VwGH 2002/15/0208

VwGH2002/15/020823.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der B in H, vertreten durch Dr. Walter Geißelmann und Dr. Günther Tarabochia, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 19. November 2002, GZ. RV 927/1-V5/02, betreffend Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §212 Abs1;
BAO §230 Abs3;
FinStrG §29 Abs2;
BAO §212 Abs1;
BAO §230 Abs3;
FinStrG §29 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, im Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz sei die Beschwerdeführerin für schuldig befunden worden, in den Monaten März bis September 2001 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Juli 2001 in Höhe von insgesamt S 176.864,-- (EUR 12.853,20) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten zu haben. Sie sei deshalb wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe in Höhe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin habe zu Beginn einer Betriebsprüfung mündlich Selbstanzeige erstattet, wonach für den Zeitraum Jänner bis Juli 2001 die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer im Ausmaß von S 176.864,-- nicht zu den jeweiligen Fälligkeitstagen entrichtet worden seien. Die Umsatzsteuervorauszahlungsbeträge seien mit Festsetzungsbescheid vom 16. Jänner 2002 vorgeschrieben und eine gesetzliche Nachfrist zur Entrichtung bis 25. Februar 2002 gewährt worden. Ein am 14. Februar 2002 eingebrachtes Ansuchen um Teilzahlung sei mit Bescheid vom 15. Februar 2002 unter Setzung einer Nachfrist bis 22. März 2002 abgewiesen worden. Bis zum 22. März 2002 sei keine Entrichtung des laut Selbstanzeige geschuldeten Betrages erfolgt, sodass die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige verwirkt worden sei. Wenn "nunmehr eingeräumt werde", dass die Beschwerdeführerin den Abweisungsbescheid betreffend Zahlungserleichterung nicht erhalten habe, "erscheine dies wenig glaubhaft". Aber selbst wenn der Bescheid über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens vom 15. Februar 2002 die Beschwerdeführerin tatsächlich "nicht erreicht hätte, vermöge dies an der Verwirkung der Selbstanzeige nichts zu ändern". Auch wenn nicht über das Ansuchen abgesprochen worden wäre, wäre die Beschwerdeführerin gehalten gewesen, zu dem angebotenen Ratenzahlungstermin 25. Februar 2002 die erste Rate (EUR 8.217,31) zu entrichten. Da dieser selbst genannte Termin ebenfalls nicht eingehalten worden sei, sondern erst am 19. April 2002 der Gesamtbetrag zur Einzahlung gekommen sei, sei aus diesem Grunde "die Selbstanzeige verwirkt" worden.

In der Berufung habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie habe bereits bei der Einvernahme am 16. Mai 2002 zugegeben, die Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Juli 2001 nicht ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Dies habe sie unter Angabe der Bemessungsgrundlagen der geschuldeten Beträge dem Betriebsprüfer vor Beginn der abgabenbehördlichen Prüfung mitgeteilt. Entscheidend für die Straffreiheit sei daher, ob der geschuldete Betrag in Höhe von EUR 12.853,20 den Abgabenvorschriften entsprechend entrichtet worden sei. Die zunächst vorgeschriebene Zahlungsfrist bis zum 25. Februar 2002 sei durch das Zahlungserleichterungsansuchen vom 14. Februar 2002 außer Kraft gesetzt worden. Einen Bescheid darüber oder eine anders lautende Zahlungsvorschrift habe die Beschwerdeführerin nie erhalten. Von einer Fristsetzung bis 22. März 2002 habe sie erst anlässlich ihrer Einvernahme am 16. Mai 2002 und "von der für die Straffreiheit allein entscheidenden Bedeutung dieses Termines" erst aus der Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfahren. Der Vorwurf, die Beschwerdeführerin hätte jedenfalls den nach ihrem Tilgungsplan zu zahlenden Teilbetrag entrichten müssen, gehe ins Leere, weil eine diesbezügliche gesetzliche Bestimmung nicht bestehe und sie daher guten Glaubens die Entscheidung der Finanzbehörde (die dann nicht eingetroffen sei) habe abwarten dürfen. Die Beschwerdeführerin sei aber immer bemüht gewesen, die erforderlichen Mittel aufzubringen und dies sei ihr bei Einlangen der Buchungsmitteilung Nr. 6 vom 15. April 2002 (eingelangt am 17. April 2002) gelungen, worauf sie unverzüglich den gesamten aushaftenden Rückstand von EUR 19.691,10 beglichen habe. Zustellmängel im Postverkehr seien keine Seltenheit. Wegen des Fehlens nennenswerter Gewinne, der die Beschwerdeführerin treffenden Unterhaltslasten und der schlechten Zahlungsmoral von Kunden sei die Beschwerdeführerin "zur minutiösen Zahlung" der Umsatzsteuer nicht in der Lage gewesen.

