Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1 impl;
ProstG Stmk 1998 §7 Abs1 Z1;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 lita;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 litb;
ProstG Stmk 1998 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
PolStG OÖ 1979 §2 Abs1 impl;
ProstG Stmk 1998 §7 Abs1 Z1;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 lita;
ProstG Stmk 1998 §7 Z3 litb;
ProstG Stmk 1998 §7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Spruchpunkt II wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Stadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Spruchpunkt II des Bescheides vom 12. August 2002 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Z 1 und Z 3 lit. a) und b) des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes (im folgenden: Stmk PrG), LGBl. Nr. 16/1998, die Bewilligung zum Betrieb eines Bordells am Standort Graz, V-Straße X, nicht erteilt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und der aufgrund eines Ortsaugenscheines getroffenen Standortbeschreibung - aus, es bestehe von den "Grundstücken Nr. ... (Parkanlage V-Garten) und Nr. ... (O-Gasse, Jugend- und Veranstaltungszentrum) Blickkontakt zum verfahrensgegenständlichen Objekt (V-Straße X)". Von der Liegenschaft V-Straße X betrage der kürzeste Abstand zum "Grundstück ... (Parkanlage V-Garten) 21 m und zum Grundstück ... (O-Gasse, Jugend- und Veranstaltungszentrum) 32 m". Die öffentliche Parkanlage V-Garten sei offen gestaltet; es könnten die Freiflächen - auch abseits einer mit Spielgeräten bestückten Fläche - betreten und bespielt werden; ausgebildete Wege könnten von Kindern (mit Dreirädern, Tretrollern, Skateboards) befahren und bespielt werden. Bei dem im Blickkontakt zu dem beabsichtigten Bordell stehenden Gebäudeteil der Liegenschaft O-Gasse handle es sich um ein vom Amt für Jugend und Familie betriebenes sozialpädagogisches Jugendzentrum der Stadt Graz; von einem Fenster sehe man die mit vier Fenstern ausgebildete Gebäudehinterwand des beabsichtigten "eingeschossigen Bordells". Die Voraussetzung des § 7 Z 1 Stmk PrG sei daher nicht erfüllt.
Hinsichtlich der Voraussetzungen der Z 3 (lit. a und b) des § 7 Stmk PrG gehe die belangte Behörde davon aus, dass das beabsichtigte Bordell an Zufahrtsstraßen bzw. -wegen zu den angeführten Kinder- und Jugendeinrichtungen liege und es im Bezirk L von 400 m zum beantragten Bordell bereits 10 "alt eingesessene, nicht nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Prostitutionsgesetzes bewilligte" Bordelle gebe. Für die Beurteilung des örtlichen Gemeinschaftslebens spiele es eine (wesentliche) Rolle, wenn in der Umgebung, in der sich Wohnhäuser, ein Park, Jugendeinrichtungen und eine Schule befinden würden, nun die Errichtung eines weiteren Bordells beabsichtigt sei. Es liege keineswegs im öffentlichen Interesse, einen "Rotlichtbezirk" entstehen zu lassen. Vielmehr sei das Ziel "verschiedener Maßnahmen der Stadt" gewesen, den Bezirk L von seiner Infrastruktur her "aufzuwerten". Im Hinblick auf die Lage des beantragten Bordells sei zu erwarten, dass eine über das ortsübliche Ausmaß hinaus gehende Belästigung der Nachbarschaft entstehe und das örtliche Gemeinschaftsleben, darüber hinaus das öffentliche Interesse des Jugendschutzes verletzt würde. Zur Wahrung des örtlichen Gemeinschaftslebens sei es keinesfalls im Interesse der Stadt Graz, dass in unmittelbarer Umgebung von Kinder- und Jugendeinrichtungen ein Bordell betrieben werde.
Mit Spruchpunkt I des Bescheides vom 12. August 2002 - der ausdrücklich unangefochten bleibt - wurde dem Devolutionsantrag des Beschwerdeführers stattgegeben.
