VwGH 2003/05/0237

VwGH2003/05/023728.6.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des Vereines S.C. RAG XX in Wien, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. September 2003, Zl. BOB-XXI- 6/02, betreffend Gehsteigherstellung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1466;
ABGB §435;
BauO Wr §54 Abs5;
BauRallg;
ABGB §1466;
ABGB §435;
BauO Wr §54 Abs5;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 2. August 2001 wurde gemäß § 54 Abs. 5 der Bauordnung für Wien (BO) ausgesprochen, dass die Gehsteigherstellung aus verkehrs- und bautechnischen Gründen im Auftrag der Stadt Wien zu Lasten des Beschwerdeführers als Eigentümer der Baulichkeiten auf einer näher genannten Liegenschaft erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er insbesondere bestritt, Eigentümer der gegenständlichen Baulichkeiten zu sein.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben, der Spruch des Bescheides aber dahingehend abgeändert, dass aus verkehrs- und bautechnischen Gründen gemäß § 54 Abs. 5 BO bestimmt wird, dass der Gehsteig, der auf Grund der Baubewilligung vom 5. Dezember 1966 vom Eigentümer der bewilligten Bauten herzustellen ist, von der Stadt Wien zu Lasten des Eigentümers dieser Bauten, welche sich auf der Liegenschaft P-Gasse 1 befinden, hergestellt wird. In der Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, dass der S.-GmbH mit Bescheid vom 5. Dezember 1966 eine nachträgliche Baubewilligung gemäß § 71 BO für ein ebenerdiges, nicht unterkellertes, gemauertes Gebäude, enthaltend Garderoben, Wasch- und Abortanlagen sowie eine Kleinwohnung, für einen Holzschuppen sowie für ein ebenerdiges, teilweise hölzernes, teilweise gemauertes Gebäude, enthaltend eine Abortanlage, einen Hunderaum und einen Aufenthaltsraum für Besucher, erteilt worden sei. Zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Baubewilligung sei die Widmung Grünland, Erholungsgebiet-Sportanlage festgesetzt gewesen. Gemäß § 54 Abs. 1 und 8 BO idF LGBl. Nr. 10/1964 sei für die so bewilligte Bauführung die Verpflichtung zur Errichtung eines Gehsteiges eingetreten, wie dies auch im Baubewilligungsbescheid vom 5. Dezember 1966 unter Punkt 3. der Vorschreibungen festgehalten worden sei. Diese Verpflichtung bestehe auch noch nach der nunmehr geltenden Rechtslage. Der Verpflichtung zur Gehsteigherstellung sei der Eigentümer dieser Bauten bisher nicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer sei Pächter der Liegenschaft. Im Grundbuch seien bei den gegenständlichen Grundstücken keine Superädifikate ausgewiesen. Dies sage aber nichts darüber aus, ob die mit Bescheid von 1966 bewilligten Bauten Superädifikate sind. Der erstmalige Eigentumserwerb an Superädifikaten bedürfe keiner Urkundenhinterlegung. Die Übertragung von Rechten an Superädifikaten bedürfe hingegen einer solchen. Der Eigentumserwerb an Superädifikaten könne aber auch ohne Urkundenhinterlegung im Wege der Ersitzung erfolgen. Auf Grund der vorgelegten Pachtverträge sei davon auszugehen, dass die gegenständlichen Baulichkeiten zwischen dem Abschluss der Bestandverträge vom 18. Februar 1947 und vom 14. Februar 1963 errichtet worden seien, und zwar im Auftrag der (damaligen) Bestandnehmerin auf Basis des Bestandvertrages vom 18. Februar 1947, die auch als Bauwerberin im Bauakt aufscheine. Aus dem Bestandvertrag vom 18. Februar 1947 ergebe sich eindeutig, dass von der (damaligen) Bestandnehmerin errichtete Überbauten in deren Eigentum verblieben und nach Beendigung des Bestandverhältnisses auf Verlagen der Vermieterin zu beseitigen seien. Die "Vorgängerin" des Beschwerdeführers sei somit Eigentümerin der Baulichkeiten gewesen. Das Eigentum daran sei an den Beschwerdeführer übertragen worden, wie sich dies auch aus Punkt 3. des ersten Nachtrages vom 14. August 1967 zum Bestandvertrag vom 14. Februar 1963 ergebe, welcher wie folgt gelautet habe:

"Auf Grund des obzitierten Schreibens der Firma S.-Ges.m.b.H. wird festgehalten, daß sämtliche auf der Bestandfläche befindlichen Anlagen (Überbauwerke und sonstige Einrichtungen) im Eigentum des Sportklubs Donaustadt-RAG stehen."

