VwGH AW 2005/03/0013

VwGHAW 2005/03/00135.8.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Salzburger Landesumweltanwaltschaft in Salzburg, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 18. März 2005, Zl. BMVIT- 220.164/0003-II/SCH2/2005, betreffend Feststellungsverfahren gemäß § 24 Abs 5 UVP-G 2000 (mitbeteiligte Partei: Ö AG), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

EisenbahnG 1957;
UVPG 2000 §24 Abs5;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §39 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
EisenbahnG 1957;
UVPG 2000 §24 Abs5;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §39 Abs1;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über Antrag der beschwerdeführenden Salzburger Landesumweltanwaltschaft gemäß § 24 Abs 5 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), festgestellt, dass "für das Vorhaben des zweigleisigen Ausbaues der Tauernbahn auf der ÖBB-Strecke Schwarzach/St. Veit - Spittal/M, Abschnitt Angerschluchtbrücke - Bf. Angertal, km 24,600 bis km 26,306 der Ö AG" keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 durchzuführen sei; zugleich wurde der Eventualantrag der beschwerdeführenden Partei, den Feststellungsantrag gemäß § 3 Abs 7 iVm § 39 Abs 1 UVP-G 2000 an die zuständige Behörde zur Entscheidung darüber abzutreten, zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid hat die beschwerdeführende Partei mit dem Antrag verbunden, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Sie führt in diesem Antrag aus, dass der Bescheid einem Vollzug in dem Sinne zugänglich sei, als er "in die Wirklichkeit insofern umgesetzt werden kann, als bei dessen Rechtskraft eine sofortige Durchführung des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahrens" möglich ist sei. Die Rechtsfolge des eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahrens sei die Genehmigung und dann der Bau des Teilprojektes "Angeschluchtbrücke - Bahnhof Angertal", wobei der Bau "auch nur dieses Teilprojektes" im Antrag näher dargestellte Auswirkungen - dabei handelt es sich zusammengefasst um einen Anstieg der Lärmimmissionen durch den auf Grund erhöhter Leistungsfähigkeit der Strecke zunehmenden Zugverkehr - habe.

Die Errichtung einer durchgängigen zweigleisigen Eisenbahn-Fernverkehrsstrecke (Hochleistungsstrecke), deren Teil der eingereichte Streckenabschnitt sei, ziehe dramatische Steigerungen in der Leistungsfähigkeit der Gesamtstrecke im Gasteinertal nach sich. Die Leistungsfähigkeit der bestehenden Strecke werde mit 106 Zügen pro Tag beurteilt; eine durchgehende zweigleisige Hochleistungsstrecke mit Hochleistungsblock würde eine strukturelle Leistungsfähigkeit von 409 Zügen (davon 358 Güterzügen) ergeben. Mit der Umsetzung des Projektes werde eine tatsächliche Leistungssteigerung ermöglicht, mit der entsprechend höhere Umweltbelastungen, insbesondere Lärmbelastungen, verbunden seien. Nach weiteren Ausführungen zu der bei der angegebenen Steigerung der Leistungsfähigkeit zu erwartenden Lärmbelastung zitiert die beschwerdeführende Partei ausführlich eine umweltmedizinische Stellungnahme des Gasteiner Sprengelarztes über die Auswirkungen einer Zunahme der Lärmbelastung "im Zuge des abschnittsweisen Neubaus der HLS Tauernachse". In den weiteren Ausführungen zur Begründung des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bringt die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass, wenn das gegenständliche Teilstück ohne Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt und errichtet würde, weder die positiven Auswirkungen auf die Gesamtstrecke (im Sinne einer Leistungssteigerung) noch die damit verbundenen Umweltauswirkungen (insbesondere Lärmzunahme im gesamten Gasteinertal) einer Prüfung unterzogen würden. Ebenso werde die eisenbahnrechtliche Genehmigung ohne Güterabwägung von betroffenen öffentlichen Interessen erteilt, wodurch "die existenziellen Interessen der Kurregion" weder berücksichtigt noch geschützt würden. Bei Vornahme einer Interessenabwägung würden die Beeinträchtigung der betroffenen Bevölkerung, des Lebensraumes Gasteinertal und der dortigen Fremdenverkehrswirtschaft die betroffenen Interessen der mitbeteiligten Partei überwiegen. Durch die "Stückelungsabsicht" der mitbeteiligten Partei bestehe für die Zukunft die konkrete Gefahr, dass für den Neubau der Tauernbahn beliebig und ohne sachliche Abgrenzung die Strecke in weitere einzelne Teilstücke aufgeteilt werden könne.

3. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei sind dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegengetreten. Die belangte Behörde führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass das Projekt im Rahmen des Ausbauprogrammes der Tauernachse lediglich einen aus einer Reihe von Bauabschnitten darstelle, die zum Teil bereits fertig gestellt seien sowie anderen, die noch im Planungs- oder ebenfalls im Baustadium seien. Für die Einreichung des gegenständlichen, nur rund 1,7 km langen Abschnittes sei der dringend erforderliche Sanierungsbedarf der 100 Jahre alten Angerschluchtbrücke entscheidend gewesen. Lediglich dieser Sanierungsbedarf - und damit verbunden die Vermeidung eines verlorenen Bauaufwandes bei bloßer Sanierung der eingleisigen Brücke - sei das Ziel dieses Bauabschnittes. Der Sanierungsbedarf bestehe unabhängig davon, ob und wann ein weiterer Ausbau der Tauernbahn erfolge. Insoweit bestehe für den gegenständlichen Abschnitt jedenfalls ein dringender Handlungsbedarf, um den Vorgaben des § 19 Abs 1 Eisenbahngesetz im Hinblick auf Sicherheit und Ordnung des Eisenbahnbetriebes und Eisenbahnverkehrs im vollen Umfang zu entsprechen. Es liege daher im öffentlichen Interesse, die Sanierung der in diesem Abschnitt gelegenen Angerschluchtbrücke rasch vorzunehmen, um Betriebserschwernisse oder gar eine drohende Streckensperre hintanhalten zu können. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im gegenständlichen Fall würde auch der im öffentlichen Interesse gelegenen Verkehrsverlagerung zu umweltfreundlicheren Massenbeförderungsmitteln widersprechen.

Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass auch die Realisierung des gegenständlichen Abschnittes eine dramatische Steigerung der Leistungsfähigkeit der Strecke nach sich ziehen werde, weist die belangte Behörde darauf hin, dass von einem Prognosewert von 232 Zügen im Jahre 2010 ausgegangen werde. Zu einer tatsächlichen Leistungssteigerung im gegenständlichen Ausbauabschnitt könne es jedoch nicht kommen, da dieser Abschnitt lediglich mit dem südlich gelegenen, bereits zweigleisig ausgebauten Nachbarabschnitt Angertal - Kralbach in Verbindung stehe. Hinsichtlich des nördlichen (Teil-)Abschnittes Schlossbachgraben - Angertal sei bei der Behörde noch kein Genehmigungsantrag für einen zweigleisigen Ausbau eingereicht worden. Bei dieser Sachlage könne nicht davon gesprochen werden, dass nach Abschluss der Bauarbeiten auf einer rund 3 km langen zweigleisig ausgebauten Strecke eine Leistungssteigerung durch eine Erhöhung der Zugzahlen bewältigt werden könne.

Die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Argumente bezögen sich stets auf im Mediationsverfahren vorgelegte Unterlagen und Gutachten. Dieses Mediationsverfahren habe sich jedoch auf eine rund 14 km lange Strecke bezogen, sodass aus diesen Unterlagen keinerlei Schlüsse auf das vorgelegte ca. 1,7 km lange Ausbauprojekt gezogen werden könnten.

