VwGH 2003/04/0102

VwGH2003/04/01027.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des S in Ö, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Hauptplatz 36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 30. April 2003, GZ 319.140/4-I/9/03, betreffend Vorschreibung von Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 (mitbeteiligte Parteien: 1. F, 2. M und 3. A, alle in Ö), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;
AVG §52;
AVG §68 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Februar 1996 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Liezen (BH) dem Beschwerdeführer die gewerbebehördliche Genehmigung für die Änderung seines Gastgewerbebetriebes von der Betriebsart "Cafe" auf die Betriebsart "Cafe mit technischen Einrichtungen" in einem näher genannten Standort. Als Auflagenpunkt 21 schrieb die Behörde vor, die Musikanlage innerhalb der Betriebsanlage sei mit einer dauerhaft wirksamen Schallpegelbegrenzung auszustatten, sodass bei ihrem Betrieb der Rauminnenpegel im Gastraum des "Cafes" den energieäquivalenten Dauerschallpegel LA, eq von 85 dB sowie den Spitzenpegel LA, 01 von 91 dB nicht überschreite.

Mit elektronischem Schreiben (E-Mail) an die BH vom 2. November 2000 (eingelangt am 3. November 2000) stellte der Rechtsvertreter der Mitbeteiligen den Antrag, nachträglich zusätzliche Auflagen vorzuschreiben und erstattete "einerseits betreffend dieses Antrages und andererseits betreffend des laufenden Verfahrens, in dem am 6. November 2000 eine Verhandlung stattfindet" (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten gemeint: amtswegiges Verfahren zur lärmtechnischen Überprüfung der Musikanlage auf Grund von Beschwerden der Mitbeteiligten) ein ausführliches Vorbringen.

In der Augenscheinsverhandlung vom 6. November 2000 führte die BH in der gastgewerblichen Betriebsanlage des Beschwerdeführers eine lärmtechnische Überprüfung sowie "Verplombierung" der Musikanlage durch. Nach der Verhandlungsschrift wurde der im Bescheid der BH vom 15. Februar 1996 angeordnete Auflagenpunkt 21 überprüft und die Anlage vom lärmtechnischen Amtssachverständigen eingemessen. Die neuerliche Einmessung sei notwendig gewesen, weil der Innenraumpegel bei einer Kontrollmessung in der Nacht vom 19. auf den 20. August 2000 um 7 dB überschritten worden sei. Die Anlage sei am 11. September 2000 auf 85 dB "eingepegelt" worden. Dabei sei der Innenraumpegel auf 85 dB ohne Beurteilung der Impulshaltigkeit und Informationshaltigkeit festgelegt worden. Tonhaltigkeit und Informationshaltigkeit seien bei Musikkonserven gleichzusetzen. Die Kontrollmessung habe einen energieäquivalenten Dauerschallpegel von 85,6 dB ergeben. Der Spitzenpegel habe bei der Messung 91,6 dB betragen. Die Anlage sei "schlussendlich" unter Berücksichtigung des "Störgrades von 5 dB laut ÖAL" eingemessen und der "Limiter" mit 3 Amtssiegeln bruchsicher versehen worden. Die Kontrollmessung nach Versiegelung habe als energieäquivalenten Dauerschallpegel 80,4 dB ergeben.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2001 teilte die BH den Mitbeteiligten zu ihrem Antrag auf Vorschreibung weiterer Auflagen vom 2. November 2000 mit, nach der gewerbebehördlichen Überprüfung und auf Grund der Einmessung der Musikanlage am 6. November 2000 könnten die gewerbebehördlichen Vorschreibungen des Genehmigungsbescheides nunmehr vollständig eingehalten werden. Es sei somit gewährleistet, dass aus den Betriebsräumen des Gastgewerbebetriebes des Beschwerdeführers keine unzumutbaren Belästigungen, Gefährdungen oder Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft mehr ausgingen. Ein bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag der Mitbeteiligten erging nicht.

