VwGH 2005/03/0047

VwGH2005/03/00478.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A P in W, vertreten durch Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 19. Februar 2002, Zl SD 158/99, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Jänner 1999 entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), die am 9. Oktober 1979 für ihn ausgestellte Waffenbesitzkarte.

Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass bei der am 3. November 1998 durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Verwahrung festgestellt worden sei, der Beschwerdeführer habe seine Schusswaffe in einem unversperrten Kleiderschrank im Schlafzimmer, im Holster unter Kleidungsstücken, verwahrt. Dies stelle keine ordnungsgemäße Verwahrung dar. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 14. Dezember 1998 sei nicht geeignet gewesen, eine andere Entscheidung herbeizuführen, weil die Überprüfung "eine Momentaufnahme" darstelle und zum damaligen Zeitpunkt keine sorgfältige Verwahrung gegeben gewesen sei. (In seiner Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme, worin dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Entziehung der Waffenbesitzkarte wegen nicht ordnungsgemäßer Verwahrung angekündigt worden war, hatte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, einen Tresor für die Aufbewahrung der Waffe angeschafft zu haben.)

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe die Aufforderung zur Stellungnahme einer "Fachfirma" gezeigt und diese "um Rat gefragt", wobei ihm mitgeteilt worden sei, es genüge, wenn er "die Waffe in einen Tresor sperre und eine Meldung darüber mache mit beigelegter Rechnung"; weiteres sei nicht nötig. Dem sei er - "im guten Glauben an den Rat" - nachgekommen. Dass dies nicht so sei, habe er erst durch den Entziehungsbescheid erfahren. Es gehe nicht nur um den weiteren Besitz der Waffe, sondern auch um sein Ansehen und seine Glaubwürdigkeit, die angezweifelt worden seien. Deshalb lade er ein, "die Situation vor Ort selbst zu begutachten". Auf Grund des schlechten Rates habe er Folgendes nicht in seiner Stellungnahme angeführt: "Die Waffe selbst ist in einem Schrankteil der sperrbar ist und seit jeher versperrt war was jeder Sachverständige bestätigen kann, dass am Schrank nicht nachträglich manipuliert wurde." Dem legte der Beschwerdeführer eine Skizze vom Schrank bei und machte Ausführungen, warum die erhebenden Beamten sich allenfalls getäuscht hätten.

In einem Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. Juli 1999 wird dazu wie folgt Stellung genommen: "Von den einschreitenden Beamten konnte bei der Öffnung des Kastens (Kleiderschrank) kein Geräusch eines Aufsperrens wahrgenommen werden. Somit wurde angenommen, dass der Kleiderschrank unversperrt war. ... Von den einschreitenden Beamten wurde die Verwahrung negativ beurteilt, da die Verwahrung der Waffe nur im Holster und in einem Säckchen unter Kleidungsstücken, für sie keine Verwahrung im Sinne der einschlägigen Bestimmungen darstellte."

In seiner Stellungnahme vom 16. August 1999 führte der Beschwerdeführer dazu aus, dass von den Beamten "nur einer im Zimmer bzw im Bereich des Durchgangs" gewesen sei, und durch diesen überdies die Geräusche eines eingeschalteten Fernsehgeräts gedrungen wären. Er halte es nicht für richtig, "jemanden derart zu beschuldigen, nur weil er kein Geräusch gehört hat." "Dass die Waffe in einem versperrten Schrank in einer versperrten Tasche war, kann ich daher nur nochmals bestätigen, den Zufallszugriff gibt es daher nicht."

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass sich die Entziehung auf § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 1 Z 2 WaffG stütze. Die belangte Behörde führte aus, die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien "im Ergebnis" auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Nach einer Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

