VwGH 2003/09/0183

VwGH2003/09/018325.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Bundesministers für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 20. Oktober 2003, Zl. UVS- 07/A/23/1478/2002/20, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: FM in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Ulm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 3/8), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk, vom 21. Jänner 2002 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der O HandelsgesmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin mit Sitz in W, L am 15. Februar 2001 um 21.45 Uhr in der Bar "N" in W, drei namentlich genannte ausländische Arbeitskräfte zur Durchführung bzw. Anbahnung der Prostitution, als Animiermädchen sowie als Tänzerinnen beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländerinnen weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung oder eine gültige Arbeitserlaubnis oder ein gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden sei. Er habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz übertreten und sei mit drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zwei Wochen) gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 erster Strafsatz dieses Gesetzes zu bestrafen gewesen.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Mitbeteiligte Berufung, der die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Folge gab, das Straferkenntnis erster Instanz aufhob und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einstellte. Die belangte Behörde ging in ihrer Begründung auf Sachverhaltsebene im Wesentlichen davon aus, der Mitbeteiligte habe ein Schreiben der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, Abteilung 10, vom 21. August 2001 vorgelegt, welches folgenden Wortlaut gehabt habe:

"... Beschäftigung von Ausländern, Einhaltung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG)

Bezug: do. Ersuchen vom ...., dessen Deckblatt der ha. Stellungnahme beigelegt ist.

In Entsprechung des oa. Ersuchens wird mitgeteilt, dass nach Rechtsansicht des unterzeichnenden Bearbeiters der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice die in der Anzeigelegung festgestellte Tätigkeit (Animierdamen und Prostituierte) gar kein Regelungsgegenstand des AuslBG ist. Demnach stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine Tätigkeit im Sinn des § 2 Abs. 2 lit. a AuslBG - Verwendung in einem Arbeitsverhältnis bzw. arbeitnehmerähnlichen Verhältnis - handelt, nicht. Daher ist für diese Tätigkeit auch keine Bewilligung nach dem AuslBG erforderlich.

Bezüglich der Nachgefragten ... scheint beim Arbeitsmarktservice kein Vorgang zu ihrer Person auf."

Die punktierten Stellen seien lediglich infolge Anonymisierung unleserlich gemacht worden.

Ferner habe der Mitbeteiligte ein Schreiben des Landesarbeitsamtes Wien an das Magistratische Bezirksamt für den

2. Bezirk vom 23. September 1992 vorgelegt, welches folgenden Wortlaut habe:

"... Übertretung des AuslBG

Stellungnahme

Auf Grund einer Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bedürfen ausländische Animierdamen keiner Beschäftigungsbewilligung und unterliegen nicht dem Ausländerbeschäftigungsgesetz.

Das Landesarbeitsamt Wien spricht sich daher für die Einstellung des Verfahrens aus."

Weiters sei diese Auskunft gleich lautend in der Zwischenzeit auch mündlich an den Beschwerdeführer erteilt worden.

Im beweiswürdigenden Teil ihrer Erwägungen setzte sich die belangte Behörde mit der unbestrittenen Tatsache auseinander, dass noch ca. ein halbes Jahr nach dem hier verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt (Anm.: d.i. der 15. Februar 2001) seitens des Arbeitsmarktservice Wien die (offenbar gemeint: generelle) Auskunft erteilt worden sei, dass für die Beschäftigung von ausländischen Animierdamen und Prostituierten keine Bewilligung nach dem AuslBG erforderlich sei. Der Verfasser des erstzitierten Schreibens (Dr. K.) habe der belangten Behörde gegenüber telefonisch die Richtigkeit dieses Schreibens bestätigt (Hinweis auf den Aktenvermerk vom 30. Juli 2003). Der Richtigkeit dieser Auskunft sei das Hauptzollamt nicht entgegen getreten und habe auch keinen Vertreter zur mündlichen Berufungsverhandlung entsandt. Es erscheine daher denkbar und glaubwürdig, dass eine gleich lautende Auskunft in der Zwischenzeit auch mündlich an den Mitbeteiligten - wie dieser behauptet habe - erteilt worden sei. Auch sei die Richtigkeit des Schreibens des Landesarbeitsamtes Wien vom 23. September 1992 unbestritten geblieben. Damit stehe als erwiesen fest, dass noch ca. ein halbes Jahr nach dem Tatzeitpunkt seitens des Arbeitsmarktservice Wien - also der zuständigen Behörde - die Auskunft erteilt worden sei, dass für die Beschäftigung von ausländischen Animierdamen und Prostituierten keine Bewilligung nach dem AuslBG erforderlich sei.