Mit gleich lautenden Anträgen vom 21. Mai 2001 begehrten die Mitbeteiligten den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Antrag vom 2. November 2000 auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde.

Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 änderte der Landeshauptmann von Steiermark den Auflagenpunkt 21 des Bescheides der BH vom 15. Februar 1996 gemäß den §§ 79, 79a, 74 Abs. 2 GewO 1994 und § 73 AVG wie folgt ab:

"Alle Musikwiedergabegeräte im Bereich der gastgewerblichen Betriebsanlage sind mit einem dauerhaft wirksamen Schallpegelbegrenzer auszustatten, welcher sicherstellt, dass bei Betrieb der Musikanlage der Rauminnenpegel im Gastraum einen energieäquivalenten Dauerschallpegel LA, eq von 85 dB sowie einen Spitzenpegel LA, 01 von 91 dB nicht überschreitet."

Nach Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens, insbesondere des Antrages der Mitbeteiligten vom 2. November 2000 sowie der Ergebnisse der Verhandlung vor der BH vom 6. November 2000, gab die Behörde zunächst die Ausführungen des Amtssachverständigen für Lärmschutztechnik Ing. W. in der Verhandlung vom 11. Oktober 2001 (auszugsweise) wie folgt wieder:

"Gegenstand der schalltechnischen Beurteilung sind Lärmimmissionen, die durch den Betrieb der gegenständlichen Anlage in der Nachbarschaft trotz Einhaltung der gewerbebehördlich vorgeschriebenen und im Genehmigungsbescheid (der BH Liezen) ... vom 15. Februar 1996 befundmäßig dargestellten Betriebsanlage verursacht werden können.

...

Die Betriebsanlage ist im Befund des genannten Genehmigungsbescheides beschrieben und sind darin auch die für die Musikwiedergabe verwendeten Geräte bezeichnet. Beim heutigen Ortsaugenschein wurde zusätzlich eine SAT-Anlage vorgefunden, die über einen eigenen Verstärker unabhängig von der übrigen Musikanlage betrieben wird und nach Auskunft des Beschwerdeführers insbesondere für das Abspielen von Hintergrundmusik im Bereich der Theke verwendet wird. Diese Anlage ist nicht limitiert, es könnte auch eine direkte Verbindung mit der genehmigten Musikanlage geschaffen werden. In schalltechnischer Hinsicht besteht daher die Möglichkeit, dass in der gegenständlichen Anlage Musikwiedergabe mit einem höheren Schallpegel möglich ist, als dies im Genehmigungsbescheid beschrieben und limitiert ist.

Eine Berechnung der Lärmimmissionen mit Hilfe des obgenannten Rechenmodells auf Basis eines Innenraumpegels von rund 101 dB erreicht im Bereich der nächstgelegenen Fenster des Wohnhauses der

Mitbeteiligten einen Immissionswert von rund 42 dB. Da dieser Immissionswert stark informationshaltig ist, ist bei der Bildung des Beurteilungspegels dem berechneten Wert im Sinne der ÖNORM S 5004 ein Zuschlag von 5 dB hinzuzufügen, sodass als Beurteilungswert für die lautere Musik rund 47 dB anzunehmen sind. Bei Einhaltung des vorgegebenen Grenzwertes von 85 dB als energieäquivalenter Dauerschallpegel LA, eq ist jedoch gewährleistet, dass trotz Addition des Zuschlages für die Informationshaltigkeit ein Beurteilungswert vor dem Nachbarfenster von 36 dB eingehalten werden kann. Zusammen mit dem gemessenen Grundgeräuschpegel von 33 dB (siehe Geräuschmessbericht der ... (Baubezirksleitung) Liezen vom 24. August 2000) ergibt sich ein Summenpegel von 38 dB.

...

Die örtlichen Schallimmissionen vor dem Wohnhaus der Mitbeteiligten wurden am 19. August 2000 in der Zeit vom 22:50 bis 24:00 Uhr gemessen (Geräuschmessbericht der Baubezirksleitung vom 24. August 2000) und erreichten dabei den geringsten Grundgeräuschpegel von 33 dB und Dauerschallpegelwerte mit KFZ-Verkehr von 42 bis 51 dB, abhängig von der Frequenz der Fahrzeuge. Einzelne Schallpegelspitzen aus dem KFZ-Verkehr wurden mit 50 bis 75 dB gemessen.

