Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 23. Mai 2003 als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden sei, als nach außen zur Vertretung berufenes Organ, nämlich als handelsrechtlicher Geschäftsführer der D GmbH, veranlasst zu haben, dass am 21. August 2002 eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich durchgeführt worden sei, wobei es der Beschwerdeführer unterlassen habe, dem Fahrer vor Antritt der Fahrt die entsprechende Anzahl von Ökopunkten zu übergeben. Das Straferkenntnis sei dem Beschwerdeführer über die deutsche Rechtshilfebehörde, die Bezirksregierung Trier, unter der näher bezeichneten Anschrift der D GmbH am 10. Juli 2003 durch Einlegen in den Briefkasten des Geschäftsraumes zugestellt worden. Am 9. September 2003 sei vom Beschwerdeführer Berufung erhoben worden. Er habe darin ausgeführt, dass er "erst jetzt" vom Schreiben Kenntnis erlangt habe, da die D GmbH sich seit dem 26. Mai 2003 in Insolvenz befinde. Zu diesem Zeitpunkt habe er noch nicht über das Schreiben verfügt, später seien Schreiben nicht mehr zu seiner Person gegangen. Der Beschwerdeführer habe "auf Grund der verstrichenen Frist" in seiner Berufung hilfsweise auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diese sei damit begründet worden, dass ein namentlich bezeichneter Angestellter das Schreiben "erst bei der Übergabe der alten Räume" gefunden habe. Aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft lasse sich auch entnehmen, dass von der Erstbehörde der Beschwerdeführer aufgefordert worden sei zu beantworten, wann er erstmals vom Straferkenntnis Kenntnis erlangt habe. Die belangte Behörde habe beim Amtsgericht in Neuwied erhoben, dass auf Grund des Insolvenzantrages vom 26. Mai 2003 ein Insolvenzverfahren bei Gericht anhängig sei. Der Insolvenzverwalter habe telefonisch mitgeteilt, dass das Konkursverfahren am 28. August 2003 eröffnet worden sei. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Post nicht mehr "dort" (gemeint an der Geschäftsanschrift der D GmbH) zugestellt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass nach dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet werde. Dies bedeute im Gegenstandsfall, dass bei der Wirkung der Zustellung deutsches Recht zur Anwendung komme. Nach den deutschen Bestimmungen über die Zustellung werde diese mit Einlegen in den Briefkasten zum Geschäftsraum wirksam. Dies bedeute, dass die Zustellung am 10. Juli 2003 erfolgt sei und daher die Berufungsfrist zum 24. Juli 2003 abgelaufen gewesen sei. Die Berufung sei am 10. September 2003 nach Ablauf der Berufungsfrist eingebracht worden, sodass diese als verspätet zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, werden Schriftstücke (u.a.) in österreichischen Verwaltungsstrafverfahren unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen.
Wie sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt, hat die Bezirkshauptmannschaft Kufstein das erstinstanzliche Straferkenntnis zunächst auf dem Postweg mit dem Vermerk "Eigenhändig" versandt, wobei das Schriftstück vom Adressaten nicht abgeholt wurde. Sodann wurde ein Zustellersuchen an die Bezirksregierung Trier gerichtet, welche die Zustellung im Wege der Deutschen Post AG veranlasste. Nach der im Verwaltungsakt erliegenden Zustellungsurkunde hat der Zusteller am 10. Juli 2003 das Schriftstück zu übergeben versucht und dieses - weil die Übergabe im Geschäftsraum nicht möglich war - in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt.
Für die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten gemäß § 1 Abs. 1 des Landesgesetzes über die Zustellung in der Verwaltung (Rheinland-Pfalz) in Verbindung mit § 3 Abs. 3 des (deutschen) Verwaltungszustellungsgesetzes die Vorschriften der §§ 177 bis 181 der (deutschen) Zivilprozessordnung. § 180d ZPO regelt die Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten. Ist demnach die Zustellung an den Empfänger nicht möglich, so kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Zurückweisung der Berufung als verspätet zum Einen auf die im Akt erliegende Zustellungsurkunde, auf der die Einlegung in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten beurkundet ist, zum Anderen aber darüber hinausgehend auch auf von ihr gepflogene Erhebungen beim Amtsgericht Neuwied sowie beim Insolvenzverwalter der D GmbH gestützt.
Die Berufungsbehörde ist nach der hg. Judikatur verpflichtet, dem Berufungswerber die offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Sie hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber jedoch vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0305).
Ein solcher Vorhalt gegenüber dem Beschwerdeführer ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt. Das Schreiben der erstinstanzlichen Behörde, mit dem der Beschwerdeführer u.a. um Auskunft ersucht wurde, wann er erstmals vom Straferkenntnis Kenntnis erlangt habe und ob er seit der Konkurseröffnung Zugang zum Firmengebäude gehabt habe, ist - zumal in diesem Schreiben auch darauf hingewiesen wurde, dass das Anbringen nach fruchtlosem Fristablauf zurückgewiesen werden würde - als Ermittlungsschritt dieser Behörde betreffend den von ihr zu erledigenden Wiedereinsetzungsantrag zu verstehen. Ein Vorhalt durch die belangte Behörde - die zudem auch weitere Ermittlungsschritte unternommen hat, auf deren dem Beschwerdeführer nicht vorgehaltenes Ergebnis sie sich im angefochtenen Bescheid stützt - kann darin nicht erkannt werden.
Dem Beschwerdeführer war es damit verwehrt, zu den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Beweismitteln (Zustellungsurkunde sowie Erhebungsergebnisse betreffend die Konkurseröffnung) Stellung zu nehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass im Falle der Gewährung des Parteiengehörs der Beschwerdeführer sein in der Beschwerde erstattetes, die Wirksamkeit der Zustellung in Zweifel ziehendes Vorbringen, wonach zum Zeitpunkt der Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten der Geschäftsräumlichkeiten tatsächlich kein Geschäftsbetrieb in diesen Räumen betrieben worden sei, unter Beweis stellen hätte können.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. März 2005
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