VwGH 2004/08/0096

VwGH2004/08/009620.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in A, vertreten durch Mag. Helmut Leitner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Karl-Wiser-Straße 1, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 27. April 2004, Zlen. LGSOÖ/Abt. 4/12840348/2004-12 und LGSOÖ/Abt. 4/A12840347/2004-12, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. März 2004 teilte der Beschwerdeführer, der im Bezug von Notstandshilfe stand, dem Arbeitsmarktservice V.

Folgendes mit:

"Bei dem von Ihnen aufgetragenen Vorstellungsgespräch am 08.03.2004 bei dem dem AMS zuordenbaren Unternehmen 'Proba' wurde mir von Frau Mag. D. ein Arbeitszeitmodell vorgeschlagen, gegen dass ich mich jedenfalls aussprechen muss.

Diese Vorgangsweise ist nicht nur ungesetzlich, sondern verletzt einen Unmündigen im Unterhalt. Weiters verschlechtert sich meine Position bei einem zukünftigen Arbeitslosengeldbezug.

Akzeptabel erscheint mit lediglich die Vorgangsweise, mich für eine Vollzeitbeschäftigung anzumelden."

Das Arbeitsmarktservice V. schloss dieses Schreiben einem als Niederschrift bezeichneten Formular an, dem auch ein handschriftlicher Vermerk beigefügt wurde, in dem es sinngemäß heißt, Frau D. von Proba habe telefonisch mitgeteilt, der Beschwerdeführer habe mit seinem Rechtsanwalt besprochen, die Stelle nicht anzutreten; er brauche Zeit zum Prozessieren.

Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass in einem seit dem Jahre 2003 unter anderem gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten geführten Strafverfahren beim Landesgericht Wels zwei bis drei Verhandlungstage pro Woche stattfanden, die der Beschwerdeführer auch wahrgenommen hat.

Mit Bescheid vom 23. März 2004 sprach das Arbeitsmarktservice V. den Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 10. März bis zum 20. April 2004 aus. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht bereit gewesen sei, eine zumutbare Beschäftigung bei Proba anzunehmen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer, dass sich das Arbeitsmarktservice nicht mit seiner Stellungnahme vom 9. März 2004 auseinandergesetzt habe und die dort behauptete Gefährdung des Unterhalts eines Unmündigen keinerlei Erwähnung im erstinstanzlichen Bescheid finde.

Mit Schreiben vom 31. März 2004 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass bei der Vermittlung einer Arbeitsstelle während des Bezuges von Notstandshilfe auf die künftige Verwendung im bisherigen Beruf keine Rücksicht genommen werden könne; es sei auch eine Teilzeitbeschäftigung mit Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze zumutbar.

Auf dieses Schreiben antwortete der Beschwerdeführer mit Brief vom 7. April 2004, dass von einer Teilzeitbeschäftigung keine Rede gewesen sei, man ihn vielmehr in ungesetzlicher Weise zu Arrangements habe überreden wollen, die seine Lage insgesamt verschlechtert hätten. Der Annahme einer Teilzeitbeschäftigung stünde nichts im Wege, sofern die Differenz vom Arbeitsmarktservice ausgeglichen würde. Diesen Standpunkt habe der Beschwerdeführer schon wegen seiner gegenüber seinem unmündigen Sohn bestehenden Verpflichtungen einzunehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend stellte sie fest, dem Beschwerdeführer sei am 2. März 2004 vom Arbeitsmarktservice V. eine Beschäftigung als Bauhilfsarbeiter bei Proba (Beschäftigungsprojekt) in V. verbindlich angeboten worden. Der Arbeitsantritt wäre am 10. März 2004 möglich gewesen. Die angebotene Entlohnung habe den kollektivvertraglichen Bestimmungen entsprochen. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen. Proba habe bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer die Stelle mit dem Hinweis, er bräuchte die Zeit zum Prozessieren, abgelehnt habe.

Nach teilweiser Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in rechtlicher Hinsicht aus, die in Rede stehende Beschäftigung sei für den Beschwerdeführer zumutbar gewesen. Das Arbeitszeitgesetz wäre eingehalten worden und eine kollektivvertragliche Mindestentlohnung wäre gesichert gewesen. Weder die Gefährdung des Unterhalts noch die möglicherweise eintretende Verschlechterung bei einem künftigen Arbeitslosengeldbezug wegen geringer Entlohnung könnten eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung begründen. Auf die künftige Verwendung im bisherigen Beruf müsse im Notstandshilfebezug keine Rücksicht genommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet hat, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eine Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeld ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003, dass der Arbeitslose arbeitswillig ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist unter anderem arbeitswillig, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Nach § 9 Abs. 2 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004, ist eine Beschäftigung zumutbar, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, dass der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.