Die mitbeteiligte Partei macht im Wesentlichen geltend, dass die beschwerdeführende Partei keine konkreten Behauptungen vorgelegt habe, dass unmittelbar durch den Vollzug des bekämpften Bescheides unverhältnismäßige Nachteile drohten. Aus der Führung eines eisenbahnrechtlichen Genehmigungsverfahrens könne dem Beschwerdeführer in abstracto noch kein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen. Die Ausführungen der beschwerdeführenden Partei bezögen sich auf das Mediationsverfahren bzw. das Gesamtprojekt, nicht aber auf das dem Feststellungsbescheid zu Grunde gelegte Projekt. Dem Antrag würden auch öffentliche Interessen entgegenstehen, da das dem Feststellungsbescheid zu Grunde liegende Projekt der Erhaltung der bestehenden Leistungsfähigkeit einer europäischen Fernverkehrsstrecke diene. Der von der beschwerdeführenden Partei ausgeführten Interessenabwägung liege ein verfehlter Sachverhalt - nämlich ein weiter gehender Ausbau der Tauernbahn, nicht nur das dem Feststellungsbescheid zu Grunde gelegte Projekt - zu Grunde. Die Beschwerde laufe darauf hinaus, dass der mitbeteiligten Partei die bloße Sanierung der Angerschluchtbrücke ohne gleichzeitigen Gesamtneubau der Tauernbahnachse verwehrt werden solle. Ein derartiges Interesse der beschwerdeführenden Partei, der mitbeteiligten Partei ein viel größeres Projekt "aufzuzwingen", als es tatsächlich seitens der mitbeteiligten Partei dem Feststellungsverfahren zu Grunde gelegt worden sei, lasse sich aus den der beschwerdeführenden Partei im Sinne von § 23b Abs 3 UVP-G zur Wahrnehmung überantworteten öffentlichen Interessen nicht rechtfertigen.

4. Gemäß § 30 Abs 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen (vgl uva etwa den hg Beschluss vom 16. November 1998, Zl AW 98/03/0054).

5. Die Vollzugstauglichkeit des angefochtenen Bescheides ist im Sinne der hg Rechtsprechung zu bejahen (vgl den hg Beschluss vom 13. September 2000, Zl AW 2000/03/0060).

6. Um die vom Gesetzgeber geforderte Intressenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ua den hg Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg Nr 10.381/A) erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.

Mit dem von der beschwerdeführenden Partei bekämpften Bescheid wurde festgestellt, dass für ein bestimmtes Eisenbahnbauvorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem dritten Abschnitt des UVP-G 2000 durchzuführen ist. Der beschwerdeführenden Partei kommt gemäß § 24 Abs 5 iVm § 19 Abs 3 UVP-G 2000 Parteistellung und das Recht, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, zu; sie ist berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihr - im konkreten Fall gemäß § 1 Salzburger Landesumweltanwaltschaftsgesetz - wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen.

Die beschwerdeführende Partei bringt im Wesentlichen vor, dass sich die nachteiligen Auswirkungen - eine Zunahme der Lärmimmissionen - auf Grund der Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gesamtstrecke im Gasteinertal ergäben. Ein konkret auf das verfahrensgegenständliche Projekt - ein rund 1,7 km langes Teilstück der Tauernbahn - bezogenes Vorbringen, in dem die sich aus dem Unterbleiben einer Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich dieses Teilstücks ergebenden Nachteile nachvollziehbar dargestellt würden, ist dem Antrag nicht zu entnehmen.

Zudem ist nicht erkennbar, dass die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Nachteile - eine Zunahme der Lärmimmissionen durch die Zunahme des Schienenverkehrs auf der ausgebauten (Teil- oder Gesamt-)Strecke - unmittelbare Folge des angefochtenen Bescheides wären. Mit dem angefochtenen Bescheid, dessen Rechtmäßigkeit im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu prüfen ist, wurde weder der Bau noch der Betrieb des verfahrensgegenständlichen Eisenbahnstreckenabschnitts bewilligt. Dieses Vorhaben, welches nach dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei zu der von ihr als unverhältnismäßiger Nachteil beurteilten Lärmimmission führen würde, bedarf unstrittig einer noch nicht erteilten eisenbahnrechtlichen Bewilligung. Die von der beschwerdeführenden Partei ausführlich dargelegten befürchteten Lärmimmissionen auf Grund erhöhten Zugsverkehrs könnten erst nach Abschluss des eisenbahnrechtlichen Verfahrens, Durchführung des Baues der Strecke und Erteilung der Betriebsbewilligung eintreten.

Vor diesem Hintergrund kann schon mangels Konkretisierung der durch den unmittelbaren Vollzug des angefochtenen Bescheides entstehenden unverhältnismäßigen Nachteile dem Antrag nicht stattgegeben werden, sodass sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob zwingende öffentliche Interessen der Gewährung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, erübrigt.

Wien, am 5. August 2005

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