VwGH 2003/06/0173

VwGH2003/06/017330.3.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. des KS, 2. der MS und 3. der AS, alle in K, alle vertreten durch Rechtsanwälte Brüggl & Harasser OEG in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. September 2003, Zl. Ve1-550-3129/1-5 vA, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister, 2. A Ges.m.b.H. in K, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Dr. Markus Orgler und Mag. Norbert Huber, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf Pichler Platz 4/II), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §25;
BauRallg;
ROG Tir 2001 §60 Abs2;
BauO Tir 2001 §25;
BauRallg;
ROG Tir 2001 §60 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der zweitmitbeteiligten Partei insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte kann auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2003/06/0018-9, verwiesen werden. Zentraler Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens war die Abweisung des Devolutionsantrages, den die Beschwerdeführer in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Baubewilligungsverfahren der Zweitmitbeteiligten gestellt haben.

Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens war der Antrag der Zweitmitbeteiligten auf Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Zu-, Auf- und Umbaues des auf dem Grundstück Nr. 140/2, KG K, gelegenen Hotelgebäudes der Zweitmitbeteiligten. Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben betrifft zum Einen auf der dem Grundstück der Beschwerdeführer abgewandten Seite des Baugrundstückes einen Anbau im Ausmaß von 15,43 m bzw. 7,77 m x 19,40 m (bestehend aus Keller, Erd- und drei Obergeschoßen). Auf der an das Gebäude der Beschwerdeführer anschließenden Front des verfahrensgegenständlichen Gebäudes war in den ursprünglich eingereichten Plänen eine Erhöhung betreffend den Dachgeschossbereich (über dem 3. Obergeschoss des Altbestandes) um 2 m vorgesehen. Noch im erstinstanzlichen Verfahren wurde auf Grund der Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend die Gebäudehöhe diese geplante Erhöhung an der Grundstücksgrenze fallengelassen und erst ca. 8 m zurückgesetzt vorgenommen (Tektur zur Einreichplanung vom Dezember 2001). In dieser Form wurde das Bauvorhaben vom Bürgermeister bewilligt. Im Berufungsverfahren, in dem die Beschwerdeführer im Hinblick auf das von ihrer Grundstücksgrenze zurückgesetzte Dachgeschoss die Einhaltung der im Bebauungsplan vorgesehenen geschlossenen Bauweise monierten und einen entsprechenden Aufbau an der Grundstücksgrenze verlangten, änderte die Zweitmitbeteiligte ihr Bauvorhaben neuerlich dahingehend, dass - wie ursprünglich eingereicht - wieder eine Erhöhung des Gebäudes an der Grundgrenze zu dem Grundstück der Beschwerdeführer um ca. 2 m vorgesehen wurde. Das bestehende Hotelgebäude der Zweitmitbeteiligten ist an der Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführer hin im Ausmaß von ca. 16 m an das Gebäude der Beschwerdeführer im Sinne einer geschlossenen Bebauung angebaut. In der Fortsetzung in den hinteren Grundstücksbereich sind beide Gebäude in einer Länge von 5,55 m bzw. 5 m parallel zur Grundgrenze in einem Abstand von 4 m bzw. 4,2 m errichtet.

Mit dem im ersten Rechtsgang ergangenen Vorstellungsbescheid vom 3. Dezember 2002 gab die belangte Behörde einerseits der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. September 2002, mit dem die von der Zweitmitbeteiligten beantragte Baubewilligung erteilt worden war, Folge, behob den bekämpften Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Andererseits wies sie die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den den Devolutionsantrag abweisenden Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Oktober 2002 als unbegründet ab.

Die gegen den abweisenden Teil des Vorstellungsbescheides der belangten Behörde vom 3. Dezember 2003 beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2003/03/0018, als unbegründet abgewiesen.

Im Baubewilligungsverfahren entschied der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde in der Folge mit Bescheid vom 26. Februar 2003 über die Berufung der Beschwerdeführer neuerlich wie folgt:

"Den vorgebrachten Einwendungen wurde im ergänzenden Ermittlungsverfahren teilweise Rechnung getragen, im Übrigen wird die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 i. d.g.F. in Zusammenhang mit den Bestimmungen der §§ 6 und 7 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94/2001, und der §§ 54 ff des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001, LGBl. 93/2001, als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Hinsichtlich der Abänderungen gegenüber der Genehmigung vom 31. Jänner 2002, Zahl: ... wird die baubehördliche Genehmigung gemäß § 26 Abs. 6 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94/2001, erteilt.

