VwGH 2005/05/0105

VwGH2005/05/010528.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der Neostadia Vermietungs- und Verwertungs GmbH in Wiener Neustadt, vertreten durch Dr. Herbert Handl, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16/2, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 3. Februar 2005, Zl. IRB/214-2001, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §20;
BauO NÖ 1996 §21;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §25 Abs1;
BauO NÖ 1996 §26;
BauO NÖ 1996 §27;
BauO NÖ 1996 §30;
BauO NÖ 1996 §32;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §34 Abs2;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §57 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §20;
BauO NÖ 1996 §21;
BauO NÖ 1996 §23;
BauO NÖ 1996 §25 Abs1;
BauO NÖ 1996 §26;
BauO NÖ 1996 §27;
BauO NÖ 1996 §30;
BauO NÖ 1996 §32;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §34 Abs2;
BauO NÖ 1996 §35;
BauO NÖ 1996 §57 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit der Beschwerde vorgelegten angefochtenen Bescheid sowie dem hg. Erkenntnis vom 9. November 2004, Zl. 2004/05/0227, ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Erteilung einer Baubewilligung für die "Neugestaltung des Vorplatzes am Domplatz" vor dem Objekt Domplatz 16, 2700 Wr. Neustadt, wurde in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG mangels Vorlage der Zustimmung des Grundeigentümers (Stadt Wiener Neustadt) zurückgewiesen; die dagegen erhobene Berufung blieb ebenso erfolglos wie die oben zitierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt trug mit Bescheid vom 9. September 2004 der Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft, nämlich der Stadt Wiener Neustadt, auf, die konsenslos vor dem Objekt Domplatz 16 errichtete Werbeanlage, die in der Pflasterung eingebauten Beleuchtungskörper samt Elektroinstallationen sowie die fest mit dem Boden verbundenen Steinpoller zu entfernen. Eine Durchschrift dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin, der Bauwerberin des eingangs genannten Baubewilligungsverfahrens, am 13. September 2004 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 30. September 2004 beantragte sie die Zustellung einer "ordnungsgemäßen Bescheidausfertigung" mit der Begründung, dass sie als Bauwerberin gemäß § 6 NÖ BauO Partei auch im baupolizeilichen Verfahren sei. Dieses Ansuchen hat der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt mit Bescheid vom 2. November 2004 mit dem Hinweis abgewiesen, dass es sich beim baupolizeilichen Verfahren um ein vom Bewilligungsverfahren völlig getrenntes Verfahren handle.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Aufgrund der konsenslosen Errichtung der Werbeanlage sei dem Eigentümer des Grundstückes die Entfernung der baulichen Anlagen gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ BauO vorgeschrieben worden. Beim Baubewilligungsverfahren und beim baupolizeilichen Verfahren handle es sich um zwei voneinander getrennte Verfahren; das Baubewilligungsverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen worden, sodass lediglich das baupolizeiliche Verfahren weitergeführt worden sei. In Ermangelung eines Bauwerbers habe nur mehr der Eigentümer Parteistellung, wie es gerade für den Fall konsensloser Bauführungen typisch sei. Aufgrund fehlender Bauwerbereigenschaft der Beschwerdeführerin sei dieser gegenüber der baupolizeiliche Auftrag vom 9. September 2004 nicht zu erlassen gewesen.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zustellung einer Bescheidausfertigung im Rahmen des baupolizeilichen Verfahrens verletzt. Im § 6 NÖ BauO sei ausdrücklich vermerkt, dass der Bauwerber im Baubewilligungsverfahren und im baupolizeilichen Verfahren nach § 35 NÖ BauO Parteistellung habe. Als Bauwerberin sei die Beschwerdeführerin am baupolizeilichen Verfahren nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich interessiert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien. Darüber, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, dass von einem Rechtsanspruch oder rechtlichen Interesse die Rede sein kann, enthält § 8 AVG keine Bestimmung. Es kann demnach die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, an Hand des AVG allein nicht gelöst werden. Die Parteistellung muss vielmehr aus den verwaltungsrechtlichen Vorschriften abgeleitet werden, auf dem Boden des materiellen Verwaltungsrechtes muss sie nach dem Gegenstand des betreffenden Verwaltungsverfahrens und dem Inhalt der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschrift beurteilt werden. Die Begriffe "Rechtsanspruch" und "rechtliches Interesse" gewinnen erst durch die jeweils zur Anwendung kommende Verwaltungsvorschrift einen konkreten Inhalt, wonach allein die Frage der Parteistellung beantwortet werden kann (ständige Rechtsprechung; s. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. April 1960, Slg. N.F. Nr. 5258/A, vom 16. Oktober 1990, Zl. 90/15/0060, und zuletzt vom 24. Mai 2005, Zl. 2005/05/0014).

