VwGH 2003/11/0266

VwGH2003/11/026624.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Alter Platz 28/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 17. Juli 2003, Zl. KUVS- 1201/4/2003, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
StGB §43 Abs1;
StGB §43a Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z12;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
StGB §43 Abs1;
StGB §43a Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 19. Mai 2003 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klasse B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 3 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Z. 12 des Führerscheingesetzes - FSG auf die Dauer von 24 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides (21. Mai 2003) entzogen. Gleichzeitig wurde über den Beschwerdeführer bis zum Ablauf der Entziehungsdauer ein Lenkverbot gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG verhängt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde nach durchgeführter Berufungsverhandlung mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. In der Begründung ihres Bescheides stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Oktober 2002 einerseits wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall und Abs. 3 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz - SMG, teilweise in Verbindung mit § 15 StGB und des Vergehens nach § 28 Abs. 1 SMG sowie andererseits wegen der Vergehen nach § 107 Abs. 1 und 2 und § 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei. Das Strafausmaß habe (unter Bedachtnahme auf das vorangegangene Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. Jänner 2002 gemäß den §§ 31, 40 StGB) drei Jahre Freiheitsstrafe betragen, wovon ein Teil, nämlich zwei Jahre Freiheitsstrafe, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei.

Dem Strafurteil vom 3. Oktober 2002 sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer erstens eine große Menge Suchtgift, teils als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und in der Absicht, sich durch eine wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu sichern, in Verkehr gesetzt habe (und zwar einerseits Cannabisharz- mit jeweils unterschiedlichem Reinsubstanzgehalt - von März 2001 bis Anfang Dezember 2001 in einer Menge von mindestens 300 g, von Anfang 2001 bis Dezember 2001 mindestens 1.300 g und von Jänner 1999 bis Dezember 2001 mindestens 1.080 g und andererseits eine unbestimmte Menge Kokain, hinsichtlich derer es allerdings beim Versuch geblieben sei). Dem genannten Strafurteil sei zweitens zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 3. Dezember 2001 Suchtgift in einer großen Menge (563,4 g Cannabisharz) mit dem Vorsatz erworben und besessen habe, dass es in Verkehr gesetzt werde. Drittens habe der Beschwerdeführer am 22. November 2001 seine geschiedene Ehegattin durch die Äußerung "und jetzt bringe ich dich um", wobei er ihr ein Messer an die Brust setzte, mit dem Tod gefährlich bedroht und sie durch Versetzen mehrerer Ohrfeigen und Fußtritte und durch Würgen am Hals vorsätzlich am Körper verletzt (was u.a. zu Prellungen und Hämatomen geführt hat).

Der Beschwerdeführer habe, so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter, in der Berufungsverhandlung vorgebracht, dass er im gerichtlichen Verfahren geständig gewesen sei und dass er den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe am 5. März 2003 verbüßt habe. Durch das genannte Strafurteil vom 3. Oktober 2002 stehe für die belangte Behörde in bindender Weise das tatbestandsmäßige Verhalten des Beschwerdeführers im Sinn der genannten strafgesetzlichen Bestimmungen fest, sodass eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG vorliege, die zum Verlust der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG führe.

Zur Wertung der strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers verwies die belangte Behörde zunächst darauf, dass die Suchtgiftkriminalität eine besonders gefährliche Art der Kriminalität darstelle, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß sei. Von Bedeutung sei vor allem der mehrmonatige Tatzeitraum hinsichtlich des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 SMG und dass der Beschwerdeführer in der Absicht, sich durch die Begehung von Suchtgiftdelikten eine ständige Erwerbsquelle zu verschaffen, eine schwere Gefahr für die Gesundheit von Menschen in Kauf genommen hat. Demgegenüber fielen die weiteren in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien der "seither verstrichenen Zeit" und des Verhaltens während dieser Zeit nicht entscheidend ins Gewicht, dies auch wegen der Haft des Beschwerdeführers und der Anhängigkeit des Entziehungsverfahrens. In ihrer Schlussfolgerung gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die festgesetzte Entziehungsdauer von 24 Monaten "als Minimum des Erforderlichen" angesehen werden müsse, da frühestens nach Ablauf dieser Zeit eine entsprechende Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers zu erwarten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

12. eine strafbare Handlung gemäß §§ 28 Abs. 2 bis 5 oder 31 Abs. 2 Suchtmittelgesetz - SMG, BGBl. I Nr. 112/1997, begangen hat;

...,

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen …

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen."