Über die ausschließlich gegen Spruchpunkt II des Bescheides erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Stmk PrG (LGBl. Nr. 16/1998) lauten:
"§ 1 Geltungsbereich
Die Ausübung der Prostitution und die Anbahnung dazu in einer
der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tretenden Weise
unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes.
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Unter Prostitution im Sinne dieses Gesetzes ist die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder die gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen zu verstehen.
(2) Unter Anbahnung der Prostitution ist ein Verhalten in der Öffentlichkeit zu verstehen, durch welches eine Person erkennen lässt, die Prostitution ausüben zu wollen.
(3) Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn die Ausübung der Prostitution wiederkehrend in der Absicht erfolgt, sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.
(4) Unter Bordell ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Prostitution ausgeübt werden soll.
(5) Unter bordellähnlicher Einrichtung ist ein Betrieb zu verstehen, in dem die Anbahnung der Prostitution erfolgt.
§ 4 Bewilligung von Bordellen und bordellähnlichen Einrichtungen
(1) Ein Bordell darf nur mit Bewilligung der Behörde (Bordellbewilligung) betrieben werden. Jede Änderung des Betriebes eines Bordells bedarf vor ihrer Ausführung ebenfalls der Bewilligung.
...
§ 5 Bewilligungsverfahren und Bewilligung
(1) Über einen Antrag gemäß § 4 ist, soweit sich nicht die Unzulässigkeit des Vorhabens schon aus dem Antrag oder den ihm angeschlossenen Unterlagen ergibt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, in deren Rahmen ein Ortsaugenschein stattzufinden hat.
(2) Vor Erteilung der Bewilligung ist der zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen zuständigen Behörde (§ 12 Abs. 2) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Behörde ist auch von der Erteilung, dem Erlöschen und der Entziehung einer Bordellbewilligung zu verständigen.
(3) Die Bordellbewilligung ist zu erteilen, wenn die persönlichen (§ 6) und sachlichen (§ 7) Voraussetzungen erfüllt sind. Sie ist befristet oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies zur Wahrung der im § 7 Z. 1, 3 und 5 angeführten Interessen erforderlich ist.
(4) ...
§ 7 Sachliche Voraussetzungen
Die Bordellbewilligung ist für einen bestimmten Standort zu erteilen, wenn
1. in der Nähe des beabsichtigten Standortes keine der nachfolgend angeführten Einrichtungen mit direktem Blickkontakt gelegen ist: Schulen, Kindergärten, Heime für Kinder oder Jugendliche, Jugendzentren, Kinderspiel- und Kindersportplätze,
2. das Bordell nicht auf Schiffen, in Wohnwagen, Wohnmobilen, Mobilheimen, Zelten u. ä. betrieben werden soll,
3. im Hinblick auf die Lage zu erwarten ist, dass durch den Betrieb
a) eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Belästigung der Nachbarschaft nicht entsteht oder
b) das örtliche Gemeinschaftsleben oder sonstige öffentliche Interessen (wie Gesundheit, Jugendschutz, Fremdenverkehr) nicht verletzt werden,
4. das Bordell in einem nicht auch anderen Zwecken dienenden Gebäude betrieben werden soll, es sei denn,
a) dass das Bordell über einen baulich getrennten Zugang zu einer öffentlichen Verkehrsfläche verfügt oder
b) dass sich im Gebäude ausschließlich Unterkünfte (Wohnungen, Zimmer) von Personen befinden, die die Prostitution ausüben, das Bordell betreiben oder als verantwortliche Vertreter namhaft gemacht worden sind,
5. die sanitäre Ausstattung des Bordells den Anforderungen der Hygiene entspricht und
6. die zur Ausübung der Prostitution verwendeten Gebäude oder Gebäudeteile Sicherheitsvorkehrungen aufweisen, die einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen sowie dem Entstehen eines Brandes vorbeugen (§ 13 Abs. 1)."
