VwGH 2005/03/0065

VwGH2005/03/00656.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des E T in E, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 15. Jänner 2002, Zl Wa-156/01, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §68 Abs1;
AVG §69 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 27. Februar 2001 einen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses, wobei er seinen Bedarf wie folgt begründete:

"Der Antragsteller ist Jäger und übt im besonderen die Jagd auf Wildschweine regelmäßig aus, was durch Vorlage der Jagdkarte sowie eine Zahlungsbestätigung in Kopie (Beilage ./1) und ein Schreiben der MA 49-Forstamt und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien dargetan wird. Im Rahmen seiner Jagdausübung bedarf der Antragsteller einer feuerkräftigen Faustfeuerwaffe, um angeschossenes Schwarzwild, welches Leben und Gesundheit der Jagdgesellschaft gefährden könnte, zur Strecke bringen zu können."

Den Ausführungen des von der erstinstanzlichen Behörde beigezogenen "Bezirksforsttechnikers" (bei Nachsuche auf Schwarzwild sei besonders in unübersichtlichen Bereichen die Verwendung von Faustfeuerwaffen nicht unzweckmäßig, "praktisch gleich zu bewerten" sei jedoch "die Verwendung von Schrotflinten mit Breneckegeschoßen" (richtig: Brennekegeschoßen); zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer im Revier der Stadt Wien lediglich als zahlender Jagdgast auftrete und sich dabei immer in Begleitung von betriebseigenem Jagdpersonal befinde, weshalb eine allenfalls notwendige Nachsuche mit Sicherheit auch durch dieses Personal vorgenommen werde) hielt der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme entgegen, er übe die Jagd nicht nur im Jagdrevier der Stadt Wien aus, sondern befinde sich gelegentlich auch alleine auf der Jagd, weshalb der vom Bezirksforsttechniker erhobene Einwand nicht zum Tragen komme.

Mit Bescheid vom 14. Mai 2001 wies die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass "die Stellungnahme der Bezirksforstinspektion St. Pölten als schlüssig erachtet wird" und dem Beschwerdeführer auch durch seine "Eigenschaft als Jagdgast im Jagdrevier der Stadt Wien nicht der zur Erlangung eines Waffenpasses erforderliche Bedarfsnachweis gelungen" sei.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, er habe dargelegt, die Jagd nicht nur als Jagdgast der Stadt Wien im Lainzer Tiergarten, sondern auch noch in anderen Jagdrevieren auszuüben, wobei die Begleitung durch betriebseigenes Jagdpersonal nicht in jedem Fall gegeben sei. Diese Einwendungen habe die erstinstanzliche Behörde unbeachtet gelassen, weshalb der Bedarf des Antragstellers bejaht hätte werden müssen, zumal der Bezirksforsttechniker ausgeführt habe, dass vom jagdfachlichen Standpunkt gerade bei der Nachsuche auf Schwarzwild die Verwendung von Faustfeuerwaffen nicht unzweckmäßig sei und gleiches auch für die Verfolgung angeschossenen oder die Abwehr eventuell angreifenden Schwarzwildes auf kurze Distanz gelte.

Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. Juni 2001 nicht Folge. Auch wenn der Beschwerdeführer die Jagd auf Schwarzwild nicht nur im Lainzer Tiergarten (wo die Nachsuche durch angestelltes Jagdpersonal erfolge) regelmäßig ausübe, sei entsprechend der jagdfachlichen Stellungnahme der Verwendung von Faustfeuerwaffen gleichwertig die Verwendung von Schrotflinten mit Brennekegeschoßen. Eine bloße Zweckmäßigkeit von Faustfeuerwaffen stelle noch keinen bedarfsbegründenden Umstand dar.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom 20. Juli 2001 neuerlich einen Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses. Zur Bedarfsbegründung führte er aus, "dass der Antragsteller als Jäger insbesondere die Jagd auf Wildschweine regelmäßig ausübt. Im Rahmen der Jagdausübung bedarf der Antragsteller einer feuerkräftigen Kurzwaffe um einerseits angeschossenes Schwarzwild, welches Leben und Gesundheit der Jagdgesellschaft gefährden könnte, zur Strecke zu bringen und andererseits im Falle der Nachsuche, insbesondere in dichtem Unterholz, nicht der Gefährdung durch sich stellende, angreifende oder aufgescheuchte Tiere ausgesetzt zu sein".