Als Immissionsgrenzwert im Sinne der einschlägigen Richtlinien und Normen ist ein Wert anzunehmen, der maximal 10 dB über dem gemessenen Grundgeräuschpegel liegt. Dies bedeutet, dass vor dem Fenster des Nachbarwohnhauses ein Wert von 43 dB nicht überschritten werden sollte. Vergleicht man dazu den berechneten Beurteilungswert bei Einhaltung eines Innenraumpegels in der Anlage von 85 dB, so wird dieser Grenzwert nicht erreicht. Da es unter Hinweis auf den Ortsaugenschein durchaus möglich ist, über die zweite Verstärkeranlage lautere Musik zu spielen, wird schalltechnisch vorgeschlagen, die SAT-Anlage ebenfalls an der bescheidmäßig beschriebenen Verstärkeranlage zu betreiben.

...

Im Zuge des heutigen Ortsaugenscheins wurde mit einem

geeichten Messgerät ... der Innenraumpegel bei maximaler Leistung

der genehmigten Verstärkeranlage gemessen und dabei festgestellt, dass der vorgeschriebene Wert von 85 dB für LA, eq bzw. von 91 dB für Schallpegelspitzen eingehalten wird.

In den Einwendungen vom 2. November 2000 wird unter Punkt 7 ausgeführt, dass der Windfang trotz zweier Türen nicht den beabsichtigten Minderungswert bringt, da bei einem gleichzeitigen Betrieb und Verlassen von mehreren Personen beide Türen offen stehen können.

Dazu wird schalltechnisch ausgeführt, dass dieser Zustand des gleichzeitigen Offenstehens als Spitzenwertkriterium anzusehen ist. Aus dem heute gewonnenen Messwert im Bereich der Zugangstüre mit rund 79 dB errechnet sich vor dem Fenster des Wohnhauses der Mitbeteiligten eine Schallpegelspitze von 57 dB. Aus dem gemessenen Grundgeräuschpegel abgeleitet sollte ein Wert von 58 dB nicht überschritten werden. Dieser Grenzwert wird somit eingehalten."

Der medizinische Sachverständige führte in dieser Verhandlung im Wesentlichen aus, im gegenständlichen Fall werde durch den konsensmäßigen Betrieb der Grundgeräuschpegel von 33 dB um 5 dB auf 38 dB angehoben. Dies sei aus ärztlicher Sicht durchaus tolerierbar. Eine erhebliche Belästigung, eine Gesundheitsgefährdung oder eine Gesundheitsschädigung der Nachbarn sei durch Lärmeinwirkungen nicht zu erwarten.

In rechtlicher Hinsicht führte die Behörde aus, gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 seien andere oder zusätzliche Auflagen nur dann vorzuschreiben, wenn das Schutzinteresse der Nachbarn trotz Einhaltung der in den Genehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und der genehmigten Betriebsbeschreibung nicht hinreichend gewahrt werde. Mit dem Auflagenpunkt 21 des Bescheides der BH vom 15. Februar 1996 sei zur Hintanhaltung unzumutbarer, unter Umständen sogar gesundheitsgefährdender Lärmbeeinträchtigungen für die Nachbarn der gastgewerblichen Betriebsanlage eine Schallpegelbegrenzung für die im Bescheid beschriebene Musikanlage vorgeschrieben worden. Eine in der Betriebsanlage zusätzlich vorgefundene SAT-Anlage könne mit einem höheren Schallpegel als dies vorgeschrieben und zur Hintanhaltung von Gefährdungen und Beeinträchtigungen erforderlich sei betrieben werden. Daher sei der Auflagenpunkt 21 des Spruches des Bescheides der BH vom 15. Februar 1996 abzuändern gewesen.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung der Mitbeteiligten änderte die belangte Behörde diesen Bescheid mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 30. April 2003 durch Vorschreibung folgender zusätzlicher Auflagen ab:

"Die Fenster und die nach außen führenden Türen der Betriebsanlage sind so auszuführen, dass sie in geschlossenem Zustand ein Schalldämmmaß von mindestens 30 dB aufweisen. Auch die Zuluftöffnung ist so herzustellen bzw. mit einem Schalldämpfer zu versehen, dass auch diese Öffnung ein Einfügungsdämmmaß von mindestens 30 dB aufweist. Alle Bauteile müssen diesen Schalldämmmaß auch bei niedrigen Frequenzen (100 Hz) aufweisen.

Ein Windfang ist derart herzustellen (z.B. durch bauliche bzw. gemauerte Verlängerung nach außen hin), dass die beiden Türen des Windfanges zumindest 3 m von einander entfernt sind. Jede der beiden Windfangtüren hat ein Schalldämmmaß von mindestens 30 dB (bei niedrigen Frequenzen) aufzuweisen und ist mit einem leise schließenden Selbstschließer auszustatten, der in seiner Funktion nicht behindert werden darf. Die übrige Ausführung des Windfanges muss mit Bauteilen erfolgen, die ein Schalldämmmaß von mindestens 40 dB (bei niedrigen Frequenzen) aufweisen (z.B. 25 cm dicke Vollziegelwand/Rohbaudicke oder 18 cm dicke Stahlbetonplatten aus Kiesbeton). Der Innenraum des Windfanges wäre zur Gänze (d.h. auch der Boden) mit schallschluckendem Material (das allerdings nicht leicht entflammbar sein darf) auszukleiden."

In ihrer Begründung stützte sich die belangte Behörde auf das gewerbetechnische Gutachten des Amtssachverständigen Dr. L. beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, das wie folgt wiedergegeben wurde (Anmerkung: dieses Gutachten wurde - ebenso wie die dazu abgegebenen Stellungnahmen der Parteien des Verwaltungsverfahrens - von der belangten Behörde nicht vorgelegt):

"...

Aus schalltechnischer Sicht sind im vorliegenden Fall die Fenster, die Lüftungsöffnungen und die nach außen führenden Türen im Vergleich zur übrigen baulichen Konstruktion des Gebäudes als Schwachstellen anzusehen und daher bezüglich der Schallabstrahlung in erster Linie relevant.

Für den Fall, dass die Fenster und die nach außen führenden Türen geschlossen sind und ein Schalldämmmaß von mindestens 30 dB aufweisen und auch die Zuluftöffnung so hergestellt bzw. mit einem Schalldämpfer versehen wird, dass auch diese Öffnung ein Einfügungsdämmmaß von mindestens 30 dB aufweist (alle Bauteile müssen dieses Schalldämmmaß auch bei niedrigen Frequenzen (100 Hz) aufweisen), dann ergibt sich nach dem Berechnungsverfahren, das in ÖNORM S 5010 angegeben ist, vor dem Hause der Berufungswerber ein Schallpegel von etwa 34 dB bzw. von 39 dB, wenn man den in ÖNORM S 5010 empfohlenen Sicherheitszuschlag von 5 dB berücksichtigt. Die Berufungswerber begehren nun offensichtlich, dass dieser vom Störgeräusch hervorgerufene Wert zu dem von der Vorinstanz mit 33 dB vor dem Nachbargebäude ermittelten niedrigsten Grundgeräuschpegel schalltechnisch addiert wird. Dies ergibt den Wert von ca. 37 dB bzw. 40 dB inkl. Sicherheitszuschlag. In der Wohnung der Nachbarn sind bei geöffneten Fenstern auf Grund der dennoch gegebenen Abschirmwirkung von Fensteröffnungen um etwa 5 dB verringerte Werte zu erwarten (32 bzw. 35 dB inklusive Sicherheitszuschlag). Dies gilt für den Fall, dass das Gebäude der Berufungswerber über Wohn- bzw. Schlafräume verfügt, deren Fenster in Richtung Betriebsanlage weisen. Auf Grund der Rechnung ist somit zu erwarten, dass der von den Nachbarn verlangte Wert von 38 dB (schalltechnische Addition des energieäquivalenten Dauerschallpegels des aus dem Betriebsanlagengebäude dringenden Störgeräusches, d.h. Gästelärm und Geräusche der limitierten Musikwiedergabeanlage, und des niedrigsten von der Vorinstanz mit 33 dB angegebenen Umgebungsgeräusches) in den der Betriebsanlage zugewandten Räumlichkeiten der Berufungswerber nicht und vor den Fenstern der Berufungswerber im Freien nur geringfügig überschritten wird."