Alle Vorschreibungen, Bedingungen und Auflagen des Bewilligungsbescheides vom 31. Jänner 2001, Zahl: ..., bleiben im vollen Umfang aufrecht."

Zu dem Satz im Spruch, dass den Einwendungen der Beschwerdeführer im ergänzenden Ermittlungsverfahren teilweise Rechnung getragen worden sei, ergibt sich in der Begründung dieses Bescheides, dass die Beschwerdeführer u.a. eingewendet hätten, dass der vorliegende Bebauungsplan eine geschlossene Bauweise vorsehe. Es müsste also "ein Aufbau an der gemeinsamen Grundgrenze vorgenommen werden". Die bisher vorliegenden Tekturpläne hätten ein Zurücksetzen des Stockwerks auf dem Hauptgebäude vorgesehen, was dem Bebauungsplan widerspreche. Die Berufungsbehörde führte dazu aus, dass auf Grund der Berufung eine Tekturplanung von der Zweitmitbeteiligten vorgelegt worden sei, die eine Abänderung im Dachgeschoß und eine geschlossene Bauweise im Bereich der Grenze zum Grundstück der Beschwerdeführer Nr. 141/1, KG K vorsehe.

In der Vorstellung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Begründung des Berufungsbescheides im Beschluss des Gemeinderates vom 24. Februar 2003 keine Deckung finde, dass der Spruch des Berufungsbescheides mit einer als Rechtswidrigkeit zu qualifizierenden Widersprüchlichkeit belastet sei, das Bauvorhaben gegen den Bebauungsplan verstoße, weil nach der Definition in § 62 Abs. 3 TROG 2001 "eindeutig" fünf Vollgeschosse vorlägen und dass Bebauungsplan wie Flächenwidmungsplan gesetzwidrig seien.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In dieser Entscheidung wurde - soweit es beschwerderelevant ist - ausgeführt, zum Vorbringen, die Begründung des Berufungsbescheides sei keiner Beschlussfassung durch den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde unterzogen worden, werde festgehalten, dass es sich dabei um eine bloße Behauptung handle, für deren Richtigkeit keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Es erübrige sich daher ein weiteres Eingehen auf dieses Vorbringen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer machen geltend, es stehe ihnen ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf Einhaltung der Bauweise, die der Bebauungsplan festlege, zu. Der angefochtene Bescheid habe den allgemeinen und den ergänzenden Bebauungsplan des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 9. August 2001 zur Grundlage. Dieser Bebauungsplan lege für das Baugrundstück eine geschlossene Bauweise fest. Gemäß § 60 Abs. 2 Tir. Raumordnungsgesetz 2001 (TROG 2001) seien die Gebäude bei geschlossener Bauweise, soweit keine Baugrenzlinien festgelegt seien, an den an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen. Das bedeute, dass das Gebäude auf der gesamten Länge der gemeinsamen Grundstücke zusammenzubauen sei. Vorliegendenfalls werde mit der beabsichtigten Baumaßnahme keinesfalls die gesamte Länge der gemeinsamen Grundgrenze bebaut, sodass die Baumaßnahme im Widerspruch zu der im Bebauungsplan festgelegten geschlossenen Bauweise stehe. Schon durch den gegebenen Baubestand (Altbestand) sei nicht die gesamte gemeinsame Grundgrenze betreffend die beiden Grundstücke bebaut worden. Es solle nunmehr das bestehende Gebäude um ein weiteres Geschoß erhöht werden. Von einer Baumaßnahme entlang der gesamten Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze könne keine Rede sein.

Zunächst ist zu diesem Vorbringen der Beschwerdeführer, es müsse entsprechend der vorgesehenen geschlossenen Bauweise eine Verbauung der gesamten Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgenommen werden, festzustellen, dass es sich dabei um ein erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstattetes Vorbringen handelt, das schon im Hinblick auf das vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot keine Berücksichtigung mehr finden kann (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1999, Zl. 95/05/0242). Im Verwaltungsverfahren hatten die Beschwerdeführer in der Berufung in Bezug auf das ursprünglich vorgesehene an ihrer Grundstücksgrenze zurückgesetzte Dachgeschoss betreffend die Bauweise - wie bereits erwähnt - gerügt, es müsse im Sinne der angeordneten geschlossenen Bauweise ein "Aufbau an der gemeinsamen Grundgrenze" erfolgen. Einen Aufbau kann es aber immer nur auf einem bestehenden Gebäude oder einer bestehenden baulichen Anlage geben. Nur insoweit war ein Vorbringen betreffend die Einhaltung der geschlossenen Bauweise von den Beschwerdeführern im Verwaltungsverfahren (konkret in der Berufung) erhoben worden.

