Normen
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Mali, reiste am 11. Juli 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 26. Juli 2004 gab er an, er sei in Mali Hirte gewesen. "Räuber" hätten 25 ihm anvertraute Kühe gestohlen, woraufhin deren Eigentümer von ihm Ersatz verlangt habe. Auch die Polizei sei der Ansicht gewesen, dass "die Familie die Kühe bezahlen" müsse. Sie habe den Beschwerdeführer festgenommen, aber nach drei Tagen wieder freigelassen. Daraufhin habe der Eigentümer der Kühe das Haus des Beschwerdeführers angezündet. Der Bruder des Beschwerdeführers sei dabei verletzt worden, der Beschwerdeführer selbst weggerannt. An die Behörden habe er sich nicht gewandt, weil er geglaubt habe, er werde wieder ins Gefängnis müssen. Es sei egal, wo er in Mali hingehe, die Polizei oder der Eigentümer der Kühe würden ihn finden. Er sei nach Österreich gekommen, weil er nicht ins Gefängnis wolle. Wenn ihn der Eigentümer der Kühe sehe, könnte er ihn aber auch töten.
Bei der fortgesetzten Einvernahme am 27. Juli 2004 gab der Beschwerdeführer an, er habe am Vortag nicht auf die Volksgruppe des Eigentümers der Kühe hingewiesen, weil er nicht danach gefragt worden sei. Der Beschwerdeführer (seinen Angaben zufolge ein "Mandingo") habe "auch ein ethnisches Problem, da der Besitzer ein Saragoli ist".
Mit Bescheid vom 3. August 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mali gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III).
Das Bundesasylamt ging von den Angaben des Beschwerdeführers aus, auf deren Glaubwürdigkeit "mangels Asylrelevanz nicht eingegangen" werden müsse. In Mali gebe es nämlich "eine unabhängige Gerichtsbarkeit, welche die Individualrechte schützt. Für die erkennende Behörde erübrigte es sich, dem Ast. dies vorzuhalten, weil es sich um eine Rechtslage handelt, die bereits vor seinem Verlassen des Landes bestanden hat und somit als Ihm bekannt vorauszusetzen war". Das "vorgebrachte Problem" könne nicht zur Asylgewährung führen. Benachteiligungen "auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet" habe der Beschwerdeführer nicht vorbringen können.
Zur Begründung des zweiten Spruchpunktes begnügte sich das Bundesasylamt in den fallbezogenen Ausführungen mit dem Hinweis, eine "Gefährdungssituation iSd § 57 (2) FrG" sei "bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint" worden.
Spruchpunkt III stützte das Bundesasylamt u.a. darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine familiären Bindungen habe.
Im englischsprachigen Teil seiner Berufung gegen diese Entscheidung führte der Beschwerdeführer u.a. aus, die Polizei habe getan, was ihr der Eigentümer der Kühe "aufgetragen" habe. Der Beschwerdeführer verwies im Übrigen darauf, dass er weder lesen noch schreiben könne und die Person, die ihm bei der Verfassung der Berufung geholfen habe, ihn nicht gut verstanden habe.
Mit dem angefochtenen, ohne mündliche Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG" ab.
Sie verwies zunächst auf die (vollständige) Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens im Bescheid des Bundesasylamtes, fasste dieses aber selbst noch einmal zusammen, wobei der vom Beschwerdeführer bei der fortgesetzten Einvernahme ins Spiel gebrachte Gesichtspunkt eines "ethnischen Problems" unerwähnt blieb, und hielt dem Beschwerdeführer entgegen, das geschilderte "Verfolgungsszenario" sei "weder von seiner Art noch von seinem Ursprung her dazu geeignet, unter die Genfer Flüchtlingskonvention subsumiert zu werden". Das Vorbringen enthalte "keinerlei - auch bloß vage - Hinweise" auf asylrelevante Verfolgung und sei "nicht einmal in Ansätzen dazu geeignet", zur Asylgewährung zu führen, "zumal es dem Berufungswerber darüber hinaus zuzumuten wäre, für derartige Probleme die hiefür zuständigen Behörden und Gerichte in Anspruch zu nehmen".
Zu Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde u.a. ergänzend aus, der Beschwerdeführer habe im Hinblick auf § 57 Abs. 1 FrG "kein relevantes bezughabendes Risiko aufgezeigt".
Die Ausweisung (Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides) stelle mit Rücksicht darauf, dass sich sämtliche Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Mali befänden, "keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerde wendet sich vor allem gegen die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer - ausgehend von seinem Vorbringen - zumutbar, für seine "Probleme die hiefür zuständigen Behörden und Gerichte in Anspruch zu nehmen". Hiezu wird u.a. ausgeführt, der staatliche Schutz, auf den der Beschwerdeführer von der belangten Behörde verwiesen werde, sei in Bezug auf die Brandstiftung am Haus des Beschwerdeführers und seiner Familie offenbar nicht gegeben gewesen. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergebe sich, dass die Polizei daran mitgewirkt habe, den Beschwerdeführer zu erpressen und zur Erfüllung eines unberechtigten Ersatzanspruches zu zwingen. Darüber hinaus verweist die Beschwerde mit näheren Ausführungen darauf, dass die Rechtsstaatlichkeit in Mali "nur am Papier" gegeben sei.
Dem ist zumindest insofern beizupflichten, als die belangte Behörde den Beschwerdeführer angesichts des von ihm behaupteten Verhaltens der Polizei nicht formelhaft und mit Selbstverständlichkeit auf die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes verweisen konnte. Bei Zugrundelegung des Vorbringens des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde vielmehr davon auszugehen, dass sich die Polizei seinen Erfahrungen und seiner Einschätzung zufolge ungeachtet der Brandstiftung am Haus des Beschwerdeführers und seiner Familie weiterhin als Handlanger seines Gegners verhalten würde. Auf diese Involvierung staatlicher Institutionen in das behauptete Verfolgungsgeschehen ist die belangte Behörde, wie die Beschwerde zutreffend hervorhebt, in der Begründung ihrer Entscheidung nicht eingegangen.
Die belangte Behörde hat sich außerdem über den Versuch des Beschwerdeführers, die geltend gemachte Bedrohung durch das ergänzende Vorbringen über ein "ethnisches Problem" mit einem Konventionsgrund in Verbindung zu bringen, mit Stillschweigen hinweggesetzt. Die der angefochtenen Entscheidung in dieser Hinsicht zugrunde liegenden Erwägungen sind für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar und einer inhaltlichen Überprüfung daher nicht zugänglich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren (zusätzliche Umsatzsteuer) findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am 13. Dezember 2005
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