Zur Neugestaltung des Windfanges führte der Sachverständige aus:

"Durch diese Ausbildung des Windfanges werden die Zeitspannen, in denen beide Türen des Windfanges allenfalls gleichzeitig geöffnet sind, sehr stark reduziert und darüber hinaus wird auch für den Fall, dass beide Türen des Windfanges gleichzeitig geöffnet sind, der aus der Betriebsanlage ins Freie dringende Schall reduziert (Schallschluckung und Abschirmung)."

Diese Angaben hielt der Sachverstände mit Schreiben vom 24. Jänner 2003 im Hinblick auf im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahmen der Parteien des Verwaltungsverfahrens "vollinhaltlich aufrecht".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen begründend aus, bei Einhaltung der nunmehr vorgeschriebenen Auflagen sei mit keinerlei Beeinträchtigungen der Nachbarn mehr zu rechnen. Der Sachverständige habe ausgeführt, auf Grund der die Fenster und Türen betreffenden Vorschreibungen sei zu erwarten, dass der von den Nachbarn verlangte Wert von 38 dB in den der Betriebsanlage zugewandten Räumlichkeiten der Mitbeteiligten überhaupt nicht und vor ihren Fenstern im Freien, wenn überhaupt, dann nur geringfügig überschritten werde. Dies ergebe sich durch die nun vorgeschriebene Ausführung des Windfanges bei der Eingangstüre. Das von den Berufungswerbern geforderte Maß an Schallimmissionen (38 dB) der von der Gastgarten-Terrasse herrührenden Geräusche sei nur dann zu erreichen, wenn auch die Gastgarten-Terrasse eingehaust sei. Dies bewirke jedoch einen das Projekt völlig ändernden Zubau, bei dem die Eigenschaft das Gastgartens verloren ginge. Im Verfahren der Vorinstanzen seien die nächtlichen Geräusche aus dem Lokal als störend betrachtet worden. Die Notausgangstüre an der Südseite des Lokals sei nach dem seinerzeitig eingereichten Projekt nicht als primärer Lokalzugang gedacht. Sie solle als Notausgang zur Verfügung stehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte - wie bereits dargestellt, teils unvollständig - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die Mitbeteiligten erstatteten gleichfalls eine Gegenschrift und (unaufgefordert) eine weitere Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung der in Rede stehenden Auflagen bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er vor, die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit der Verhältnismäßigkeitsbestimmung des § 79 Abs. 1 GewO 1994 auseinander gesetzt. Danach dürfe die Behörde solche Auflagen nicht vorschreiben, die unverhältnismäßig seien, d.h. wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg stehe. Es fehlten Feststellungen über das Ausmaß, in dem mit der Erfüllung der jeweiligen Auflagen Schutz vor lärmbelästigenden Ereignissen erzielt werden könne. Es sei ein Vergleich mit den Feststellungen der Erstbehörde im Bescheid vom 29. Oktober 2001 notwendig, insbesondere dazu, in welchem Ausmaß (angegeben in dB) zusätzlicher Schutz durch die bauliche Verlängerung des Windfanges im Vergleich zum bereits existierenden Windfang erzielt werden könne und inwieweit die Adaptierung der Fenster und der nach außen führenden Türen sowie der Zuluftöffnung auf ein Schalldämmmaß von 30 dB zusätzlichen Schutz bringe.