Der im Vorverfahren vom Jagdsachverständigen vertretenen Ansicht, die Verwendung von Schrotflinten mit Brennekegeschoßen sei gleichwertig, könne sich der Beschwerdeführer nach Einholung einer Auskunft des NÖ Landesjagdverbandes aus folgenden Gründen nicht anschließen:

"Zum Ersten finden Nachsuchen auf angeschossenes Schwarzwild sehr häufig im Unterholz statt, wo die Gefahr des Angriffs angeschossener oder aufgeschreckter Tiere aus allen Richtungen besteht. Bei Verwendung einer Langwaffe, wie dies ein Schrotgewehr zweifelsohne ist, ist der Jäger jedoch in seiner Bewegung eingeschränkt und besteht insbesondere die Gefahr, dass der Jäger sich im Buschwerk verhängt oder an Bäumen hängen bliebt. Auch bedarf das Hantieren mit einer Langwaffe längerer Zeit und mehr Platz.

Des weiteren verfügt eine Schrotflinte der Klasse C, die waffenpassfrei wäre, nur über 2 Schüsse, während bei einer Faustfeuerwaffe mindestens 6 Schüsse zur Verfügung stünden. Die höhere Schusskapazität der Waffe ist jedoch gerade bei der Nachsuche von Bedeutung, da im Falle eines Angriffs angeschossener Tiere keine Zeit zum Nachladen der Schrotflinte bliebe. Diese Gefahr könnte durch Verwendung von mehr als 2-schüssigen Schrotflinten begegnet werden, welche jedoch ebenfalls genehmigungspflichtig wären.

Schließlich verfügt die Faustfeuerwaffe im Regelfall über eine größere Feuerkraft, sodass das angestrebte Ziel, nämlich die Sicherung sowohl des Jägers als auch der übrigen Jagdgesellschaft, leichter erreicht werden kann."

Es liege im Vergleich zum bereits rechtskräftig erledigten Antrag insofern eine Änderung des Sachverhaltes vor, als im Vorverfahren auf Grundlage des dort erstatteten Gutachtens eine Bewilligung verweigert worden sei. Die dieses Gutachten erschütternden Informationen seien dem Beschwerdeführer erst nachträglich zugekommen (Stellungnahme vom 17. September 2001).

Mit Bescheid vom 5. November 2001 wies die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten diesen zweiten Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass der zweite Antrag des Beschwerdeführers "praktisch wortgleich ident" sei und keine Änderung der für die Entscheidung maßgebenden Umstände eingetreten sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer zunächst vor, die dargelegten Umstände, aus denen die fehlende Gleichwertigkeit der Verwendung von Faustfeuerwaffen und Schrotflinten mit Brennekegeschoßen bei der Nachsuche auf Schwarzwild abgeleitet würden, stellten neue Tatsachen dar, die im Vorverfahren keine Berücksichtigung gefunden hätten. Es handle sich um "Informationen, die dem Beschwerdeführer erst nachträglich zugekommen seien", weshalb keine res iudicata vorliege.

Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens eines anderen Sachverständigen begründe "eine Rechtsverweigerung der Behörde erster Instanz". Im Übrigen plane der Beschwerdeführer "nunmehr die Pachtung einer Eigenjagd", wo er "Jagdherr seiner Jagdgesellschaft" wäre und für eine ordnungsgemäße Nachsuche sowie für den Schutz der Jagdgesellschaft Sorge zu tragen hätte. Zu diesem Zweck sei die Verwendung einer kurzläufigen feuerkräftigen Handfeuerwaffe durchaus zweckmäßig und empfehlenswert.