Der die Parteistellung regelnde § 6 NÖ BauO 1996 (BO) lautet

auszugsweise wie folgt:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

  1. 1. der Bauwerber und/oder der Eigentümer des Bauwerks
  2. 2. der Eigentümer des Baugrundstücks
  3. 3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

    4. die Eigentümer eines ober- oder unterirdischen Bauwerks auf den Grundstücken nach Z. 2 und 3, z.B. Superädifikat, Baurechtsobjekt, Keller, Kanalstrang (Nachbarn).

    Nachbarn sind nur dann Parteien, ..."

    Das Gesetz nennt somit einerseits das Baubewilligungsverfahren und andererseits bestimmte baupolizeiliche Verfahren, nämlich jenes zur Erteilung nachträglicher Auflagen (§ 32 BO), zur Gebrechensbehebung (§ 33 Abs. 2 BO), zur Überprüfung von Feuerstätten (§ 34 Abs. 2 BO) und bezüglich Sicherungsmaßnahmen und Abbruchaufträge (§ 35 BO). In diesen Verfahren haben der Bauwerber "und/oder" der Eigentümer des Bauwerks Parteistellung; damit lässt das Gesetz die Frage offen, in welchem Verfahren nur dem Bauwerber, in welchem Verfahren nur dem Eigentümer des Bauwerkes und in welchem Verfahren beiden Personen Parteistellung zukommt.

    Das Gesetz gebraucht den Begriff des "Bauwerbers" ausschließlich im Zusammenhang mit einem Baubewilligungsverfahren; der Bauwerber wird in den §§ 20 BO (Vorprüfung), 21 BO (Bauverhandlung) und 23 BO (Baubewilligung) genannt. Auch der mit der Novelle LGBl. 8200-8 angefügte Abs. 2 des § 57 BO bezieht sich nur auf das Baubewilligungsverfahren.

    Schon für die Vorbereitungsphase (§ 25 Abs. 1 BO) und in weiterer Folge für die Ausführungsphase (§§ 26, 27 und 30 BO) verwendet die Bauordnung den Begriff des "Bauherrn", das ist nach den bei Hauer/Zaussinger, NÖ Baurecht5, 220, wiedergegebenen Erläuterungen der Inhaber einer Baubewilligung. Diesen treffen insbesondere die Pflichten zur Anzeige des Baubeginns, zur Duldung behördlicher Überprüfungen und zur Anzeige der Fertigstellung.

    Dieser Befund zeigt, dass von einem "Bauwerber" - abgesehen vom hier nicht gegenständlichen Anzeigeverfahren - nur während des Verfahrens zur Erteilung einer Baubewilligung die Rede ist. Nach Abschluss des Baubewilligungsverfahrens - sei es durch Erteilung der Baubewilligung, sei es durch Ab- oder Zurückweisung des Ansuchens - gibt es keinen Bauwerber mehr. Damit endete im vorliegenden Fall die Bauwerbereigenschaft der Beschwerdeführerin mit der rechtskräftigen Zurückweisung ihres Bauansuchens.

    Zu einem Abbruchauftrag nach § 35 Abs. 2 Z. 3 BO kommt es, wenn für das Bauwerk keine Bewilligung vorliegt und entweder das Bauwerk unzulässig oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues den jeweiligen Eigentümer dieses Bauwerks, und zwar unabhängig davon, ob er oder ein Dritter oder sein Rechtsvorgänger den bauordnungswidrigen Zustand herbeigeführt hat (siehe die Nachweise bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht6, 426). Dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin des Bauwerks oder des Grundstückes wäre, hat sie aber nicht behauptet.

    Schließlich finden sich für ein rechtliches Interesse des frustrierten Bauwerbers, dass an den Eigentümer kein Bauauftrag ergehe, im Gesetz keinerlei Hinweise. In dem von der Beschwerdeführerin zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1960, Zl. 1290/59, ging es darum, dass weder dem Pächter noch dem Erbpächter Parteistellung im baupolizeilichen Verfahren nach der Salzburger Stadtbauordnung 1958 gegen den Liegenschaftseigentümer zusteht; eine Aussage bezüglich eines Bauwerbers wird dort nicht getroffen.

    Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 28. Juni 2005

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