Die belangte Behörde hat die beantragte Bordellbewilligung deshalb nicht erteilt, weil sie die sachlichen Voraussetzungen gemäß § 7 Z 1 und Z 3 (lit. a und b) Stmk PrG im vorliegenden Fall nicht als erfüllt ansah. Schon das Nichtvorliegen nur einer dieser Anforderungen an den gewählten Standort rechtfertigte die Ablehnung der beantragten Bewilligung.
In den Erläuternden Bemerkungen zum Stmk PrG wird ausgeführt, mit § 7 leg. cit. werde die Absicht verfolgt, durch die Wahl des Standortes für ein Bordell sicherzustellen, dass die Umgebung unzumutbaren Belästigungen nicht ausgesetzt wird. Die Bedeutung des Ausdruckes "in der Nähe" in der Z 1 dieser Bestimmung werde "mit etwa 50 m Entfernung in der Weglinie gleichzusetzen sein". Blickkontakt zwischen Bordell und einer der in Z 1 genannten Einrichtungen dürfe jedoch nicht bestehen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht angenommen, dass Blickkontakt zu einer der in Z 1 des § 7 Stmk PrG genannten Einrichtungen bestehe.
Damit zeigt er einen wesentlichen Verfahrensfehler auf. Nach dem Inhalt der Niederschrift über den am 6. Dezember 2001 durchgeführten Ortsaugenschein wurde ein Blickkontakt nämlich nur "zum verfahrensgegenständlichen Objekt von folgenden Grundstücken" festgestellt. Der im angefochtenen Bescheid festgehaltene Blickkontakt von einem "Gebäudeteil der Liegenschaft O-Gasse", bei dem es sich um ein Jugendzentrum handle, auf die mit vier Fenster ausgebildete Gebäuderückwand des beabsichtigten eingeschossigen Bordells findet allerdings in der genannten Niederschrift keine Deckung. Auf welcher sachverhaltsmäßigen Grundlage dieser Blickkontakt festgestellt wurde, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
Die belangte Behörde hat unberücksichtigt gelassen, dass der Beschwerdeführer in der (an Ort und Stelle durchgeführten) Verhandlung am 6. Dezember 2001 einen Blickkontakt zu in Z 1 leg. cit. genannten Einrichtungen ausdrücklich bestritten und zur Widerlegung eines Blickkontaktes einen Beweisantrag gestellt hat. Diese vom Beschwerdeführer beantragten Beweise wurden allerdings nicht aufgenommen. Insoweit im angefochtenen Bescheid (übereinstimmend mit den niederschriftlich festgehaltenen Ergebnissen des Ortsaugenscheines) festgestellt wurde, es bestehe Blickkontakt von näher bezeichneten "Grundstücken" zum "verfahrensgegenständlichen Objekt" kommt es nach Z 1 leg. cit. jedoch darauf nicht an, weil diese Regelung darauf abstellt, dass zwischen dem beabsichtigten Standort (dem Bordell) und einer der in Z 1 genannten Einrichtungen ein Blickkontakt nicht bestehen dürfe. Die belangte Behörde hätte daher ermitteln und danach feststellen müssen, ob ein solcher Blickkontakt - fallbezogen - zwischen dem beabsichtigten Standort und dem Jugendzentrum besteht. Die Feststellungen, soweit sie sich nur auf "Grundstücke" (und deren Abstände zueinander) beziehen, lassen eine Beurteilung nicht zu, ob ein nach Z 1 leg. cit. maßgeblicher Blickkontakt vorliegt.
Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung zu Z 1 des § 7 Stmk PrG daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, weil die Nähe des beabsichtigten Standortes zu den genannten Einrichtungen - die der Beschwerdeführer nicht in Zweifel zieht - nur "mit direktem Blickkontakt" die Versagung der beantragten Bewilligung rechtfertigen könnte.
