Normen
EStG 1988 §12;
EStG 1988 §6 Z2 lita;
EStG 1988 §12;
EStG 1988 §6 Z2 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Reisebüro und ermittelt ihren Gewinn nach § 5 EStG 1988 nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (§ 7 Abs. 5 KStG 1988) mit Bilanzstichtag 31. Oktober.
Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin am 19. Jänner 1995, also im Wirtschaftsjahr 1994/95, Anteile an der TA GmbH veräußert und die aufgedeckte stille Reserve in Höhe von 43,462.309 S einer "stillen Rücklage" (gemeint: steuerfreien Rücklage nach § 12 Abs. 7 EStG 1988) zugeführt habe. Im Wirtschaftsjahr 1995/96 sei die Rücklage auf eine Ausleihung übertragen worden. Diese Ausleihung beruhe auf einem Darlehensvertrag vom 14. August 1996 zwischen der Beschwerdeführerin und der TB GmbH, Hannover. Die Übertragung der steuerfreien Rücklage auf die Anschaffungskosten dieser Forderung sei nicht anzuerkennen, weil bei einer Darlehensgewährung ins Ausland die Verwendung der Geldmittel durch den ausländischen Kreditnehmer erfolge und daher gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 iVm § 10 Abs. 2 EStG 1988 eine Übertragung ausgeschlossen sei. Die Übertragung einer "stillen Rücklage" sei nur zulässig, wenn das Wirtschaftsgut, auf das stille Reserven übertragen werden sollen, in einer inländischen Betriebstätte verwendet werde. Dabei sei auf den Auslandseinsatz durch den Nutzungsberechtigten abzustellen. Der Prüfer gelangte daher zu einer gewinnerhöhenden Auflösung der steuerfreien Rücklage im Streitjahr 1996.
Im weiteren Verwaltungsverfahren hielt das Finanzamt der Beschwerdeführerin vor, sie habe den Buchgewinn aus der Veräußerung der Stammanteile an der TA GmbH im Geschäftsjahr 1994/95 auf Ausleihungen im Finanzanlagevermögen übertragen. Im Darlehensvertrag vom 14. August 1996 mit der TB GmbH, Hannover, als Darlehensnehmerin, habe die Beschwerdeführerin ein Darlehen von 50,000.000 S mit einer Laufzeit von sechs Jahren vereinbart. Wirtschaftsgüter, die aufgrund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend im Ausland eingesetzt würden, gälten nicht als in einer inländischen Betriebsstätte verwendet. Dabei sei auf den Auslandseinsatz durch den Nutzungsberechtigten abzustellen. Bei der Darlehensgewährung ins Ausland erfolge die Verwendung der Geldmittel durch den ausländischen Kreditnehmer.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde die Körperschaftsteuer 1996 im Instanzenzug fest, wobei sie die gewinnerhöhende Auflösung der steuerfreien Rücklage zu Grunde legte. Das in Rede stehende Darlehen zähle als Finanzanlage iSd § 224 HGB zu den unkörperlichen Wirtschaftsgütern. Unkörperliche Vermögensgegenstände würden häufig in Verbindung mit körperlichen Vermögensgegenständen auftreten, wobei der körperliche Vermögensgegenstand als Trägerelement für den unkörperlichen Teil fungiere. Der wirtschaftliche Gehalt des Darlehens bestehe in einer Nutzungsüberlassung des Geldes. Um die Nutzung dieses Geldes zu ermöglichen, werde das Wirtschaftsgut Geld in die Verfügungsmacht des Nehmers gegeben, verlasse also die körperliche und betriebliche Sphäre des Gebers. Im Beschwerdefall habe sich das Geld bereits im Ausland befunden, nämlich bei der "T. NL (Niederlande)", welche der TB GmbH auf Anweisung durch die Beschwerdeführerin den Darlehensbetrag von 50,000.000 S überwiesen habe. Das Trägerelement sei im Beschwerdefall vom Nutzungsberechtigten im Ausland eingesetzt worden, die Nutzung des im Wege des Darlehens überlassenen Geldes sei im Ausland erfolgt. "Ausleihung" sei lediglich der "terminus technicus" für die Verleihung von Geld. Anders als bei einer Kaufpreisforderung werde bei einer Darlehensforderung Geld gegeben und Geld zurückerhalten. Es komme nicht auf die unterschiedliche Bilanzierung des Wirtschaftsgutes beim Darlehensgeber (Forderung) und beim Darlehensnehmer (Verbindlichkeit) an, sondern ob beim Nutzungsberechtigten ein überwiegender Auslandseinsatz des Wirtschaftsgutes vorliege. Der wirtschaftliche Gehalt eines Darlehens bestehe nicht in der "Geldlieferung", sondern in der Nutzungsüberlassung von Geld. Da der Einsatz des Nutzungsberechtigten bei der entgeltlichen Überlassung des Geldes maßgeblich sei, sei eine Übertragung (der steuerfreien Rücklage) auf Grund des Auslandseinsatzes nicht zulässig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 Abs. 1 und 2 EStG 1988 idF vor dem Steuerreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 57/2004, lauteten:
"§ 12. (1) Wird Anlagevermögen veräußert, so können die dabei aufgedeckten stillen Reserven von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder den Teilbeträgen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinne des § 10 Abs. 7 zweiter Satz des im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafften oder hergestellten Anlagevermögens abgesetzt werden. Stille Reserven sind die Unterschiedsbeträge zwischen den Veräußerungserlösen und den Buchwerten der veräußerten Wirtschaftsgüter.