Der Beschwerdeführer vertritt in der Beschwerde zunächst unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften den Standpunkt, die belangte Behörde hätte entsprechend seinen Beweisanträgen in der Berufung die im Strafurteil namentlich angeführten Käufer der Suchtgiftmengen zeugenschaftlich zum Beweisthema, dass er die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen nicht begangen habe, einvernehmen müssen. Damit verkennt er, dass für die belangte Behörde, wie diese zutreffend erkannt hat, eine Bindung an den Spruch des rechtskräftigen Strafurteils vom 3. Oktober 2002 gegeben war und sie deshalb von dem dort festgestellten strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen hatte. Zu Recht hat sie auch das unter § 28 Abs. 2 und 3 SMG zu subsumierende Verhalten des Beschwerdeführers als bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 12 FSG angesehen. (Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer auch eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 7 Abs. 3 Z. 10 FSG verwirklicht, weil er nicht nur nach dem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Oktober 2002, sondern auch nach dem schon erwähnten Urteil vom 23. Jänner 2002 jeweils, somit wiederholt eine strafbare Handlung nach § 83 StGB begangen hat.) Bei der Wertung dieses strafbaren Verhaltens ist mit der belangten Behörde die zweifellos besondere Verwerflichkeit der begangenen Suchtgiftdelikte hervorzuheben, hat der Beschwerdeführer doch den Großteil der Suchtgiftmengen über einen längeren Zeitraum an Dritte weiter gegeben, um sich dadurch fortlaufende Einnahmen zu verschaffen. Auch das deliktische Verhalten gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau zeigt eine nicht unbeträchtliche Gewaltbereitschaft des Beschwerdeführers. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keinen Zweifel daran, dass bei Erlassung des Erstbescheides am 21. Mai 2003 (zu diesem Zeitpunkt waren seit dem Tatzeitende etwa 17 Monate, die der Beschwerdeführer zum Großteil in Haft verbracht hatte, vergangen) jedenfalls noch für mindestens drei weitere Monate (§ 25 Abs. 3 FSG) von der fehlenden Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Sinn des § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG auszugehen war.

Die belangte Behörde hat allerdings eine Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von 24 Monaten ab Erlassung des Erstbescheides für notwendig erachtet, was die Beschwerde in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls mit Recht als überhöht rügt. Bezogen auf das Tatzeitende bedeutet dies nämlich eine angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit von 41 Monaten, was unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Beschwerdefalles mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Einklang steht:

Wie erwähnt wurde die Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers im Strafurteil vom 3. Oktober 2002 zu einem großen Teil (zwei der insgesamt drei Jahre Freiheitsstrafe) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43a Abs. 4 in Verbindung mit § 43 Abs. 3 StGB bedingt nachgesehen. Das Strafgericht hat somit den vollständigen Vollzug der Freiheitsstrafe durch den Beschwerdeführer nicht als erforderlich angesehen. Die belangte Behörde hat diesem Umstand im angefochtenen Bescheid jedoch keine Bedeutung beigemessen und damit die Rechtslage unzutreffend beurteilt, wonach die gemäß § 43 Abs. 1 StGB zu berücksichtigenden Umstände auch für die Wertungskriterien nach § 7 Abs. 4 FSG Bedeutung haben können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 2003, Zl. 2002/11/0165, mwN, und das darauf Bezug nehmende Erkenntnis vom 21. Oktober 2004, Zl. 2003/11/0015).

In dem dem letztzitierten Erkenntnis, Zl. 2003/11/0015, zugrunde liegenden Beschwerdefall, bei dem es ebenfalls um über einen längeren Zeitraum begangene strafbare Handlungen nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG ging und in dem gleichfalls eine großteils bedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof die angenommene Verkehrsunzuverlässigkeit von dreieinhalb Jahren als deutlich überhöht angesehen. Wenn die belangte Behörde daher im vorliegenden Beschwerdefall die Entziehungsdauer der Lenkberechtigung von 24 Monaten - und damit, wie gesagt, eine Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers von fast dreieinhalb Jahren - als "Minimum des Erforderlichen" angesehen hat, so hat sie damit die Rechtslage verkannt. Richtigerweise hätte sie in Anbetracht der Umstände des Beschwerdefalles zum Ergebnis gelangen müssen, dass - auf Basis ihrer Sachverhaltsfeststellungen - mit einer Entziehung der Lenkberechtigung für einen wesentlich kürzeren Zeitraum, der jedenfalls 18 Monate nicht überschreiten dürfte, das Auslangen zu finden wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, soweit es den in der genannten Verordnung festgesetzten Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand überschreitet.

Wien, am 24. Februar 2005

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