Normen
11997E234 EG Art234;
61999CJ0516 Walter Schmid VORAB;
B-VG Art129a;
B-VG Art129b;
EURallg;
MRK Art6 Abs1;
UVSG Vlbg 1990 idF 2003/013;
11997E234 EG Art234;
61999CJ0516 Walter Schmid VORAB;
B-VG Art129a;
B-VG Art129b;
EURallg;
MRK Art6 Abs1;
UVSG Vlbg 1990 idF 2003/013;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer mit selbständiger Vertretungsbefugnis der K.D.P. GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der K.D.P. GmbH & Co sei, eine Übertretung des § 25 Abs. 1 lit. e Vlbg. KanalisationsG i.V.m. Spruchpunkt 4. des Bescheides der Berufungskommission der Gemeinde H. vom 19. Dezember 1995 i.V.m. dem Bescheid der Gemeinde Hörbranz vom 14. Juni 1994 zur Last gelegt. Er habe im Zeitraum vom 7. Jänner 2002 morgens bis 8. Jänner 2002 ca. 11 Uhr rund 200 m3 Überschussschlamm, das entspreche mindestens 1 Tonne Trockensubstanz, aus der Betriebskläranlage der K.D.P. GmbH & Co ins öffentliche Kanalnetz und in weiterer Folge in die ARA L. abgeleitet. Dieser Abfall der Schlüssel-Nummer 94302 gemäß ÖNORM S 2100, der nicht stofflich verwertet worden sei, sei somit entgegen dem Spruchpunkt 4. des Anschlussbescheides der Gemeinde H. in das Kanalisationsnetz eingeleitet worden. Der Spruchpunkt 4.
des vorerwähnten Bescheides laute wie folgt:
"Abfälle iS der ÖNORM S 2100 dürfen nicht in das
Kanalisationsnetz eingeleitet werden."
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst
bei ihm eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom
23. Februar 2004, B 1578/03-3 u.a., ab und trat die Beschwerde auf
Grund eines entsprechenden Antrages des Beschwerdeführers mit
Beschluss vom 14. April 2004, B 1578/03-5 u.a., an den
Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der vorliegende Beschwerdefall gleicht sowohl hinsichtlich des maßgeblichen Sachverhaltes als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragen weitgehend jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 30. März 2005, Zl. 2003/06/0183, zu Grunde liegt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird insoweit auf diese Entscheidung verwiesen. Dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers kommt schon aus den dort genannten Gründen keine Berechtigung zu.
Der Beschwerdeführer macht in der vorliegenden Beschwerde aber auch die seiner Ansicht nach fehlende Tribunalqualität der belangten Behörde und die Verletzung eines fairen Verfahrens zusammengefasst deshalb geltend, weil das Anklageprinzip im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten nicht verwirklicht sei. So habe es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil vom 30. Oktober 1991, Z. 28, im Fall Borgers als eine Verletzung der Waffengleichheit angesehen, dass der Generalanwalt - mit beratender Stimme - bei der Beratung des Gerichtshofes teilgenommen habe. Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, dass ein Staatsanwalt an den Beratungen teilgenommen hätte, der Staatsanwalt "sitzt in Personalunion in den Köpfen der Mitglieder des UVS, denn diese bilden ja in der Personalunion gleichzeitig Richter und Ankläger". Im Lichte des Urteiles Borgers müsste das vorliegende Verfahren als unfaires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK beurteilt werden.
Diese Auffassung habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) nach Ansicht des Beschwerdeführers in seinem Urteil vom 30. Mai 2002 im Fall Schmid/Finanzlandesdirektion Wien, Rechtssache C-516/99 , (betreffend die früher bestandenen Berufungssenate bei den Finanzlandesdirektionen im Abgabenverfahren) bestätigt (der Beschwerdeführer zitiert aus dem Schlussantrag des Generalanwaltes T., in denen verneint wurde, dass die Berufungssenate im Abgabenverfahren die Stellung von Dritten im Verhältnis zu den Dienststellen der Steuerverwaltung hätten, was eine Voraussetzung für die Qualifikation als Gericht im Sinne des Art 234 EG ist). Nach Ansicht des Beschwerdeführers träfen die "Überlegungen des EuGH" im Fall Schmid auch auf die unabhängigen Verwaltungssenate im Allgemeinen und auf das konkrete Verfahren im Besonderen zu. Es habe somit auch keine Verhandlung vor einem unabhängigen Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK stattgefunden. Der Beschwerdeführer sei sohin in seinem Recht auf ein kontradiktorisches, waffengleiches Verfahren dadurch verletzt, dass die belangte Behörde im Verfahren durchwegs auch die Anklagefunktion als Inquisitionsbehörde wahrzunehmen gehabt habe.
Auch diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt keine Berechtigung zu. Der EGMR hat sich in seiner Teilentscheidung vom 4. Juli 2002 im Fall Ludwig Weh (der Beschwerdevertreter) und Evi Weh gegen Österreich (Beschwerde Nr. 38.544/97) - neben der Feststellung, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (konkret war es die belangte Behörde) als Tribunal gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen werden muss -, mit dem vom Beschwerdevertreter auch dort vorgetragenen Vorbringen, dass am Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten keine Anklagebehörde am Verfahren und an der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat teilnehme und dass das Einzelmitglied des Senates sowohl als Richter als auch als Ankläger handle, auseinander gesetzt und diesbezüglich keine Bedenken gehabt. So meinte der EGMR dazu insbesondere, dass nach den Ausführungen der Regierung das Verwaltungsstrafverfahren zu Beginn ein Einparteienverfahren sei, sobald jedoch der Beschuldigte ein Rechtsmittel an den Unabhängigen Verwaltungssenat richte, erlange die Verwaltungsbehörde, die den Strafbescheid erlassen habe, die Funktion der Anklagebehörde, indem sie im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Gegenpartei werde.