Nach § 10 Abs. 1 AlVG in der eben genannten Fassung verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Der Beschwerdeführer hat die Verweigerung der Annahme der ihm zugewiesenen Beschäftigung damit begründet, es sei ihm ein ungesetzliches Arbeitszeitmodell vorgeschlagen worden, das einen Unmündigen im Unterhalt verletze; zudem verschlechterte sich seine Position bei einem künftigen Arbeitslosengeldbezug. Lediglich eine Vollzeitbeschäftigung erscheine ihm akzeptabel.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer mit diesen Behauptungen keine Unzumutbarkeit der Beschäftigung dargelegt hat. Auf das in der Beschwerde erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer hätte anstelle der gemeldeten 28,5 Stunden tatsächlich 38,5 Stunden pro Woche arbeiten müssen, ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht einzugehen. Zwar hat der Beschwerdeführer bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 22. April 2004 beim Arbeitsmarktservice V. hinsichtlich einer Beschäftigung als Hilfsarbeiter bei Proba solche Angaben über die in Aussicht genommene Arbeitszeit gemacht, sie bezogen sich jedoch nur auf eine ab dem 22. April 2004 - somit auf eine nach Ablauf der Sperrfrist im vorliegenden Fall - aufzunehmende Beschäftigung, weshalb die Angaben für die vorliegende Beschäftigung nicht verwertbar sind.

Ebenso wenig hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren konkrete Behauptungen dahin aufgestellt, inwiefern ihm die zugewiesene Beschäftigung an der Wahrnehmung der Verhandlungstermine beim Landesgericht Wels gehindert hätte bzw. dass der potenzielle Dienstgeber sich im vorhinein geweigert hätte, auf die Verhandlungstermine Rücksicht zu nehmen. Insoweit ist auch der im Rahmen der Verfahrensrüge erhobene Vorwurf, die belangte Behörde habe keine Feststellungen zur Inanspruchnahme des Beschwerdeführers durch das gegen ihn geführte Strafverfahren getroffen, unbegründet; entsprechende Behauptungen wurden im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt.

Zielt das Vorbringen des Beschwerdeführers auch darauf ab, dass die Beschäftigung wegen ihres - offenbar zu geringen - zeitlichen Ausmaßes unzumutbar gewesen sei, ist er darauf zu verweisen, dass ein Arbeitsloser auch zur Annahme einer die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden Teilzeitbeschäftigung bereit sein muss, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen (vgl. das Erkenntnis vom 17. März 2004, Zl. 2001/08/0035).

Schließlich blieb auch das - in der Beschwerde wiederholte - Argument der Gefährdung des Unterhaltes des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers bis zuletzt unbestimmt, sodass auch deswegen eine Unzumutbarkeit der Beschäftigung wegen der Höhe des Entgeltes nicht angenommen werden konnte.

Allerdings erweist sich der angefochtene Bescheid aus einem in der Beschwerde zwar nicht genannten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund als rechtswidrig:

Die Zuweisung des Beschwerdeführers sollte zu dem "Beschäftigungsprojekt Proba" erfolgen; die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht näher dargestellt, worum es sich bei diesem Projekt gehandelt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hatte im Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2002/08/0262, (somit sechs Tage vor dem Datum des hier angefochtenen Bescheides) ebenfalls eine Verweigerung der Zuweisung zu "Proba" zu beurteilen. Aus dem genannten Verfahren ist bekannt, dass Arbeitslose von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "Proba" zugewiesen werden, wo Schulungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung stattfinden, die aber in das rechtliche Kleid eines Arbeitsverhältnisses zu "Proba" gekleidet werden. Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, aus, es sei unzulässig, eine Schulungs-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme rechtlich als Arbeitsverhältnis zu jener Einrichtung zu gestalten, welche die Maßnahme durchzuführen hat (mit der Konsequenz des Entfalls von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe), und sodann die - nach erfolgreicher Durchführung der Maßnahme - erforderliche weitere Arbeitsvermittlung dieser Einrichtung zu überlassen.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, ob sich die vorliegende Zuweisung in dieser Hinsicht von jener unterscheidet, die im Erkenntnis vom 21. April 2004 zu beurteilen war. Dazu bedarf es einer Ergänzung des Sachverhaltes dahin, ob es sich um eine Zuweisung des Beschwerdeführers zu einer Maßnahme oder zu einer Beschäftigung gehandelt hat, wie das eine oder andere im Einzelnen ausgestaltet ist und worin sich allenfalls diese Zuweisung von der im wiederholt zitierten Erkenntnis unterscheidet. Erst wenn dazu Feststellungen getroffen wurden, kann die entscheidende Rechtsfrage beantwortet werden.

Der angefochtene Bescheid ist aber noch aus einem anderen Grund rechtswidrig:

Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung u.a. zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist.

Mit dieser vom Amts wegen zu prüfenden Voraussetzung der Zumutbarkeit der Beschäftigung hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt. Dies wäre jedoch auf Grund der für den Beschwerdeführer in Aussicht genommenen Beschäftigung als Bauhilfsarbeiter im Hinblick auf die damit verbundene körperliche Belastung erforderlich gewesen (vgl. das Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0067). Nach der Aktenlage war der Beschwerdeführer etwa auch im Vertrieb eines Unternehmens beschäftigt, sodass nicht von vornherein angenommen werden kann, die Tätigkeit als Bauhilfsarbeiter sei seinen körperlichen Fähigkeiten angemessen.

Nach dem Gesagten bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Der Zuspruch des Aufwandersatzes erfolgte im Rahmen des gestellten Begehrens.

Wien, am 20. April 2005

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