VwGH 2002/08/0122

VwGH2002/08/012225.5.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dipl. Ing. G in E, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstraße 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 29. Oktober 2001, Zl. 128.867/3-7/01, betreffend Feststellung der Ausnahme von der Versicherungspflicht nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §410 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §194;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §7 Abs4;
ASVG §410 Abs1 Z1;
GSVG 1978 §194;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4;
GSVG 1978 §7 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer bezieht seit einem vor dem 1. Jänner 2000 liegenden Zeitpunkt von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Alterspension; auf Grund dieses Pensionsbezuges unterliegt er der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. a ASVG.

Der Beschwerdeführer übt seit einem vor dem 1. Jänner 2000 liegenden Zeitpunkt eine freiberufliche Erwerbstätigkeit als Ingenieurkonsulent für Landwirtschaft aus. Er ist Mitglied der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Die Kammer hat nach § 5 GSVG vom "Opting-Out" aus der Krankenversicherung Gebrauch gemacht. Es besteht eine kammereigene Vorsorgeeinrichtung (verpflichtende Gruppen-Krankenversicherung). Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied dieser Vorsorgeeinrichtung.

2. Mit Bescheid vom 24. April 2001 stellte die mitbeteiligte Partei gemäß § 194a GSVG fest, dass die genannte freiberufliche Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 14b Abs. 1 Z. 2 GSVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 175/1999) begründende Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 erster Satz GSVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1998) darstelle.

In der Begründung wurde dazu ergänzend zum unstrittigen - unter 1. dargestellten - Sachverhalt ausgeführt, die selbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers stelle eine Tätigkeit dar, aus der Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 EStG 1988 resultierten. Da der Beschwerdeführer eine Erklärung über die Höhe seiner Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht abgegeben habe, sei das Vorliegen einer Pflichtversicherung derzeit nicht feststellbar.

3. Der Beschwerdeführer erhob Einspruch. Darin führte er aus, eine zweite Krankenversicherungspflicht stelle einen "Beitrag ohne Gegenleistung" dar, weil es de lege lata nicht möglich sei, von zwei Krankenvorsorgeeinrichtungen gleichzeitig Leistungen zu erhalten. Darüber hinaus habe er vor dem 1. Jänner 2000 zwei Personenversicherungen abgeschlossen.

4. Der Landeshauptmann von Niederösterreich gab mit Bescheid vom 15. Juni 2001 dem Einspruch keine Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, die (glaubhafte) Mitteilung des Beschwerdeführers, dass seine Einkünfte aus der in Rede stehenden Tätigkeit die für ihn maßgebliche Versicherungsgrenze nicht überschreiten würden, ändere nichts an der Feststellung, dass die freiberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers eine die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 14b Abs. 1 Z. 2 GSVG begründende Erwerbstätigkeit darstelle. Es werde nämlich nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Krankenversicherung (nach dem GSVG) pflichtversichert sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, dass die Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung in der österreichischen Rechtsordnung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zulässig sei.

5. Der Beschwerdeführer erhob Berufung; unter Hinweis auf sein Vorbringen im Einspruch machte er geltend, eine "Krankenversicherung ohne Gegenleistung sei ein Verstoß gegen Art. 6 MRK".

6. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung führte sie aus, der unstrittige Sachverhalt erfülle die Voraussetzungen der Pflichtversicherung nach § 14b GSVG. Die Mitglieder der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten seien zwar gemäß § 5 GSVG von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ausgenommen. Der Beschwerdeführer gehöre aber der verpflichtenden, von der Kammer organisierten Gruppen-Krankenversicherung nicht an. Es komme daher die Pflichtversicherung nach § 14b GSVG zum Tragen.

Auch wenn § 14b GSVG in § 194a GSVG nicht ausdrücklich erwähnt sei, sei diese Bestimmung nach dem Sinn der Regelung doch anzuwenden.

7. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 2. März 2002, B 1696/01, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Feststellung verletzt, dass er auf Grund seiner Tätigkeit als selbständiger Ingenieurkonsulent der Krankenversicherung nach § 14b Abs. 1 Z. 2 GSVG unterliege, obwohl er bereits seit einem vor dem 1. Jänner 2000 liegenden Zeitpunkt eine Alterspension von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten beziehe. Er unterliege daher der Krankenversicherung nach dem ASVG. Der Verfassungsgerichtshof habe sich in diversen Entscheidungen mit der Problematik der Mehrfachversicherung befasst und habe in einigen Urteilen festgestellt, dass eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht vorliege. Im vorliegenden Fall knüpfe die in Rede stehende Bestimmung an den Bezug einer Pension an. Es sei daher von einem anders gelagerten Sachverhalt auszugehen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

8. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 139, wurde mit 1. Jänner 2000 für die selbständig Erwerbstätigen eine Pflichtversicherung in allen Zweigen der Sozialversicherung vorgesehen, wenn nicht die gesetzliche berufliche Vertretung von einem "Opting-Out" Gebrauch macht. Das "Opting-Out" ist aber nur zulässig, wenn nach § 5 GSVG für das jeweilige Kammermitglied ein gegenüber einer Einrichtung seiner Berufsvertretung oder einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung ein gleichartiger oder zumindest annähernd gleichwertiger Leistungsanspruch besteht. Durch die 24. Novelle zum GSVG, BGBl. I Nr. 175/1999, wurde der mit "Versicherung in der Krankenversicherung im Falle einer Ausnahme von der Pflichtversicherung gemäß § 5" übertitelte

5. Unterabschnitt des Abschnittes II des ersten Teiles in das GSVG eingefügt. Diese Novelle hat in § 14b eine Gegenausnahme zu § 5 eingerichtet, wenn eine freiberufliche Erwerbstätigkeit, die von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung zwar infolge des "Opting-Out" der gesetzlichen Berufsvertretung ausgenommen wäre, mit einer anderen Erwerbstätigkeit, die die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung begründet, oder mit einem Pensionsbezug, der einer Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterliegt, zusammentrifft und das konkrete Kammermitglied nicht einer Krankenvorsorgeeinrichtung seiner Kammer beigetreten ist. Für die freiberufliche Erwerbstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, die auf Grund des "Opting-Out" an sich sozialversicherungsfrei ist, wird die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung angeordnet, wenn das Kammermitglied bezüglich dieser Tätigkeit nicht der kammereigenen Krankenvorsorgeeinrichtung beigetreten ist.