Rechtlich beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, dass selbst unter Bedachtnahme auf die (in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses angeführte) höchstgerichtliche Judikatur zur Beschäftigung ausländischer Animierdamen und Prostituierter in Barbetrieben oder vergleichbaren Etablissements nach Auffassung der belangten Behörde der Sorgfaltsmaßstab überspannt würde, legte man dem Mitbeteiligten dennoch ein Verschulden hinsichtlich der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen zur Last. In Anbetracht der von ihm bei der zuständigen Behörde eingeholten Auskünfte - gleichen Inhalts wie die wiedergegebenen schriftlichen - könne ihm kein Verschulden im Sinne des § 5 VStG angelastet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende, gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 28a Abs. 1 AuslBG erhobene Amtsbeschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Mitbeteiligte hingegen erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 28a Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes BGBl. Nr. 218/1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2002, sind der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und der Bundesminister für Finanzen berechtigt, gegen Entscheidungen der unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Dem gemäß § 28a AuslBG Abs. 1 erster Satz dem Verfahren beizuziehenden Hauptzollamt Wien wurde nach den Angaben in der Beschwerde der angefochtene Bescheid am 3. November 2003 zugestellt. Der zentralen Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen wurde der angefochtene Bescheid erst am 14. November 2003 zur Kenntnis gebracht. Die Beschwerde wurde am 23. Dezember 2003 überreicht. Ausgehend davon, dass der für die Rechtzeitigkeit der Beschwerde maßgebliche Zeitpunkt die Kenntnisnahme des Bundesministeriums für Finanzen, also der 14. November 2003, war, erweist sich die Beschwerde als im Sinne des § 26 Abs. 1 VwGG - entgegen der diesbezüglichen Annahme der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift - als rechtzeitig.

Der Beschwerdeführer bekämpft im Wesentlichen die Beweiswürdigung der belangten Behörde, sowie die von ihr getroffenen Feststellungen als unvollständig. Insbesondere vermisst er Feststellungen dazu, ob eine mit dem vorgelegten Schreiben vom 21. August 2001 identische Auskunft "dem Beschwerdeführer selbst (oder seinen Gefolgsleuten) schriftlich oder mündlich erteilt" worden sei.

Dieser Einwand trifft zu.

Nach § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Da zum Tatbestand der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 99/09/0102). In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Solange der Beschuldigte nicht glaubhaft macht, dass ihn kein Verschulden trifft, hat die Behörde anzunehmen, dass der Verstoß bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte vermieden werden können.

Im Beschwerdefall unternahm der Mitbeteiligte den Versuch, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, indem er zwei - nicht an ihn gerichtete - Schriftstücke der mit Ausländerbeschäftigungsfragen befassten Behörden aus dem Jahr 1992 sowie vom August 2001 vorlegte, in denen eine Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht wurde, die seinen Standpunkt zu stützen schien. Die belangte Behörde kam auf Grund der vorgelegten Schreiben und der Feststellung, diese Auskünfte seien "gleichlautend in der Zwischenzeit auch mündlich an den BW erteilt" worden, zum Ergebnis, ein das Verschulden des Mitbeteiligten ausschließender Umstand sei damit dargetan. Dieser Einschätzung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch aus folgenden Gründen nicht anzuschließen:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt, ob bzw. wann vor Begehung der Verwaltungsübertretungen dem Beschwerdeführer selbst oder einem seiner Vertreter in den konkreten hier in Rede stehenden Fällen nach Bekanntgabe der für die Tätigkeit der hier konkret angesprochenen Ausländerinnen maßgebenden Vereinbarungen eine - mündliche oder schriftliche - Auskunft erteilt worden sei, diese Ausländerinnen unterlägen nicht den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes. Nur auf diese konkret vorliegenden Verhältnisse kommt es aber an. Auf eine anonymisierte, nicht an ihn gerichtete Auskunft einer Behörde aus dem Jahre 1992, in Bezug auf welche zudem unklar geblieben ist, wann und wie der Mitbeteiligte diese Auskunft erlangte, kann sich der Mitbeteiligte jedenfalls hinsichtlich eines im Jahre 2001 liegenden Tatzeitpunktes nicht mit schuldausschließender Wirkung berufen, zumal die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Frage der - grundsätzlichen - Beschäftigungsbewilligungspflicht von Animierdamen, Prostituierten und Tänzerinnen zumindest seit dem hg. Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0195, eindeutig beantwortet hat. Das Vorliegen eines ein Verschulden des Mitbeteiligten ausschließenden Umstandes hätte die belangte Behörde vielmehr nur auf Grund konkreter Feststellungen annehmen dürfen, welches Organ der zuständigen Behörde dem Mitbeteiligten oder seinen Vertretern über dessen Anfrage zu einem im erkennbaren zeitlichen Zusammenhang mit den von den betretenen Ausländerinnen erbrachten Tätigkeiten stehenden Zeitpunkt vor der Tat die mündliche Auskunft erteilt habe, Beschäftigungsbewilligungen seien in den konkreten Fällen nicht erforderlich. Die kursorische Feststellung, "gleich lautende Auskünfte" seien dem Mitbeteiligten "in der Zwischenzeit" erteilt worden, ist nicht ausreichend, einen das Verschulden des Mitbeteiligten ausschließenden Umstand anzunehmen.

Auf die erst nach dem Tatzeitpunkt im August 2001 erteilte Auskunft der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien, die - wie schon das Schreiben des Landesarbeitsamtes aus dem Jahre 1992 - nicht an den Mitbeteiligten gerichtet war und daher keine konkrete Anfrage ihn betreffend beantwortete, kann sich der Mitbeteiligte zur Dartuung seines mangelnden Verschuldens zur Tatzeit nicht mit Erfolg berufen.

Da die belangte Behörde sohin wesentliche Feststellungen unterließ, erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit b und c VwGG aufzuheben war.

Wien, am 25. Februar 2005

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