VwGH 2004/01/0245

VwGH2004/01/024513.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des I H in N, geboren 1960, vertreten durch Dr. Gerhard O. Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. März 2004, Zl. 247.549/0- III/09/04, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. (Feststellung nach § 8 AsylG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien-Montenegro, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an. Er reiste am 5. Jänner 2004 (gemeinsam mit seiner Ehefrau) in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Dazu führte er bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 16. Jänner 2004 aus, die Armut in seinem Herkunftsstaat habe ihn gezwungen, das Land zu verlassen. Er habe keine Arbeit gefunden und mit seiner Frau von "ein bisschen Sozialhilfe" leben müssen, die jedoch zuwenig gewesen sei, um damit auszukommen. Sonst habe er mit niemandem Probleme gehabt, es sei nur so gewesen, dass er und seine Frau kein Geld und keine Arbeit gehabt hätten und auch ihr Haus "kaputt" gewesen sei. Sie hätten "dort nicht mehr leben können" und "auch niemanden gehabt, der (sie) unterstützen hätte können."

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Februar 2004 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien-Montenegro, Provinz Kosovo, zulässig sei. Nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers und allgemeinen Ausführungen zur Sicherheitslage im Kosovo traf es Feststellungen über den beginnenden Aufbau eines Sozialhilfesystems in dieser Region (Quelle: "UNHCR Berlin, Stand 11.1.2001") sowie über die Unterbringungssituation und die medizinische Versorgung (Quellenangabe: "KIP Auskunft 21.10.2002"). Rechtlich begründete das Bundesasylamt seine Entscheidung damit, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich seine schlechte wirtschaftliche Situation zu entnehmen sei, die jedoch nicht zu einer Asylgewährung führen könne, setze eine solche doch konkrete gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgung oder Furcht vor Verfolgung voraus. Den Ausspruch nach § 8 AsylG begründete es unter anderem damit, dass aus den aktuellen Verhältnissen in der Provinz Kosovo "keine Gefahren im Sinne des § 57 FrG bzw. die Unzumutbarkeit der Rückkehr auf Grund der individuellen konkreten Lebensumstände darzutun" seien. Auch habe der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt, dass seine wirtschaftliche Existenzgrundlage gewährleistet sei. Laut UNHCR sei die Grundversorgung der zurückkehrenden Kosovo-Albaner gesichert.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, er habe in seiner Heimat unter der katastrophalen wirtschaftlichen Situation gelitten. Er könne sich im Kosovo keine Lebensgrundlage schaffen und es gebe auch keine Aussicht, dass sich die Situation in nächster Zeit verbessern werde. Im Kosovo sei die wirtschaftliche und gesundheitliche Existenz des Beschwerdeführers massiv gefährdet. Er verfüge über kein Einkommen, das seine existenziellen Bedürfnisse sicherstellen könnte. Bei einer Rückkehr in die Heimat würde er in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Eine Rückkehr sei ihm unter diesen Bedingungen (zur Zeit) nicht zuzumuten. Auch sei seine Sicherheit in der Heimat nicht gewährleistet. Im Kosovo herrsche weiterhin eine Atmosphäre der (teilweisen) Gesetzlosigkeit und Gewaltbereitschaft. Die Polizei und die KFOR seien nicht mehr in der Lage, der Situation Herr zu werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.) und stellte gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz (FrG) fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo (Serbien und Montenegro/vormals Bundesrepublik Jugoslawien) zulässig sei (Spruchpunkt 2.). Das Bundesasylamt habe - so die belangte Behörde - in der Begründung seiner Entscheidung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Die belangte Behörde schließe sich den diesbezüglichen Ausführungen in beiden Spruchpunkten an und erhebe sie zum Inhalt ihrer Entscheidung. Der Berufungsschrift lasse sich nicht die Behauptung entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Kosovo Verfolgung drohe. So habe er neben der Verweisung auf sein erstinstanzliches Vorbringen und einem abermaligen Hinweis auf die wirtschaftliche Lage im Kosovo ein bloß unsubstantiiertes Vorbringen zur Sicherheitslage im Kosovo erstattet, wobei er jedoch keine "zwingende konkrete Gefährdung" seiner Person releviert habe. Ein weiterer Hinweis auf eine mangelhafte Gesundheitsversorgung sei ebenfalls unsubstantiiert geblieben und habe somit keine konkrete Gefährdung darlegen können. Hinsichtlich der Entscheidung gemäß § 8 AsylG werde betont, dass sich aus den schlechten Lebensbedingungen keine Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 FrG ergebe. Ebensowenig habe der Berufungswerber eine "zwingende konkrete Gefährdung" seiner Person im Hinblick auf die Sicherheitslage im Kosovo, die sich - was nicht substantiiert bestritten worden sei - als stabil erweise und laufend verbessere, darzulegen vermocht. Eine Gefährdung durch eine eventuell mangelhafte Gesundheitsversorgung, die über die unbestritten gewährleistete medizinische Grundversorgung hinausgehe, könne ebenfalls nicht dargelegt werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der belangten Behörde kann zunächst nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung im Herkunftsstaat aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, die gemäß § 7 AsylG Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist, weder behauptet noch glaubhaft gemacht hat. Der Abweisung des Asylantrages begegnen daher - auch unter Berücksichtigung der Beschwerdeausführungen - keine Bedenken.

Zu Recht wendet sich die Beschwerde hingegen gegen den Ausspruch nach § 8 AsylG. Die belangte Behörde hat hinsichtlich der Verhältnisse im Kosovo auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen. Dieser erstinstanzliche Bescheid datiert vom 16. Februar 2004, verwertet jedoch zur Frage der Sicherung der Grundversorgung im Kosovo nur Berichtsmaterial vom Jänner 2001 und Oktober 2002. Mit Recht moniert die Beschwerde, dass der Bescheid des Bundesasylamtes, aber umso mehr auch der zeitlich noch später ergangene angefochtene Bescheid der belangten Behörde, eine aktuelle Darstellung der Verhältnisse im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers vermissen lässt. Schon dieser Umstand stellt einen Verfahrensmangel dar, dessen Relevanz jedenfalls für die Refoulement-Entscheidung im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Kosovo in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, nicht in Zweifel zu ziehen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2005/01/0290). Hinzu kommt, dass sich auch ein weiteres zentrales Begründungselement der erstinstanzlichen Entscheidung, auf welche die belangte Behörde verweist, als aktenwidrig erweist. Entgegen der Darstellung des Bundesasylamtes hat der Beschwerdeführer nämlich nicht zugestanden, dass seine wirtschaftliche Existenzgrundlage im Kosovo gewährleistet sei, sondern es wurde von ihm ausdrücklich betont, er und seine Frau hätten unter den gegebenen Verhältnissen im Herkunftsstaat "nicht mehr leben können" und "niemanden gehabt, der (sie) unterstützen hätte können." Umso mehr hätte es einer Beschäftigung mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Lebensverhältnissen im Kosovo bedurft, womit aber auch eine Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die belangte Behörde im Wege einer (im Wesentlichen) bloßen Verweisung nicht in Betracht kam.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 13. Dezember 2005

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