Abgesehen davon käme diesem Vorbringen aber auch keine inhaltliche Relevanz zu.

Gemäß § 59 Abs. 1 Tir. RaumordnungsG 2001, LGBl. Nr. 93 (TROG 2001), sind Baufluchtlinien straßenseitig gelegene Linien, durch die der Abstand baulicher Anlagen von den Straßen bestimmt wird.

§ 60 Abs. 2 TROG 2001 ordnet an, dass bei geschlossener Bauweise die Gebäude, soweit keine Baugrenzlinien festgelegt sind, an den an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen zusammenzubauen sind. Gegenüber den anderen Grundstücksgrenzen sind die Gebäude freistehend anzuordnen.

Aus § 60 Abs. 2 TROG 2001 kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgeleitet werden, dass sich daraus für den Grundstückseigentümer eine Verpflichtung ergäbe, die an die Baufluchtlinie anstoßenden Grundstücksgrenzen bis zu dem Abstand, der zur hinteren Grundstücksgrenze einzuhalten ist, zu verbauen.

Die Beschwerdeführer meinen weiters unter Berücksichtigung des Tekturplanes 3 handle es sich beim vorliegenden Projekt um eine sogenannte gekuppelte Bauweise, zumal nicht die gesamte Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze verbaut werden soll.

Dem genügt es entgegen zu halten, dass im vorliegenden Fall nach dem anzuwendenden Bebauungsplan die geschlossene Bauweise vorgesehen ist.

Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer schützt die Anordnung einer geschlossenen Bauweise den unmittelbar seitlich anrainenden Nachbarn nicht davor, dass in Entsprechung der Anordnung der geschlossenen Bauweise im Falle einer zulässigen Aufstockung oder Erhöhung des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück die Gebäudefront des Nachbargebäudes entlang der Grundgrenze über die Höhe seines Gebäudes hinaus errichtet wird.

Weiters rügen die Beschwerdeführer, dass sie in ihrer Vorstellung vom 14. März 2003 geltend gemacht hätten, dass die Begründung des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 26. Februar 2003 im Beschluss des Gemeindevorstandes vom 24. Februar 2003 keine Deckung finde. Zum Beweis dafür sei die Beischaffung des Gemeindevorstandsprotokolls sowie die Einvernahme des Zeugen P.K. beantragt worden. Die belangte Behörde habe zu diesem Einwand lediglich ausgeführt, dass es sich dabei um eine bloße Behauptung handle, für deren Richtigkeit keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Diese Vorgangsweise der belangten Behörde sei rechtswidrig. Die Beschwerdeführer hätten für ihre Behauptungen ein eindeutiges Beweisanbot gestellt und die belangte Behörde habe unzulässigerweise diese Beweise nicht aufgenommen. Es lägen für die belangte Behörde keinerlei objektive Anhaltspunkte vor, wonach die Behauptung der Beschwerdeführer unrichtig sein sollte.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich aus dem Protokoll der Sitzung des Gemeindevorstandes vom 24. Februar 2003 ergibt, dass nicht nur die Grundzüge der Begründung (vgl. das Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 95/05/0186), sondern die gesamte Begründung des Berufungsbescheides der Beschlussfassung des Gemeindevorstandes zu Grunde lagen. Der geltend gemachte Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides ist daher jedenfalls nicht wesentlich.

Die Beschwerdeführer meinen weiters, die belangte Behörde hätte sich nicht mit dem Einwand auseinander gesetzt, dass das eingereichte Projekt mit der im Bebauungsplan festgelegten Bauweise im Widerspruch stehe.

Dem ist zu erwidern, dass die Beschwerdeführer in der Vorstellung ein derartiges Vorbringen nicht vorgetragen haben. In der Vorstellung wurde allein ein Widerspruch zum Bebauungsplan im Hinblick auf die Anzahl der Geschosse geltend gemacht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2005

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