Aus den Ausführungen des lärmtechnischen Sachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren ergebe sich, dass das gleichzeitige Offenstehen der Türen beim Windfang als "Spitzenwertkriterium" anzusehen sei und sich aus den Messwerten mit rund 79 dB im Bereich der Zugangstür vor dem Fenster des Wohnhauses der Mitbeteiligten eine Schallpegelspitze von 57 dB errechne. Der aus dem gemessenen Grundgeräuschpegel abgeleitete Grenzwert von 58 dB werde nicht überschritten. Welchen zusätzlichen Schutz die vorgeschriebene bauliche Veränderung des bereits existierenden Windfanges erreichen solle, habe der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige Dr. L. nicht dargelegt. Es stehe nicht fest, ob der durch das gleichzeitige Offenstehen der beiden Türen verursachte Lärm als Spitzenwert oder Dauerschall einzustufen sei. Aus rechtlicher Sicht müsse der Vorschreibung einer zusätzlichen Auflage ein bestimmter Zweck zu entnehmen sein. In der Realität sei der Abstand zwischen den beiden Türen des Windfanges nicht ausschlaggebend, weil bei gleichzeitigem Verlassen und Betreten des Lokals jeweils durch eine Person beide Türen auch bei einem Abstand von 3 m für kurze Zeit auf einmal offen stünden. Die Eignung der vorgeschriebenen Auflage "zur Reduktion der Zeitspannen", in der beide Türen offen stünden, werde angezweifelt.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die Ausführungen des Amtssachverständigen im Berufungsverfahren gründeten sich lediglich auf einer von ihm durchgeführten schalltechnischen Ausbreitungsrechnung bezüglich der im Gebäude der Betriebsanlage entstehenden Geräusche und der zu erwartenden Schallpegel. Der Umstand, dass an Ort und Stelle keine Messungen vorgenommen worden seien, begründe einen gravierenden Mangel des Ermittlungsverfahrens. Auch hätte es der Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Frage der Zumutbarkeit der Lärmbelästigung bedurft, weil die belangte Behörde im Berufungsverfahren von anderen Prämissen für die Lärmbelästigung ausgegangen sei.

Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994, BGBl. Nr. 194, lauten:

"§ 74. (1) ...

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des

Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub,

Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

...

§ 79. (1) Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

...

§ 79a. (1) Die Behörde hat ein Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 von Amts wegen oder nach Maßgabe des Abs. 2 auf Antrag des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie oder nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag eines Nachbarn einzuleiten.

(2) ...

(3) Der Nachbar muss in seinem Antrag gemäß Abs. 1 glaubhaft machen, dass er als Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist, und nachweisen, dass er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 war.

..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Schutz der Mitbeteiligten vor unzumutbaren Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen durch Lärmemissionen der vom Beschwerdeführer betriebenen gastgewerblichen Betriebsanlage könne nur durch die Vorschreibung weiterer Auflagen über das Schalldämmmaß der Fenster und der Zuluftöffnung der Betriebsanlage sowie über eine bauliche Verlängerung des bestehenden Windfangs erreicht werden.

§ 79 Abs. 1 GewO 1994 ermächtigt die Behörde, rechtskräftige Bescheide betreffend die Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage durch Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen insofern abzuändern, als mit den bereits vorgeschriebenen Auflagen nicht das Auslangen gefunden werden kann, um die im § 74 Abs. 2 leg. cit. genannten Interessen hinreichend zu schützen, es daher der Vorschreibung dieser anderen oder zusätzlichen Auflagen bedarf, um den genannten Interessen einen ihnen durch den Genehmigungsbescheid nicht gewährleisteten Schutz zu vermitteln.

Wie sich aus der Bezugnahme auf § 74 Abs. 2 GewO 1994 ergibt, unterliegt die Beurteilung im Verfahren nach § 79 leg. cit. in dieser Hinsicht keinen anderen Voraussetzungen als im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage. Die Behörde hat daher die Auswirkungen der Betriebsanlage auf die Nachbarschaft zu beurteilen und zu prüfen, welche - anderen oder zusätzlichen - Auflagen erforderlich sind, um Gefährdungen oder - im Rahmen des § 79 Abs. 2 GewO 1994 - unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn hintanzuhalten.