Weiters hat der EGMR in dem Urteil vom 20. Dezember 2001, im Fall Baischer gegen Österreich (Beschwerde Nr. 32.381/96, Z. 25, abgedruckt in gekürzter Form in ÖJZ 2002, 12 ff), ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen über die Einrichtung dieses Organs und seine Rechtsprechung in dieser Hinsicht (er verweist auf die Entscheidung vom 31. August im Fall Hubner gegen Österreich, Beschwerde Nr. 34.311/96, 1999) als ein Tribunal im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK angesehen werden muss (vgl. zur Tribunalqualität der UVS auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 18. Juni 2003, VfSlg. Nr. 16.894, und vom 30. November 2004, B 1008/04, und Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht9, S. 632, Rz 1487/1). Besondere Umstände, die die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit der an der vorliegenden Entscheidung der belangten Behörde beteiligten Mitglieder konkret in Frage stellen könnten (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1997, VfSlg. Nr. 14.939), wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet und sind für den Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich.
Auch aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 30. Mai 2002 im Fall Schmid gegen die Finanzlandesdirektion Wien (Rechtssache C-516/99 , Z. 36 ff) ist nichts für den Beschwerdeführer zu gewinnen. Nach den Ausführungen dieses Gerichtshofes könne der Begriff "Gericht" im Sinne des Art. 234 EG nur eine Einrichtung bezeichnen, die gegenüber der Einrichtung, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten hat. Die Einrichtung, bei der ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung der Dienststellen einer Verwaltung eingelegt wird, kann nicht als Gericht im Sinne dieses Artikels angesehen werden, wenn sie eine institutionelle Verbindung zu dieser Verwaltung aufweist, es sei denn, dass die nationale Rechtsordnung so beschaffen ist, dass sie eine funktionale Trennung zwischen den Dienststellen der Verwaltung, deren Entscheidungen angefochten werden, und der Einrichtung gewährleistet, die über die gegen die Entscheidungen dieser Dienststellen erhobenen Beschwerden entscheidet, ohne von der Verwaltung, zu der diese Dienststellen gehören, Weisungen zu erhalten. Es sei jedoch festzustellen, dass ein Berufungssenat zu der Finanzlandesdirektion, die die vor ihm angefochtenen Entscheidungen erlassen hat, eine institutionelle und funktionale Verbindung aufweise, die es ausschließe, dass ihm die Eigenschaft eines Dritten im Verhältnis zu dieser Verwaltung zuerkannt werde. Was das Bestehen einer institutionellen Verbindung angehe, so gehörten unstrittig zwei der fünf Mitglieder des Berufungssenates der Steuerverwaltung an. In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass der Präsident der Finanzlandesdirektion von Rechts wegen Mitglied des Berufungssenates sei, für den er zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes die Aufgaben eines Vorsitzenden wahrnehme. Was weiters das Bestehen einer funktionalen Verbindung betreffe, so sei zunächst darauf hinzuweisen, dass derjenige Beamte der Finanzlandesdirektion, der das zweite aus der Steuerverwaltung stammende Mitglied des Berufungssenates sei, seine Tätigkeit in dieser Verwaltung im Übrigen weiter ausübe und insoweit an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden sei. Aus Art. 270 Abs. 1 BAO ergebe sich, dass der Präsident der Finanzlandesdirektion befugt sei, die Mitglieder des Berufungssenates aus den Mitgliedern der Berufungskommission zu bestimmen. Er sei durch keine Gesetzesbestimmung daran gehindert, die Zusammensetzung eines Berufungssenates im Hinblick auf die Bearbeitung jeder einzelnen Beschwerde und zwar sogar noch während eines laufenden Beschwerdeverfahrens, nach eigenem Ermessen zu ändern. Mangels einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung, die die Dauer des Mandats der Mitglieder der Berufungssenate festlege und die Abberufungsfälle genau bezeichne, könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder der Berufungssenate für einen ausreichenden Schutz gegenüber unzulässigen Eingriffen oder unzulässigem Druck der Verwaltung Gewähr bieten könnten. Vor allem könne schließlich der Präsident der Finanzlandesdirektion - wobei er an etwaige Weisungen des Finanzministers gebunden sei - gegen eine Entscheidung eines Berufungssenates Beschwerde erheben und hiebei einen anderen Standpunkt vertreten als den des Berufungssenates, dem er vorsitze.
Aus der für die belangte Behörde und ihre Mitglieder geltenden Rechtslage (Art. 129a undArt. 129b B-VG i.V.m. dem Vlbg. Gesetz über den Unabhängigen Verwaltungssenat, LGBl. Nr. 34/1990, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 13/2003) ergibt sich keine institutionelle und funktionale Verbindung der belangten Behörde mit den Verwaltungsbehörden (hier der Bezirkshauptmannschaft Bregenz), die die belangte Behörde zu überprüfen hat.
Von der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Im Hinblick auf Art. 6 MRK bestehen dazu keine Bedenken, da vor der belangten Behörde, einem unabhängigen und unparteiischen Tribunal gemäß dieser Bestimmung, eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattgefunden hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 14. Juli 2005
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)