VwGH 2003/21/0175

VwGH2003/21/017526.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Richard Soyer, Mag. Wilfried Embacher und Mag. Josef Bischof, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Mai 2003, Zl. Fr 1281/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z6;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und Z 6 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer am 30. Oktober 1995 illegal eingereist sei und unter der Identität GU als vermeintlich jugoslawischer Staatsangehöriger der albanischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo einen Asylantrag gestellt habe. Ihm sei unter der falschen Identität eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 und § 14 Abs. 5 FrG zuerkannt worden. Diese Aufenthaltsberechtigung habe auf der Annahme gefußt, dass der Beschwerdeführer jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo sei.

Am 13. März 2002 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Wiener Neustadt wegen §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 30. Oktober 1995 in Traiskirchen und am 6. Juli 1998 in Wien Beamte des Bundesasylamtes durch Vorlage eines gefälschten Reisepasses bzw. einer gefälschten Geburtsurkunde iVm der Behauptung, Kosovo-Albaner zu sein, zur Aufnahme in die Bundesbetreuung verleitet habe, wodurch ein Schaden von S 52.130,-- entstanden sei. Weiters habe er am (richtig: vor dem) 15. Mai 1996 in Neunkirchen Beamte der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen durch die genannte Täuschungshandlung zur Auszahlung von Sozialhilfe verleitet, wodurch ein Schaden von S 182.887,67 entstanden sei. Dieses (nach dem Akteninhalt vom OLG Wien bestätigte) Urteil sei damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in Tirana einen gefälschten jugoslawischen Personalausweis gekauft habe, um als Kosovo-Albaner in Österreich Asyl zu bekommen. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass die Aufnahme in die Bundesbetreuung bei Bekanntgabe der wahren Identität nicht zwingend erfolgen würde. Die Auszahlung von Sozialhilfe habe der Beschwerdeführer im Bewusstsein erwirkt, durch seine falschen Angaben Beamte der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen zu täuschen.

Nach seinen Angaben - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer am 10. Oktober 2000 begonnen, Rückzahlungen an die Geschädigten zu leisten.

Bereits am 24. Oktober 1997 sei er wegen eines versuchten Ladendiebstahls zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Ein Verfahren über eine Anzeige wegen räuberischen Diebstahls sei derzeit anhängig.

Der Beschwerdeführer habe gegenüber einer österreichischen Behörde bzw. deren Organen unrichtige Angaben über seine Person und seine persönlichen Verhältnisse gemacht, um sich die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 (FrG) bzw. Mittel aus der Bundesbetreuung und der Sozialhilfe zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe gegen strafgesetzliche Bestimmungen, aber auch gegen solche nach dem Fremdengesetz massiv verstoßen und in mehrfacher Weise Sachverhaltselemente verwirklicht, denen allesamt im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung besonderes Interesse zukomme. Eine schwerwiegende Rechtsuntreue habe er durch sein Bemühen gezeigt, sich auf illegale Weise den Aufenthalt sowie den Erhalt von Mitteln zum Lebensunterhalt in Österreich zu sichern. Auch wenn er bei seiner illegalen Einreise nach Österreich noch nicht gewusst habe, dass durch Vorlage der gefälschten Dokumente auch Sozialleistungen gewährt werden könnten, habe er diese schlussendlich doch in Anspruch genommen. Auf Grund der gesetzten Verhaltensweisen sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 FrG die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden und gemäß Z 2 "allfälligen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen" zuwiderlaufen würde.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe am 29. Jänner 1996 gleichfalls unter Vorlage gefälschter Papiere in Österreich um Asyl angesucht. Auch gegen sie sei mit einem Aufenthaltsverbot vorgegangen worden und auch sie sei zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau gingen einer regelmäßigen Beschäftigung nach; die beiden in Österreich geborenen Kinder gingen zur Schule bzw. in den Kindergarten. Darüber hinaus seien noch der Bruder des Beschwerdeführers und Verwandte seiner Ehefrau in Österreich aufhältig.