Dabei ist nur der konsensmäßige Betrieb einer Betriebsanlage einer Regelung nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 zugänglich. Diese Bestimmung bietet keine Grundlage dafür, den von einem Genehmigungsbescheid nicht gedeckten Betrieb einer Betriebsanlage zu regeln (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2001/04/0094, mwH).

Die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 setzt voraus, dass bei Einhaltung der bereits vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht in ausreichendem Maß gesichert sind. Um beurteilen zu können, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es entsprechender, in der Regel unter Beiziehung eines Sachverständigen zu treffender Feststellungen, ob und welche Gefahren, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen drohen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/04/0028). Ist eine Messung der von der Betriebsanlage ausgehenden Immissionen möglich, ist eine solche vorzunehmen und die bloße Schätzung bzw. Berechnung dieser Immissionen auf Grund der Projektsunterlagen unzulässig (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 17. April 1998, Zl. 96/04/0269).

Sowohl der Bescheid der BH vom 15. Februar 1996 über die Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage als auch der im Devolutionsweg ergangene Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. Oktober 2001 gehen übereinstimmend auf Grund von Sachverständigenangaben davon aus, dass bei einem (durch eine wirksame Schallpegelbegrenzung sichergestellten) Innenraumpegel von ca. 80 dB, der auf Grund Tonhaltigkeit für die weitere Beurteilung um 5 dB rechnerisch zu erhöhen sei, und einem Spitzenpegel von ca. 91 dB, ein (Belästigungen oder Gesundheitsgefährdungen ausschließender) Immissionspegel von 36 dB vor den Nachbarfenstern eingehalten werden könne. Zuzüglich des bestehenden Grundgeräuschpegels von 33 dB ergebe sich eine Erhöhung um 5 dB auf einen Summenpegel von 38 dB.

Im Verfahren vor dem Landeshauptmann hat der lärmtechnische Sachverständige Ing. W. in der Augenscheinsverhandlung im Bereich des Windfangs bei geöffneten Zugangstüren einen Schallpegel von 79 dB gemessen, der sich "vor dem Fenster des Wohnhauses" der Mitbeteiligten mit 57 dB niederschlage. Dieser "Zustand des gleichzeitigen Offenstehens" sei als "Spitzenwertkriterium" anzusehen und überschreite den (aus dem Grundgeräuschpegel abgeleiteten) Grenzwert von 58 dB nicht. Die durch die vorgeschriebene Auflage erreichte höhere "Schallschluckung durch Abschirmung", die aber einen beträchtlichen Umbau des Windfangs zur Folge habe, erscheine vor diesen Messwerten zum Schutz der Nachbarn nach Auffassung des lärmtechnischen Sachverständigen nicht notwendig.

Die belangte Behörde hat demgegenüber auch bei konsensgemäßem Betrieb die Vorschreibung neuer Auflagen für erforderlich erachtet. Nachvollziehbare Darlegungen, inwieweit durch die bereits bestehenden Auflagen die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht ausreichend geschützt sind, sind allerdings dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen. Soweit nach den Ausführungen des Amtssachverständigen Dr. L. die Fenster, die Lüftungsöffnung und die nach außen führenden Türen als die relevanten "Schwachstellen" für entstehende Lärmemissionen anzusehen seien, ergibt sich vor dem Hintergrund der Messungen und der Gutachten der übrigen Sachverständigen noch nicht, dass die Nachbarn dadurch unzumutbaren Lärmimmissionen von der Betriebsanlage des Beschwerdeführers ausgesetzt wären.

Mangels entsprechender Feststellungen, die eine Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit weiterer Auflagen zum Schutz der Nachbarn ermöglichen, ist der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit gehindert, weshalb er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b aufzuheben war.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand zu nehmen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 7. November 2005

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