Dieser Berufung wurde mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Jänner 2002 nicht Folge gegeben. In der neuerlichen Antragstellung seien "keine wesentlichen Änderungen des Sachverhalts erkennbar". Die Begründung hinsichtlich der Nachsuche nach angeschossenem Schwarzwild sei bereits im Vorverfahren vorgelegen. Dazu habe der Amtssachverständige Dipl. Ing. H ausgeführt, dass die Verwendung einer Faustfeuerwaffe zwar nicht unzweckmäßig sei, jedoch die Verwendung von Schrotflinten mit Brennekegeschoßen gleichwertig. Der Umstand, dass Schrotflinten der Klasse C grundsätzlich nur über 2, Faustfeuerwaffen mindestens aber über 6 Schüsse verfügten, sei der erkennenden Behörde auch schon im Vorverfahren bekannt gewesen und stelle "keine besondere Neuigkeit" dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2 bis 4 findet. Nach dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens betreffenden § 69 Abs 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommenen Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) oder neu hervorgekommene Beweismittel - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegen steht. § 68 Abs 1 AVG soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindern. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, unter E 79f zu § 68 AVG zitierte hg Judikatur). Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an. Hat eine Behörde unter mehreren Versagungsgründen einen gewählt, auf den sie ihre Entscheidung stützt, und steht eben dieser Versagungsgrund auch der positiven Erledigung eines neuerlichen Antrages entgegen, dann ist dieser wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl das hg Erkenntnis vom 9. Juli 1990, Zl 89/10/0225).

Es ist daher das - im erstinstanzlichen Verfahren über den gegenständlichen Zweitantrag erstattete - Vorbringen zu Tatsachen, die erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens eingetreten sind, auf das Vorliegen von relevanten Sachverhaltsänderungen zu prüfen, wobei dies an dem im Vorbescheid - das ist hier der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 27. Juni 2001 - angenommenen Sachverhalt zu messen ist. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sei, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann. Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die die Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmsgrund (vgl die bei Walter/Thienel, aaO, unter E 98 zitierte hg Judikatur).

Dazu macht der Beschwerdeführer geltend, die Abweisung des Erstantrages habe in erster Instanz auf dem angeblich mangelnden Bedarf beruht, was im Berufungsverfahren widerlegt habe werden können. Die belangte Behörde habe die Abweisung des Erstantrages auf die angebliche Gleichwertigkeit der Verwendung von Schrotflinten mit Brennekegeschoßen gestützt. Entgegen der von der belangten Behörde im nun angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht liege res iudicata nicht vor, weil sowohl die die Ablehnung des Sachverständigen Dipl. Ing. H rechtfertigenden Umstände als auch entsprechende fachliche Stellungnahmen, insbesondere die Stellungnahme des niederösterreichischen Landesjagdverbandes, dem Beschwerdeführer erst nach ursprünglicher Ersterledigung im Sommer 2001 zur Kenntnis gekommen seien.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend:

Der Beschwerdeführer hat in seinem Zweitantrag zur Dartuung seines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen die selben Sachumstände geltend gemacht wie im Verfahren über den ersten Antrag. Er versucht nun aber, der von der belangten Behörde angenommenen Gleichwertigkeit (der Verwendung von Faustfeuerwaffen mit der Verwendung von Schrotflinten mit Brennekegeschoßen) mit im Einzelnen dargestellten Hinweisen entgegen zu treten. Der von ihm derart relevierten Unrichtigkeit der - für die Abweisung des Antrages mangels Bedarfes entscheidenden - von der belangten Behörde angenommenen Gleichwertigkeit steht aber die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen. Die Rechtskraftwirkung besteht gerade auch darin, dass die von der belangten Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl die bei Walter/Thienel, aaO, unter E 76 zu § 68 AVG zitierte hg Judikatur). Ob die dem Beschwerdeführer seinem Vorbringen nach erst nach der Entscheidung im Vorverfahren zur Kenntnis gekommenen Umstände allenfalls eine Wiederaufnahme im Sinne des § 69 Abs 1 AVG rechtfertigen, ist vorliegend nicht zu prüfen, weil der Beschwerdeführer keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Wien, am 6. September 2005

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