VwGH 2003/17/0242

VwGH2003/17/024221.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der AK in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in 5580 Tamsweg, Postplatz 115, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 16. Juni 2003, Zl. 1/02-37.749/11-2003, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. einer Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde St. Michael im Lungau, 5582 St. Michael im Lungau), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §72 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §72 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Gemeindevorstehung der Marktgemeinde St. Michael im Lungau wurde der Beschwerdeführerin ein Interessentenbeitrag zur öffentlichen Kanalisation vorgeschrieben.

Mit Schriftsatz vom 1. August 2002 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Vorstellung gegen den genannten Bescheid der Gemeindevorstehung und brachte gleichzeitig die Vorstellung gegen diesen Bescheid ein. In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung brachte sie vor, der Bescheid des Gemeindevorstandes sei dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 2. Juli 2002 zugestellt worden. An diesem Tag seien etwa 50 Poststücke in der Kanzlei des Rechtsvertreters eingegangen, darunter auch Urkunden zur Verfassung eines vorbereitenden Schriftsatzes in der Rechtssache des Baumeisters B, welche mit einer Büroklammer zusammengeheftet gewesen seien.

Die Übernahme der einlangenden Poststücke obliege der Kanzleileiterin Eva S, welche seit vier Jahren in der Kanzlei des Rechtsanwaltes tätig sei und nach einjähriger Einarbeitungsphase diese Tätigkeit von ihrer Vorgängerin übernommen habe. Ihre Aufgabe bestehe darin, die Poststücke dem jeweiligen Akt zuzuordnen, die entsprechenden Eintragungen im Terminvormerkkalender vorzunehmen und diese Tätigkeit entweder von der Rechtsanwaltsanwärterin Mag. Marianne R oder in deren Abwesenheit durch den Rechtsanwalt selbst überprüfen zu lassen. Sodann würden die Poststücke zusammen mit den Akten auf die einzelnen Mitarbeiter im Rahmen einer täglichen Postbesprechung zur weiteren Bearbeitung aufgeteilt.

Der Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin habe die vorbereitenden Arbeiten zur Erstattung des vorbereitenden Schriftsatzes in Angelegenheiten des Baumeisters B am 31. Juli 2002 in Angriff genommen und dabei die am 2. Juli 2002 im Postweg übermittelten Unterlagen durchgesehen. Dabei habe er feststellen müssen, dass der an die Beschwerdeführerin ergangene Bescheid der Gemeindevorstehung vom 26. April 2002 offensichtlich bei der Bearbeitung der Poststücke am 2. Juli 2002 unter diese Urkunden geraten sei. Der Bescheid sei unter die Büroklammer geschoben gewesen, welche die Urkunden zusammengehalten habe. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe daher erstmals am 31. Juli 2002 die Möglichkeit gehabt, den an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheid vom 26. April 2002 zu bearbeiten.

Dem Rechtsanwalt sei ein derartiges Versehen, das auch durch Kontrollmaßnahmen nicht zu verhindern sei, in seiner 24-jährigen selbstständigen Tätigkeit noch nicht unterlaufen. Es handle sich dabei um ein für die Partei unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis.

Diesem Schriftsatz war eine "Eidesstättige Erklärung" der Kanzleiangestellten Eva S sowie eine des Beschwerdeführervertreters angeschlossen. Darin wurde der im Wiedereinsetzungsantrag geschilderte Sachverhalt bestätigt. Weiters wurde die Ablichtung einer an den Baumeister B gerichteten und mit einem unleserlichen Eingangsstempel des Rechtsanwaltes versehenen Rechnung beigelegt, auf welcher eine Büroklammer ersichtlich war.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage ausgeführt, im Wiedereinsetzungsantrag sei ausgeführt worden, dass die Bearbeitung der einlangenden Poststücke dem Standard einer gewissenhaften Rechtsanwaltskanzlei entspreche und dass das dargelegte Versehen durch Kontrollmaßnahmen nicht zu verhindern gewesen sei. Welche Kontrollmaßnahmen in den Betriebsablauf tatsächlich eingeführt worden seien, sei nicht dargelegt worden. In den eidesstättigen Erklärungen werde auch nicht dargetan, dass die Eintragungen im Terminvormerkkalender täglich überprüft würden. In einer Rechtsanwaltskanzlei sei entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stets der Rechtsanwalt für die richtige Beachtung der Rechtsmittelfristen verantwortlich, denn er selbst habe die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen und zwar auch dann, wenn die Kanzleiangestellte überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbstständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Fristenvormerks, betraut worden und es bisher zu keinen Beanstandungen gekommen sei.

Wenn nun aber sowohl die Kanzleileiterin die Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels eingetragen habe als auch die Rechtsanwaltsanwärterin bzw. in deren Abwesenheit der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die eingetragene Frist überprüfe, so könne ausgeschlossen werden, "dass auf die Erhebung eines Rechtsmittels verzichtet" werde. Dass aber im Beschwerdefall gar keine Frist für die Erhebung eines Rechtsmittels eingetragen worden sei, sei nicht behauptet worden. Der vorgebrachte "Verstoß" eines Schriftstückes könne demnach nicht das Übersehen einer eingetragenen Rechtsmittelfrist bewirken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, dass ihr bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist gemäß § 71f AVG bewilligt werde, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Prozessvoraussetzungen in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass mit diesem lediglich über die fehlende Rechtzeitigkeit der Vorstellung, nicht jedoch über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung entschieden wurde. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides sich über weite Strecken auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in deren Antrag auf Wiedereinsetzung bezieht, weil ein fehlender Spruch (hier: ein fehlender Spruchteil in einem durch entsprechende Überschriften in Spruch und Begründung klar gegliederten Bescheid) durch Ausführungen in der Begründung nicht ersetzt oder nachgetragen werden kann.

Aus dem Parteienvorbringen und den vorgelegten Verwaltungsakten ist nicht ersichtlich, ob über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bereits entschieden wurde. Sollte die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, ihre Vorstellung hätte nicht zurückgewiesen werden dürfen, solange über die Frage der Wiedereinsetzung nicht endgültig entschieden worden sei, ginge sie von einer irrigen Rechtsauffassung aus: Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist nach der Lage zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen, was bedeutet, dass der Zurückweisungsbescheid dann rechtmäßig ist, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war; wird die Wiedereinsetzung nach Erlassung des Zurückweisungsbescheides bewilligt, so tritt dieser Zurückweisungsbescheid von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/02/0251, Slg. Nr. 12.275/A = ZfVB 1987/3/1435).

Die Beschwerdeführerin konnte durch den angefochtenen Bescheid nicht in den von ihr geltend gemachten Rechten verletzt werden. Es fehlt ihr die Berechtigung zur Beschwerdeerhebung gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Die Beschwerde war daher wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. März 2005

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