Es stehe - so die belangte Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - fest, dass von der Beschwerdeführerin zu Beginn der Betriebsprüfung im Jahr 2001 rechtzeitig Selbstanzeige erstattet worden sei. In weiterer Folge seien die Abgaben mit Festsetzungsbescheid vom 16. Jänner 2002 mit einer gesetzlichen Nachfrist bis 25. Februar 2002 vorgeschrieben worden. Am 14. Februar 2002 habe die Beschwerdeführerin ein Teilzahlungsansuchen beim Finanzamt eingebracht. Der Teilzahlungsvorschlag habe auf EUR 8.217,31 bis zum 25. Februar 2002, EUR 5.000,-- bis zum 30. April 2002 und EUR 5.000,-- bis zum 30. Juni 2002 gelautet. Mit Bescheid des Finanzamtes vom 15. Februar 2002 sei das Ansuchen unter Setzung einer Nachfrist bis 22. März 2002 abgewiesen worden. "Abzuklären" bleibe, ob der Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung zukomme. Wenn von der Beschwerdeführerin vorgebracht werde, dass sie den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom 15. Februar 2002 nicht erhalten habe, so könne diese angebliche Nichtzustellung der Berufung "hinsichtlich der Schuldfrage zu keinem Erfolg" verhelfen. Die Beschwerdeführerin, welche im Laufe der Jahre bereits fünf strafbefreiende Selbstanzeigen erstattet habe, habe in ihrem Teilzahlungsansuchen den 25. Februar 2002 als ersten Zahlungstermin genannt. Es habe ihr somit auch ohne Erhalt eines über ihr Ansuchen absprechenden Bescheides bewusst sein müssen, dass sie, "wenn sie schon die erste Fristsetzung zur Entrichtung des Gesamtbetrages bis 25. Februar 2002 versäumt, zumindest zu dem von ihr vorgeschlagenen Teilzahlungstermin am 25. Februar 2002 den Teilzahlungsbetrag in Höhe von EUR 8.217,31 zu entrichten hat, ansonsten ihre Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung entfalten konnte." Das Vorbringen, es sei von der Beschwerdeführerin der über ihr Ansuchen absprechende Bescheid abgewartet worden, sei "schlichtweg völlig unglaubwürdig" und habe die Beschwerdeführerin "die Steuerschuld am 19. April 2002 - auch bei Annahme der Nichtzustellung eines über das Teilzahlungsansuchen absprechenden Bescheides - im vollen Bewusstsein ihrer längst überfälligen Zahlungsverpflichtung bzw. ihrer Nichttermineinhaltung die Selbstanzeige betreffend zur Einzahlung gebracht". Daraus ziehe die belangte Behörde den Schluss, dass es der Beschwerdeführerin "eben erst zu diesem Zeitpunkt finanziell möglich war, die fälligen Steuerschulden tatsächlich zu begleichen und sie deshalb vorher ihren eigenen Teilzahlungsvorschlag mit der ersten Zahlung am 25. Februar 2002 auf Grund von Liquiditätsengpässen nicht einhalten konnte und auch die Entrichtung laut abweisendem Bescheid des Finanzamtes" bis zum 22. März 2002 für die Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei. Der Selbstanzeige sei somit aus "den hinreichend angeführten Gründen" die strafbefreiende Wirkung zu versagen gewesen. In Anbetracht der vollständigen Schadensgutmachung, der Sorgepflichten für Kinder und der Tatbegehung in einer überaus angespannten finanziellen Situation werde die Geldstrafe auf EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) herabgesetzt.

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unterbleiben der Bestrafung "wegen Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 29 FinStrG verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige).

Gemäß § 29 Abs. 2 leg. cit. tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden. Werden für die Entrichtung Zahlungserleichterungen gewährt, so darf der Zahlungsaufschub zwei Jahre nicht überschreiten.

Nach § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Eine vom Ansuchen abweichende Bewilligung von Zahlungserleichterungen kann sich auch auf Abgaben, deren Gebarung mit jener der den Gegenstand des Ansuchens bildenden Abgaben zusammengefasst verbucht wird (§ 213), erstrecken.

Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1 BAO) vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinne des § 212 Abs. 2 zweiter Satz BAO eingebracht, so dürfen nach § 230 Abs. 3 BAO Einbringungsmaßnahmen bis zur Erledigung des Ansuchens nicht eingeleitet werden (dies gilt nicht, wenn es sich bei der Zahlungsfrist um eine Nachfrist gemäß § 212 Abs. 3 erster oder zweiter Satz leg. cit. handelt).

Die Beschwerdeführerin hat am 14. Februar 2002, sohin vor Ablauf der für die Entrichtung der von der gegenständlichen Selbstanzeige betroffenen Abgaben bis 25. Februar 2002 zur Verfügung stehenden Frist, ein Zahlungserleichterungsansuchen nach § 212 Abs. 1 BAO eingebracht. Damit trat nach § 230 Abs. 3 BAO bis zur Erledigung dieses Ansuchens eine Vollstreckungssperre ein, bei der es sich auch um einen "Zahlungsaufschub" im Sinne des § 29 Abs. 2 FinStrG handelte, dessen Inanspruchnahme (die Beschwerdeführerin hat den aushaftenden Abgabenrückstand unstrittig am 19. April 2002 zur Gänze entrichtet) der Annahme einer "den Abgabenvorschriften entsprechenden Entrichtung" des geschuldeten Abgabenbetrages nicht entgegenstand (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. September 1984, 83/15/0137, und vom 17. Dezember 2003, 99/13/0083, sowie das Urteil des OGH vom 20. Oktober 1987, 15 Os 126/87, EvBl 1988/71). Lag keine formelle Erledigung des Ratenzahlungsansuchens vom 14. Februar 2002 vor (die von der Beschwerdeführerin bestrittene Zustellung des Abweisungsbescheides vom 15. Februar 2002 wird im angefochtenen Bescheid auch als nicht wesentlich bezeichnet), konnte die nicht erfolgte Entrichtung des Teilzahlungsbetrages in Höhe von EUR 8.217,31 zum von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Termin 25. Februar 2002 auch nicht zum Terminverlust führen (einer mit einem Ansuchen um Gewährung von Zahlungserleichterungen konfrontierten Behörde stünde es im Übrigen auch frei, Zahlungserleichterungen ohne Bindung an den gestellten Antrag zu gewähren; vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 2003, 2003/13/0084). Die belangte Behörde hat somit unter Verkennung der Rechtslage der strittigen Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung versagt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. September 2005

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