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, mit einem Feststellungsbescheid gemäß § 194a GSVG sei das Vorliegen der - hier unstrittig gegebenen - Voraussetzungen des § 14b Abs. 1 Z. 2 GSVG schon vor Erreichen der Versicherungsgrenze des § 4 leg. cit. zu klären.

Dem ist nicht zu folgen: Der 5. Unterabschnitt des Abschnittes II des ersten Teiles des GSVG enthält keine besonderen Verfahrensvorschriften, sodass der Abschnitt V des dritten Teiles, sohin die Bestimmungen der §§ 194 und 194a, anzuwenden sind. Der von der belangten Behörde herangezogene § 194a GSVG sieht nur die Feststellung auf Antrag vor, ob die in § 2 Abs. 1 Z. 4 erster Satz genannten Voraussetzungen vorliegen, der Sache nach also eine Feststellung tatsächlicher Natur, die ohne die ausdrückliche Ermächtigung im § 194a GSVG einer gesonderten bescheidmäßigen Feststellung nicht zugänglich wäre. Diese Voraussetzungen sind im Beschwerdefall einerseits gar nicht strittig, sodass ein Feststellungsinteresse von vornherein nicht gegeben ist, andererseits sind sie nur ein Tatbestandselement für die Pflichtversicherung. Eine Anwendung des § 194a GSVG "nach dem Sinn der Regelung" - wie die belangte Behörde meint - in Bezug auf § 14b GSVG scheitert somit bereits am Wortlaut des § 194a leg. cit. Die Feststellung der Pflichtversicherung ist jedoch an sich zulässig; sie ist aber nach § 194 GSVG i.V.m. § 410 ASVG vorzunehmen. Ein Feststellungsbescheid bezüglich einzelner Voraussetzungen für die Pflichtversicherung ist danach aber nicht zulässig. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 194 GSVG i.V.m. § 410 Abs. 1 ASVG darf nämlich nur zur Feststellung der Rechte und Pflichten im Sinne der Formulierung des § 410 Abs. 1 erster Satz ASVG oder - soweit hier von Bedeutung - über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflichtversicherung im Sinne des § 410 Abs. 1 Z. 1 ASVG (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1993, 92/08/0256) ergehen. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Dezember 1999 (... über die Bestätigung über die GSVG-Krankenversicherung ... ehebaldigst mittels begründetem Bescheid ... absprechen zu wollen ...) zielt auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Pflichtversicherung ab. Das System der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG besteht darin, dass der Versicherte entweder "ex ante" eine Erklärung abgibt, dass die maßgebliche Versicherungsgrenze im Beitragsjahr überschritten wird (dies mit der Konsequenz des unwiderruflichen Eintretens der Versicherung mit Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit bis zu deren Beendigung, dem Wegfall der berufsrechtlichen Berechtigung oder einem ausdrücklichen Widerruf der Versicherungserklärung - § 7 Abs. 4 GSVG), oder dass er - bei Fehlen einer solchen Erklärung - erst im Nachhinein und nach Maßgabe des jeweiligen steuerlichen Ergebnisses der Erwerbstätigkeit in die Pflichtversicherung einbezogen wird (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 22. Oktober 2004, 2002/08/0188 mwH). Dieses System gilt in ganz gleicher Weise in jenen Fällen, in denen § 14b GSVG die Wirkung entfaltet, die gemäß § 5 GSVG an sich gegebene Ausnahme von der Pflichtversicherung zu sistieren. Wenn und solange weder eine Versicherungserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG abgegeben wurde und auch noch kein Einkommensteuerbescheid für das betreffende Jahr vorliegt, kann über das Vorliegen der Pflichtversicherung in diesem Jahr nicht abgesprochen werden. Da die potenziell versicherte Person die Pflichtversicherung vorerst dadurch vermeiden kann, dass eine Versicherungserklärung nicht abgegeben wird, dadurch vorerst auch keine Beitragspflicht entsteht und im Falle einer Überschreitung der Einkommensgrenzen ohnehin der Rechtszug gegen die nachträgliche Einbeziehung in die Pflichtversicherung offensteht, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14b GSVG strittig ist, besteht vor dem Zeitpunkt des Vorliegens des Einkommensteuerbescheides für das strittige Kalenderjahr auch kein erkennbares rechtliches Interesse an der vom Beschwerdeführer begehrten Feststellung.

Der Antrag des Beschwerdeführers wäre demnach gemäß § 194 GSVG i.V.m. § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG mangels Vorliegens einer Versicherungserklärung bzw. eines Einkommensteuerbescheides über das strittige Jahr zurückzuweisen gewesen. Die belangte Behörde hätte daher den Einspruchsbescheid dahingehend abändern müssen, dass der Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben und der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen werde. Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Abgabenfreiheit im Sinne des § 46 GSVG abzuweisen.

Wien, am 25. Mai 2005

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