VwGH 2001/13/0226

VwGH2001/13/022624.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der L GmbH in W, vertreten durch die Walter, Zeinler & Partner Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung GmbH in 1010 Wien, Bösendorferstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Juli 2001, GZ. RV/240-15/16/99, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung von Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlag sowie Vorschreibung eines Säumniszuschlages für den Zeitraum der Jahre 1991 bis 1995, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §3 Z14a;
EStG 1988 §3 Abs1 Z10;
EStG 1972 §3 Z14a;
EStG 1988 §3 Abs1 Z10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde hat die beschwerdeführende GmbH im Jahr 1995 einen ihren Dienstnehmer (P.K.) ihrer deutschen Schwestergesellschaft gegen Entgelt zur Verfügung gestellt. Die Aufgabe des P.K. bei der deutschen Gesellschaft bestand in der Erbringung von Planungsleistungen für Aufträge dieser Gesellschaft zur Anlagenerrichtung im Ausland (u.a. China, Saudi Arabien, Indonesien). P.K. hat diese Planungsarbeiten ausschließlich in Deutschland geleistet. Den auf diese Tätigkeit entfallenden Arbeitslohn hat die Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 steuerfrei belassen.

Im Zuge einer bei der beschwerdeführenden GmbH durchgeführten Lohnsteuerprüfung vertrat der Prüfer - und ihm folgend das Finanzamt - die Auffassung, es liege keine begünstigte Auslandstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, sondern eine nicht begünstigte Arbeitskräfteüberlassung vor.

Nach Ergehen einer in diesem Punkt abweisenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte begründend aus, die Begünstigung nach § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 umfasse ausdrücklich auch die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmen. P.K. sei in Form der Personalgestellung nach Deutschland entsandt worden, um dort Planungsleistungen für die Errichtung von Anlagen im Ausland zu erbringen. Dass die Errichtung der Anlagen im Ausland von der deutschen Schwestergesellschaft durchgeführt worden sei, sei unerheblich.

§ 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sei weit auszulegen. Hätte der Gesetzgeber die Absicht gehabt, nur die Personalgestellung an österreichische Unternehmen, die im Ausland Anlagen errichten, zu befreien, so hätte er dies auch im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gebracht. Der Gesetzestext enthalte jedoch keine solche Einschränkung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung in diesem Punkt wiederum als unbegründet abgewiesen. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung besagter Bestimmung beabsichtigt, die Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit inländischer Unternehmen, die im Ausland Anlagen errichten, zu verbessern. Die Wortfolge "Errichtung von Anlagen im Ausland" sei deshalb so zu verstehen, dass es sich bei dem Errichter der Anlage um ein inländisches Unternehmen handeln müsse. Wenn der Befreiungstatbestand auch die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmen umfasse, müsse das andere Unternehmen, das die Anlage baue, aber auch in diesem Fall ein inländisches Unternehmen sein.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich die Anwendung der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 strittig ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit:

"Einkünfte, die Arbeitnehmer inländischer Betriebe (lit. a) für eine begünstigte Auslandstätigkeit (lit. b) von ihren Arbeitgebern beziehen, wenn die Auslandstätigkeit jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht.

a) Inländische Betriebe sind Betriebe von inländischen Arbeitgebern oder inländische Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Arbeitgebern.

b) Begünstigte Auslandstätigkeiten sind die Bauausführung, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme, Instandsetzung und Wartung von Anlagen, die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmungen sowie die Planung, Beratung und Schulung, soweit sich alle diese Tätigkeiten auf die Errichtung von Anlagen im Ausland beziehen, weiters das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland."

Den Dienstgeberbeitrag haben gemäß § 41 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist.

Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG ist der Beitrag des Dienstgebers von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen, die jeweils in einem Kalendermonat an die im Abs. 1 genannten Dienstnehmer gewährt worden sind, gleichgültig, ob die Arbeitslöhne beim Empfänger der Einkommensteuer unterliegen oder nicht (Beitragsgrundlage).

Nicht zur Beitragsgrundlage des Dienstgeberbeitrages gehören gemäß § 41 Abs. 4 lit. c FLAG u.a. die im § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 genannten Bezüge.

Die gesetzliche Grundlage für die Erhebung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag bildet für das Jahr der Entsendung (1995) § 57 Abs. 7 und 8 des Handelskammergesetzes (HKG). Der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag wird gemäß § 57 Abs. 7 HKG von den Arbeitslöhnen bemessen, wobei als Bemessungsgrundlage die Beitragsgrundlage des § 41 FLAG heranzuziehen ist.

§ 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 entspricht (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 621 BlgNR XVII. GP) inhaltlich

§ 3 Z 14a EStG 1972.

§ 3 Z 14a EStG 1972 lautete:

"Einkünfte, die Arbeitnehmer inländischer Betriebe für eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit von ihrem Arbeitgebern beziehen, wenn die Auslandstätigkeit mit einem begünstigten ausländischen Vorhaben des Arbeitgebers im Zusammenhang steht und ihre Dauer jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht. Inländische Betriebe im Sinne dieser Bestimmung sind auch inländische Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Arbeitgebern. Begünstigte ausländische Vorhaben im Sinne dieser Bestimmung sind die Bauausführung, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme, Instandsetzung und Wartung von Anlagen, die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmungen sowie die Planung, Beratung und Schulung, soweit sich alle diese Tätigkeiten auf die Errichtung von Anlagen im Ausland beziehen, weiters das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland. ..."