"Fest steht ...., dass der Berufungswerber zum Zeitpunkt der Überprüfung seine Waffe in einem Kleiderkasten unter Kleidungsstücken verwahrt hatte. Dass diese in einer versperrten Tasche verwahrt gewesen wäre, ist weder dem Erhebungsbericht noch einer Stellungnahme des Berufungswerbers im erstinstanzlichen Verfahren zu entnehmen. Erstmals im Berufungsverfahren wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Waffe nicht nur zwischen Wäschestücken, sondern in einer Tasche, die allerdings unter den Wäschestücken lag, gelegen sei. Unabhängig davon bestand somit zumindest für seine Ehegattin ein jederzeit möglicher und ungehinderter Zugriff auf die Waffe, zumal der Berufungswerber während des gesamten Verfahrens nicht einwendet, dass seine Ehegattin zu dem Schlafzimmerschrank keinen Zugang gehabt hätte, weshalb es somit unerheblich ist, ob zum Zeitpunkt der Überprüfung der Kasten versperrt oder unversperrt war. Der Berufungswerber hat sohin seiner Verpflichtung, die Waffe auch gegenüber Personen im privaten Nahebereich derart zu verwahren, dass ihnen nicht jederzeit und ohne Notwendigkeit der Überwindung eines Hindernisses der Zugriff darauf offensteht, nicht entsprochen. Die im Zuge der Überprüfung nach § 25 Abs 1 WaffG festgestellte Art der Verwahrung ist daher als nicht sorgfältig im Sinne des § 8 Abs 1 Z 2 zweite Alternative WaffG zu qualifizieren."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich aus Anlass einer Überprüfung der Verlässlichkeit gemäß § 25 Abs 1 oder 2 WaffG ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Verlässlich ist ein Mensch gemäß § 8 Abs 1 Z 2 zweiter Fall WaffG unter anderem nur dann, wenn keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen nicht sorgfältig verwahren werde. Gemäß § 3 Abs 1 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr 313/1998 ("2. WaffV"), ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn ihr Besitzer sie "in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt". Nach § 3 Abs 2 Z 2 bis 4 der 2. WaffV gehört zu den maßgeblichen Umständen für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung unter anderem der Schutz vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen, insbesondere eine der Anzahl und der Gefährlichkeit von Waffen und Munition entsprechende Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit (Z 2), der Schutz von Waffen und Munition vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind (Z 3), und der Schutz vor Zufallszugriffen rechtmäßig Anwesender (Z 4).

Zu der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Frage der Verwahrungspflichten des Besitzers einer Schusswaffe gegenüber dem Zugriff von Personen in seinem persönlichen Nahebereich - auf den der Ehegattin des Beschwerdeführers jederzeit möglichen und ungehinderten Zugriff auf die Waffe hat die belangte Behörde die Qualifizierung der Art der Verwahrung als unzureichend im Wesentlichen gestützt - ist zunächst gemäß § 43 Abs 2 VwGG auf die Ausführungen zur diesbezüglichen Rechtsprechung im Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl 2000/20/0070, zu verweisen. Nach den Maßstäben der in diesem Erkenntnis dargestellten Judikatur unterliegt es keinem Zweifel, dass die Verwahrung in einem, wenn auch versperrten, Schrank, zu dessen Schlüssel die Ehegattin Zugriff hat, nicht den gesetzlichen Erfordernissen genügt. Dies gilt auch ohne Vorliegen besonderer Gründe für erhöhte Vorsicht, sodass auch aus langjährigem Wohlverhalten und einer persönlichen Verlässlichkeit der Ehegattin des Beschwerdeführers, die seinem Vorbringen nach "ein ernstzunehmender und pflichtbewusster Mensch" ist, nichts zu gewinnen ist.

Dennoch ist die Beschwerde im Ergebnis berechtigt: Der angefochtene Bescheid gibt zwar das Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, "die Waffe in einem versperrten Schrank in einer versperrten Tasche aufbewahrt zu haben", wieder, trifft dazu aber keine Feststellungen, sondern beschränkt sich auf die Schlussfolgerung, "unabhängig davon bestand somit zumindest für seine Ehegattin ein jederzeit möglicher und ungehinderter Zugriff auf die Waffe, zumal der Berufungswerber während des gesamten Verfahrens nicht einwendet, dass seine Ehegattin zu dem Schlafzimmerschrank keinen Zugang gehabt hätte, weshalb es somit unerheblich ist, ob zum Zeitpunkt der Überprüfung der Kasten versperrt oder unversperrt war." Für diese Annahme fehlt aber eine nachvollziehbare Begründung. Auch wenn die Gattin des Beschwerdeführers (im Gegensatz zu seiner Mutter) Zutritt zum Schlafzimmer hat, in dem sich der - versperrte - Schrank befindet, ist damit noch nicht klargestellt, dass sie auch "Zugang" zum erwähnten Schrank hat, noch dazu dann, wenn sich die Waffe "in einem Schrankteil, der sperrbar ist und seit jeher versperrt war" (Berufung des Beschwerdeführers vom 22. Jänner 1999), bzw überdies "in einer versperrten Tasche" (Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 16. August 1999) befindet.

Indem die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht zu einer Klarstellung aufforderte, in wessen Gewahrsame sich die Schlüssel zum Schrank und gegebenenfalls auch zur "versperrten Tasche" befinden, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Dieser Verfahrensmangel ist relevant, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Wien, am 8. Juni 2005

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