Der Beschwerdeführer sei somit seit August 1967 "(außerbücherlicher)" Eigentümer der mit Bescheid vom 5. Dezember 1966 bewilligten Baulichkeiten und als solcher gemäß § 54 BO zur Errichtung eines Gehsteiges verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, er erfülle weder die Voraussetzungen für den originären noch jene für den derivativen Eigentumserwerb. Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides habe das Eigentumsrecht an den Superädifikaten nur durch die S.-GmbH originär erworben werden können. Weitere Übertragungen dieses Eigentumsrechts auf die Folgebestandnehmer seien schon deshalb ausgeschlossen, weil die dafür erforderliche Urkundenhinterlegung beim zuständigen Grundbuchsgericht fehle.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass eine Verpflichtung zur Gehsteigherstellung besteht, welche bisher nicht erfüllt worden ist. Die Verpflichtung zur Herstellung des Gehsteiges haftet am Bau selbst. Sie trifft den Eigentümer dieses Baues und dessen Rechtsnachfolger im Eigentum, ohne dass es hiezu einer Eintragung der Verpflichtung in das Grundbuch bedarf (vgl. die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 4. Auflage, S. 360 unter Z 3 und S. 365 unter Z 40 zitierte hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 54 Abs. 5 BO kann die Behörde aus verkehrs- oder bautechnischen Gründen bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Herstellung des Gehsteiges durch den Verpflichteten bestimmen, dass der Gehsteig ganz oder teilweise von der Gemeinde selbst hergestellt wird. In diesem Fall ist der Verpflichtete verhalten, der Gemeinde die Kosten für die Herstellung des Gehsteiges zu ersetzen.

Der Beschwerdeführer ist nicht Grundeigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, sondern nur Bestandnehmer. Die belangte Behörde geht davon aus, dass es sich bei den gegenständlichen Baulichkeiten um Superädifikate handelt.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer bei der Errichtung der gegenständlichen Baulichkeiten nicht deren Eigentümer geworden ist. Dies bedeutet aber, dass er im weiteren Verlauf hätte daran Eigentum erwerben müssen, um nunmehr Verpflichteter zu sein.

Die belangte Behörde geht nicht von einem originären Eigentumserwerb durch den Beschwerdeführer aus. Wie sich aus der Begründung des in Beschwerde gezogenen Bescheides entnehmen lässt, nimmt die belangte Behörde auf Grund des oben zitierten Nachtrages vom 14. August 1967 zum Bestandvertrag vielmehr an, dass dem Beschwerdeführer das Eigentum übertragen worden ist, also ein derivativer Eigentumserwerb stattgefunden hat. Für einen solchen Eigentumserwerb an Superädifikaten bedarf es jedenfalls der Urkundenhinterlegung bei Gericht gemäß §§ 434 f ABGB. Eine solche ist nach den Feststellungen der belangten Behörde jedoch nicht erfolgt.

Im Übrigen trifft es zu, dass für einen originären Eigentumserwerb an bestehenden Superädifikaten keine Urkundenhinterlegung bei Gericht erforderlich ist. Ein solcher originärer Eigentumserwerb kommt auch durch Ersitzung in Frage (vgl. die bei Dittrich/Tades, ABGB I, 36. Auflage, S. 622 unter E 16 zu § 435 ABGB und S. 2620 unter E 1 zu § 1466 ABGB wiedergegebene zivilgerichtliche Judikatur), die bei Überbauten nach drei Jahren, und zwar auch ohne Urkundenhinterlegung bei Gericht (vgl. Spielbüchler in: Rummel, ABGB, 3. Auflage, Rz 1 zu § 435), bei rechtmäßigem, redlichem und echtem Besitz stattfindet.

Im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Nachtrag vom 14. August 1967 zum Bestandvertrag ist nach der Aktenlage zwar das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ersitzung der fraglichen Baulichkeiten im Sinne der §§ 1460 ff ABGB keineswegs auszuschließen. Auf einen diesbezüglichen Vorhalt durch den Verwaltungsgerichthof vom 13. Mai 2005 bestritt der Beschwerdeführer jedoch nicht nur, dass es sich um Superädifikate handle, sondern auch, dass er in der Ersitzungszeit qualifizierten Besitz gehabt habe. Er habe die Bauwerke niemals in der Meinung oder im Glauben besessen oder benützt, auch Eigentümer dieser Gebäude zu sein.

Dieser Äußerung des Beschwerdeführers kommt jedenfalls schon insofern Bedeutung zu, als nach der Aktenlage nicht geklärt ist, ob der Beschwerdeführer ident mit dem oder Rechtsnachfolger des im genannten Nachtrag angeführten "Sportklub Donaustadt-RAG" ist. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde dazu keine Ermittlungen angestellt und keine Feststellungen getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, wobei Aufwandersatz auf Grund des § 59 Abs. 1 VwGG nur im ausdrücklich beantragten Ausmaß zuzuerkennen war.

Wien, am 28. Juni 2005

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