Mit dem Aufenthaltsverbot sei ein "gewisser" Eingriff in sein Privat- und Familienleben "zu ersehen", dieser habe jedoch eindeutig hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen und an der Aufrechterhaltung eines geregelten Fremdenwesens zurückzutreten. Überdies bestehe auch gegen seine Ehefrau ein (rechtskräftiges) Aufenthaltsverbot. Die öffentlichen Interessen seien "bei allem Verständnis" bei weitem höher zu gewichten als die Privatinteressen des Beschwerdeführers. Letztlich sehe sich die belangte Behörde nicht veranlasst, die "Kann-Bestimmung" des § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers "auszulegen".

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0349).

In der Beschwerde werden die behördlichen Feststellungen und die daraus abgeleitete Verwirklichung der Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z 1 (dritter und vierter Fall) und Z 6 FrG nicht bestritten.

Entgegen der Beschwerdemeinung kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als unrichtig gesehen werden. Zum einen kommt den fremdenrechtlichen Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2003, Zl. 2002/21/0213). Zum anderen verstieß der Beschwerdeführer durch seine Täuschungshandlung nicht nur gegen fremdenrechtliche Bestimmungen, sondern beging auch eine gerichtlich strafbare Handlung. Wenn die Beschwerde vorbringt, der Vorsatz des Beschwerdeführers habe sich nicht darauf bezogen, durch seine falsche Identität Sozialleistungen zu beziehen, ist ihm der bindend zur Last gelegte Betrugstatbestand entgegenzuhalten. Unrichtig wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers mehr als sechs Jahre zurückliegen würden. Nach den unbestrittenen Feststellungen erfolgte die letzte Täuschungshandlung nämlich im Juli 1998 und somit weniger als fünf Jahre bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Dieser Zeitraum kann nicht als so lang betrachtet werden, dass durch den bloßen Zeitablauf die Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG nicht mehr getroffen werden dürfte. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass der Beschwerdeführer "seit dem Jahr 2000" bemüht sei, den Schaden wieder gutzumachen, unterlässt sie konkrete Behauptungen, in welchem Ausmaß der Schaden tatsächlich bereits wieder gutgemacht worden sei, woraus auf die Bereitschaft des Beschwerdeführers geschlossen werden könnte, sich in Zukunft rechtskonform zu verhalten. Bei ihrer Beurteilung durfte die belangte Behörde auch berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nicht nur durch die genannten Täuschungshandlungen strafrechtliche Verfehlungen begangen, sondern auch einen (versuchten) Ladendiebstahl verübt hat. Sie konnte aus dem bisherigen fremdenrechtlich und strafrechtlich relevanten Fehlverhalten des Beschwerdeführers entgegen der Beschwerdeansicht durchaus auf eine Wiederholungsgefahr schließen.

Bei ihrer Beurteilung nach § 37 FrG berücksichtigte die belangte Behörde sowohl die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau als auch die in Österreich geborenen ehelichen Kinder. Trotz des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriffs in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durfte sie diesen Eingriff als zulässig nach § 37 FrG werten. Entscheidend ist nämlich, dass sich auch die Ehefrau des Beschwerdeführers unter Vorlage gefälschter Papiere den Aufenthalt in Österreich verschafft hat, gleichfalls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt wurde und auf Grund dieses Sachverhaltes ein rechtskräftiges (beim Verwaltungsgerichtshof nicht in Beschwerde gezogenes) Aufenthaltsverbot besteht. Zum einen ist somit auch von daher das Führen eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich rechtlich nicht zulässig, zum anderen sind keine Umstände ersichtlich, die einem gemeinsamen Familienleben im Heimatstaat entgegenstünden. Das Aufenthaltsverbot ist somit trotz der inländischen Integration der Kinder zulässig.

Die Beschwerde meint zwar, dass sich die belangte Behörde mit dem Ausmaß der familiären Bindungen des Beschwerdeführers nur unvollständig auseinandergesetzt habe und die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt worden seien; diese Behauptung stimmt jedoch mit der wiedergegebenen Bescheidbegründung nicht überein und es zeigt die Beschwerde auch nicht auf, welche weiteren Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen müssen.

Letztlich ist kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.

Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. April 2005

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