(2) Eine Übertragung ist nur zulässig, wenn
- 1. ...
- 2. das Wirtschaftsgut, auf das stille Reserven übertragen werden sollen, in einer inländischen Betriebstätte verwendet wird; § 10 Abs. 2 letzter Satz ist anzuwenden.
..."
Nach § 10 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 gelten Wirtschaftsgüter, die auf Grund einer entgeltlichen Überlassung überwiegend im Ausland eingesetzt werden, nicht als in einer inländischen Betriebstätte verwendet.
Gemäß § 12 Abs. 7 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des BG BGBl. Nr. 680/1994 können stille Reserven im Jahr der Aufdeckung einer steuerfreien Rücklage zugeführt werden, soweit eine Übertragung im selben Wirtschaftsjahr nicht erfolgt.
Diese steuerfreie Rücklage konnte nach § 12 Abs. 8 EStG 1988 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - innerhalb von zwölf Monaten ab dem Ausscheiden des Wirtschaftsgutes auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Teilbeträge) von Anlagevermögen übertragen werden, wobei bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1996 oder 1997 galt, dass eine Übertragung in zeitlicher Hinsicht jedenfalls auf bis zum 30. September 1996 anfallende Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Teilbeträge) zulässig war. Auf welche Wirtschaftsgüter die Rücklagen übertragen werden konnten, richtete sich nach Abs. 3. Rücklagen, die nicht bis zum Ablauf der Verwendungsfrist übertragen wurden, waren im betreffenden Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend aufzulösen.
Durch § 12 Abs. 3 EStG 1988 in der Fassung des am 31. Dezember 1996 in Kraft getretenen Abgabenänderungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 797, - AbgÄG 1996 - wurde die Übertragung stiller Reserven auf die Anschaffungskosten von Finanzanlagen ausgeschlossen:
"(3) ....
Die Übertragung stiller Reserven auf die Anschaffungskosten von (Teil-)Betrieben, von Beteiligungen an Personengesellschaften und von Finanzanlagen sowie die Übertragung stiller Reserven, die aus der Veräußerung von (Teil-)Betrieben oder von Beteiligungen an Personengesellschaften stammen, ist nicht zulässig."
Mit Erkenntnis vom 13. März 2003, G 334/02, VfSlg 16.850, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Wortfolge "und von Finanzanlagen" im dritten Satz des § 12 Abs. 3 EStG 1988 idF des AbgÄG 1996 als verfassungswidrig aufgehoben wird, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2003 in Kraft tritt und dass die aufgehobene Bestimmung für vor dem 31. Dezember 1996 getätigte Anschaffungen nicht mehr anzuwenden ist.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist das Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht.
Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach bei der Regelung des § 12 Abs. 3 EStG 1988 idF des AbgÄG 1996 eine "echte Rückwirkung" vorliege, durch die sie in ihrem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden sei, brauchte schon deshalb nicht mehr eingegangen werden, weil der Verfassungsgerichtshof durch den Ausspruch im Sinne des Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG, dass die aufgehobene Bestimmung für vor dem 31. Dezember 1996 getätigte Anschaffungen nicht mehr anzuwenden ist, die Rechtslage rückwirkend, sohin auch in Bezug auf ihre Anwendbarkeit im vorliegenden Beschwerdefall vor dem Verwaltungsgerichtshof, bereinigt hat.
Im Beschwerdefall ist somit zu prüfen, ob die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bzw. die Übertragung einer durch Zuführung solcher stiller Reserven gebildeten steuerfreien Rücklage auf die Anschaffungskosten eines Darlehens zulässig ist, wenn dieses Darlehen langfristig besteht und einer ausländischen Gesellschaft gewährt wurde.
Die belangte Behörde vertritt im Ergebnis die Ansicht, das Wirtschaftsgut, auf dessen Anschaffungskosten die steuerfreie Rücklage hätte übertragen werden sollen, sei im Ausland zur Nutzung überlassen worden. Eine solche Übertragung sei wegen § 12 Abs. 2 Z 2 iVm § 10 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin trägt vor, das Wirtschaftsgut "Forderung" sei getrennt von dem vom Darlehensnehmer genutzten Wirtschaftsgut "Geld" zu beurteilen und weder in einer ausländischen Betriebstätte verwendet noch im Ausland zur Nutzung überlassen worden.
§ 12 EStG 1988 regelt die Übertragung stiller Reserven und steuerfreier Rücklagen auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes. Darlehensforderungen sind Wirtschaftsgüter, welche im Betriebsvermögen stehen können und nach § 6 Z 2 lit. a EStG 1988 grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten sind, welche im Nennbetrag bestehen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III A, Tz 8.2 zu § 6 allgemein).
Wenn die belangte Behörde offenbar die entgeltliche Überlassung von körperlichen Wirtschaftsgütern und deren Verwendung in einer (ausländischen) Betriebsstätte vor Augen hat und deshalb den Vergleich mit einer "entgeltlichen Überlassung von Geld" zieht, welches in einer (ausländischen) Betriebsstätte verwendet wird, verkennt sie die Rechtslage. Denn die in Rede stehende Übertragung erfolgte auf die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes "Darlehensforderung", nicht auf Anschaffungskosten für "Geld".
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 31. März 2005
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