§ 3 Z 14a EStG 1972 wurde eingefügt durch das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1979, BGBl. Nr. 550. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 113 BlgNR XV. GP, führen dazu aus:

"Da sich auf dem Sektor des Anlagenbaues im Ausland die Konkurrenzverhältnisse zunehmend verschärfen, wirkt sich die derzeitige steuerliche Behandlung der Arbeitslöhne von ins Ausland entsendeten Arbeitnehmern im Vergleich mit anderen Ländern (z.B. der Bundesrepublik Deutschland) für österreichische Unternehmen wettbewerbsnachteilig aus. Die vorliegende Novelle sieht daher eine Steuerbefreiung für alle Fälle einer Auslandstätigkeit von inländischen Arbeitnehmern vor, die mit der Errichtung von Anlagen im Ausland im Zusammenhang steht."

Durch die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 werden somit - was in der Formulierung des § 3 Z 14a EStG 1972 allerdings klarer zum Ausdruck kam - Einkünfte steuerfrei gestellt, die Arbeitnehmer inländischer Betriebe für eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit von ihren Arbeitgebern beziehen, wenn die Auslandstätigkeit mit einem begünstigten ausländischen Vorhaben des Arbeitgebers (u.a. die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmen) im Zusammenhang steht und ihre Dauer jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. August 2005, 2002/13/0024, ausgesprochen hat, stellt die in Rede stehende Steuerbegünstigung jedenfalls dann nicht darauf ab, dass ein inländischer Arbeitgeber im Ausland eine begünstigte Anlage errichtet, wenn eine Personalgestellung vorliegt. Hinsichtlich der hier strittigen Personalgestellung sind auch jene Fälle begünstigt, in denen die Anlagenerrichtung nicht durch den inländischen Arbeitgeber, sondern durch ein "anderes Unternehmen" erfolgt. Zu Recht weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sich dem Gesetz keine Beschränkung entnehmen lässt, wonach nur im Falle inländischer Gestellungsnehmer die gegenständliche Steuerbefreiung zum Tragen käme. Anders als die belangte Behörde meint, gebietet auch die aus den Gesetzesmaterialien hervorleuchtende Absicht des Gesetzesgebers - die Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit inländischer Arbeitgeber - die von ihr vertretene Auslegung der Bestimmung nicht. Wirkt der inländische Arbeitgeber nicht selbst an der Errichtung der begünstigten Anlagen mit, sondern stellt er anderen Unternehmen Arbeitskräfte anlässlich einer Anlagenerrichtung im Ausland zur Verfügung, kann davon ausgegangen werden, dass er entsprechende Aufträge zur Überlassung von Arbeitskräften leichter akquirieren kann, seine Wettbewerbsfähigkeit also verbessert wird, wenn er die Leistung günstiger, weil nicht durch inländische Lohnabgaben belastet, anbieten kann.

§ 3 Abs. 1 Z 10 EStG ist demnach so zu verstehen, dass die Steuerbefreiung im Falle einer Personalgestellung an ausländische Unternehmen unter denselben Voraussetzungen zusteht, wie sie bei einer Personalgestellung an inländische Unternehmen vorliegen müssen.

Diese Auslegung vermeidet überdies mögliche gemeinschaftsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die von den Mitgliedstaaten zu gewährleistende Freiheit des Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EG), welche einer Regelung entgegenstehen könnte, die die Überlassung von Arbeitnehmern an ausländische Gestellungsnehmer gegenüber der Überlassung von Arbeitnehmern an inländische Gestellungsnehmer dadurch erschwert, dass unter sonst gleichen Bedingungen nur im letzteren Fall Steuerbefreiungen gewährt werden.

Auch bei der Anlagenerrichtung durch inländische Unternehmen setzt die Anwendung der Steuerbefreiung die körperliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Ausland (insoweit deutlicher die im EStG 1972 gebrauchte Formulierung) voraus.

Die Beschwerdeführerin räumte über entsprechenden Vorhalt sachverhaltsbezogen ein, dass der Dienstnehmer im gegenständlichen Zeitraum ausschließlich beim deutschen Gestellungsnehmer und nicht an den einzelnen Baustellen in China, Saudi-Arabien und Indonesien etc. tätig war, vertrat in rechtlicher Hinsicht jedoch die Ansicht, dass es nicht einzusehen sei, dass Planungsleistungen an Ort und Stelle erbracht werden müssten, zumal dies in der Praxis nicht üblich und betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sei, weil die für die Planung erforderlichen Ressourcen in Deutschland zweckmäßiger hätten genutzt werden können als auf der "begünstigten Baustelle".

Zu diesem Vorbringen ist zu sagen, dass die "begünstigte Auslandstätigkeit" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b EStG 1988 im Beschwerdefall nicht in der "Planung" gelegen ist, sondern in der "Personalgestellung (anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere Unternehmungen)", welche einen eigenen Begünstigungstatbestand bildet. Das EStG 1988 verwendet den Begriff der "Auslandstätigkeit" nämlich sowohl in Bezug auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers (im Zusammenhang mit den Anforderungen an die Dauer des Auslandseinsatzes) als auch in Bezug auf die Tätigkeit des Arbeitgebers, um jene Tätigkeiten zu umschreiben, die vom Begünstigungstatbestand erfasst werden. Demgegenüber hat das EStG 1972 - terminologisch klarer - von der Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers einerseits und dem begünstigten ausländischen Vorhaben des Arbeitgebers andererseits gesprochen. Beide Tatbestandselemente sind im Beschwerdefall erfüllt.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Oktober 2005

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