§ 7 Stmk PrG regelt in Z 3 die Standortwahl bzw. die Anforderungen an den gewählten Standort für ein Bordell unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des örtlichen Gemeinwesens bzw. der Nachbarschaft vor den mit einem Bordellbetrieb im allgemeinen verbundenen Auswirkungen bzw. unzumutbaren (über das ortsübliche Ausmaß hinaus gehende) Belästigungen. Besteht aufgrund der in § 7 leg. cit. umschriebenen örtlichen (bzw. auch sachlichen) Verhältnisse Anlass zur Befürchtung, der für das Bordell gewählte Standort könne diese Auswirkungen auf die Nachbarschaft bzw. das örtliche Gemeinwesen zur Folge haben, dann darf für diesen Standort keine Bordellbewilligung erteilt werden. § 7 Stmk PrG hat - wie sich erkennbar aus den Erläuternden Bemerkungen ergibt - präventiven Charakter. Es ist daher nicht erforderlich, dass mit dem Eintritt nachteiliger Auswirkungen sicher zu rechnen ist. Vielmehr genügt es, dass hiefür die "Wahrscheinlichkeit" spricht (vgl. sinngemäß die zu vergleichbaren Regelungen im Oö Polizeistrafgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom 14. Mai 2001, Zl. 2000/10/0158, und vom 12. November 2001, Zl. 2000/10/0010).
Davon ausgehend hätte die belangte Behörde zu Z 3 (lit. a und b) des § 7 Stmk PrG begründen müssen, warum der beabsichtigte Bordellstandort erwarten lasse, dass das örtliche Gemeinschaftsleben oder das ins Treffen geführte öffentliche Interesse des Jugendschutzes verletzt würden.
In dieser Hinsicht ist die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. Sie hat im angefochtenen Bescheid zu Z 3 leg. cit. nur ausgeführt, dass näher bezeichnete Einrichtungen (nämlich Kinder- und Jugendeinrichtungen, zehn "alte" Bordelle, Wohnhäuser, ein Park, Jugendeinrichtungen und eine Schule) in der Umgebung des beabsichtigten Bordellstandortes vorhanden sind. Welche Auswirkungen auf das "örtliche Gemeinschaftsleben" durch den beabsichtigten Bordellstandort zu erwarten sind, wird hingegen nicht dargestellt. Mit der "Lage" des beabsichtigten Bordellbetriebes allein oder dem bloßen Vorhandensein bestimmter Einrichtungen in der Umgebung kann aber nicht hinreichend begründet werden, dass und warum im vorliegenden Fall eine Belästigung der Nachbarschaft oder eine Verletzung des örtlichen Gemeinschaftslebens zu erwarten ist und daher der Versagungsgrund nach Z 3 leg. cit. gegeben sein soll. Die Bescheidbegründung, die sich im Wesentlichen darin erschöpft, dass die Lage bzw. der beabsichtigte Standort des Bordellbetriebes "keinesfalls im Interesse der Stadt Graz ist" und "darüber hinaus das öffentliche Interesse des Jugendschutzes verletzt würde", lässt unbeantwortet, warum zu erwarten ist, dass das "örtliche Gemeinschaftsleben" oder der "Jugendschutz" verletzt würde, und worin die erwarteten Verletzungen bestehen. Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, was im vorliegenden Fall unter dem ihrer Beurteilung zugrunde gelegten "örtlichen Gemeinschaftsleben" zu verstehen ist, sodass nicht nachvollziehbar ist, worauf die durch den Bordellbetrieb erwarteten Verletzungen zu beziehen sind. Konkrete (inhaltlich umschriebene) Verletzungen des Jugendschutzes oder des örtlichen Gemeinschaftslebens werden jedenfalls im angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt.
Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid in Ansehung der Versagung nach Z 3 des § 7 Stmk PrG mit einem Begründungsmangel belastet.
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 19. Oktober 2005
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