (Seite 28 des angefochtenen Bescheides). Dieser Begründungsmangel hat zur Folge, dass es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, die Zuordnung von Letztverbraucherlieferscheinen an die Beschwerdeführerin auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen.

Dieser Begründungsmangel wird im gegenständlichen Fall auch nicht durch die bereits vom Betriebsprüfer angestellten und von der belangten Behörde - mit Ausnahme der bereits vom Betriebsprüfer in seiner Stellungnahme zur Berufung als unrichtig eingestandenen Überlegungen zu einem Überhang an zurückgestellten Leergebinden - übernommenen Plausibilitätsüberlegungen aufgewogen. Diese Plausibilitätsüberlegungen stützen sich im Wesentlichen auf den Umstand, dass hinsichtlich Artikelauswahl und Gebindegrößen eine ausnahmslose Übereinstimmung zwischen den offiziellen Lieferungen an die Beschwerdeführerin und den ihr zugeordneten Letztverbraucherlieferungen bestanden habe. Der Beschwerdeführerin ist es im Berufungsverfahren allerdings gelungen, die Behauptung mit einzelnen Beispielen in Frage zu stellen. Die belangte Behörde unterlässt es, im angefochtenen Bescheid schlüssig zu begründen, warum trotz der aufgezeigten Fälle mangelnder Übereinstimmung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Zuordnung der Letztverbraucherlieferungen (einschließlich jener über Artikel und Gebindegrößen, die in den offiziellen Lieferungen nicht aufscheinen) an die Beschwerdeführerin spricht. Soweit sich die belangte Behörde darauf stützt, dass der Wechsel von Gebindegrößen bei den offiziellen Lieferungen einerseits und den Letztverbraucherlieferungen anderseits zum selben Zeitpunkt erfolgt ist, unterlässt sie ebenfalls eine Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, dass ein solcher Wechsel jeweils auf Marketingmaßnahmen der B-AG zurückgegangen sei und daher eine große Anzahl von Kunden betroffen habe. Abgesehen davon führt die belangte Behörde nicht an, wie häufig ein solcher Wechsel im betroffenen Zeitraum von fünf Jahren erfolgt ist.

In Bezug auf die von Vertretern der Beschwerdeführerin unterfertigten drei Letztverbraucherlieferscheine hat die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren vorgebracht, dass es sich dabei um Lieferungen gehandelt habe, die sie nicht für ihren unternehmerischen Bereich bezogen habe ("private Feste"). Eine konkrete Auseinandersetzung mit diesem Einwand hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebenfalls unterlassen.

Die belangte Behörde stützt sich schließlich auf idente Ladezeiten hinsichtlich der offiziellen Lieferungen einerseits und der Letztverbraucherlieferungen anderseits. Abgesehen davon, dass es nicht von vornherein einsichtig ist, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin während mehrerer Jahre stets zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr beliefert worden ist, ist auch in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass sich die belangte Behörde nicht mit dem Berufungsargument auseinander setzt, dass im städtischen Raum innerhalb des genannten Zeitraumes auch eine Reihe anderer Gastronomiebetriebe hätten beliefert werden können.

Der Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides betrifft die Zuordnung von Letztverbraucherlieferungen und damit die daraus abgeleitete Schätzung der Umsätze und Betriebseinnahmen, bezieht sich also auf die Sachbescheide. Der Begründungsmangel schlägt aber auch auf jenen Teil des angefochtenen Bescheides durch, der die Wiederaufnahme der Verfahren betrifft, weil er einem abschließenden Urteil darüber entgegen steht, ob iSd § 303 Abs 4 BAO Tatsachen neu hervorgekommen sind, die im Spruch anders lautende Sachbescheide herbeigeführt hätten.

Dass die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 24. Februar 2000 aufgrund ihres Inhaltes - aber entgegen der Ausführungen im Rubrum - dahingehend interpretiert hat, dass sie sich auch gegen die tatsächlich ergangenen Wiederaufnahmebescheide (Umsatz- und Körperschaftsteuer 1994 bis 1997, siehe Seite 2 der Berufung) richtet, ist nicht zu beanstanden. Für das Jahr 1998 sind allerdings Wiederaufnahmebescheide nicht ergangen und von der Beschwerdeführerin damit auch nicht bekämpft worden. Indem die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid dennoch und damit ohne eine vorangehende Entscheidung des Finanzamtes über Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 1998 abgesprochen hat, hat sie eine Entscheidung getroffen, die nicht in ihre Zuständigkeit fällt.

Der angefochtene Bescheid ist somit, soweit er die Wiederaufnahme der Verfahren für das Jahr 1998 betrifft, gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 2 und 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 333/2003.

Zur Nachricht: Damit erübrigt sich die Entscheidung des Berichters über den (neuerlichen) Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 22. September 2005

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