VwGH 2001/03/0289

VwGH2001/03/028922.11.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des HA in T, vertreten durch Dr. Bernhard Böhler, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Bahnhofsplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 3. Juli 2001, Zl. uvs-2001/K2/046B-2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich AnhC Z10;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs2;
AVG §13a;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art140 Abs7 Satz2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Satz2 idF 1998/I/017;
VwGG §42 Abs2 Z1;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich AnhC Z10;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs2;
AVG §13a;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art140 Abs7 Satz2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
GütbefG 1995 §23 Abs2 Satz2 idF 1998/I/017;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lastkraftwagens eine ökopunktpflichtige Transitfahrt vom Grenzübergang Brennerpass, Einreise am 18. September 2000 um 23.47 Uhr, zum Grenzübergang Kiefersfelden, Ausreise am 19. September 2000 um 4.03 Uhr, durchgeführt, wobei für diese Fahrt keine Ökopunkte entrichtet worden seien, weil der Frächter bzw. das Fahrzeug gesperrt gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, sich vor Fahrtantritt hinreichend zu überzeugen, dass genügend Ökopunkte vorhanden seien. Das Ecotag sei auf ökopunktpflichtige Fahrt gestellt gewesen. Die Übertretung sei durch eine Kontrolle im elektronischen Ökopunktesystem festgestellt worden. Zudem sei ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung über die Entrichtung von Ökopunkten (genannt Ökokarte) für die betreffende Fahrt nicht mitgeführt worden.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a und b sowie Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 und Nr. 609/2000 begangen; über ihn wurde eine Geldstrafe von S 20.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen, verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe zwischen der Einfahrt Brennerpass und der Ausfahrt Kiefersfelden eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich durchgeführt. Aus dem Frachtbrief ergebe sich nur, dass Kartons und Ladekräne für die Messe nach Frankfurt transportiert worden seien. Der Beschwerdeführer habe selbst angeben, es habe sich um Maschinen und Kräne gehandelt. Es ergebe sich daher eindeutig, dass er keine Ausstellungsstücke transportiert habe. Die spätere "Bestätigung" der Fa. S habe einen geringeren Beweiswert als der Frachtbrief. Der Beschwerdeführer habe entgegen der Firmenanweisung den Ecotag auf "Transitfahrt" eingestellt, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass er selber nicht an eine Ausnahme von der Ökopunktepflicht gedacht habe. Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, dass er sich auf eine Auskunft verlassen habe, dass Ökopunkte vorhanden seien. Er habe auch offensichtlich keine Erkundigung bei der Firma S. am Brenner durchgeführt, welche über ein Informationsservice verfüge, das es Frächtern und Fahrern erlaube, sich über eine allfällige Sperre zu erkundigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs

"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist."

Art. 2 Abs. 1 erster Satz der genannten Verordnung ordnet an, dass die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet wird, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt.

In Anhang C der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission ist unter den Beförderungen, bei denen keine Ökopunkte benötigt werden, unter Z. 10 aufgezählt:

"...

10. Die gelegentliche Beförderung von Gütern ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung.

...."

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, eine ökopunktpflichtige Transitfahrt durchgeführt zu haben und bringt vor, die belangte Behörde habe völlig überraschend der ausdrücklichen Bestätigung der Fa. S, dass es sich bei der Fracht um Ausstellungsstücke gehandelt habe, keinen Glauben geschenkt. Hätte er nur andeutungsweise die getroffene Beweiswürdigung vorhersehen können, so hätte er zum Beweis einen informierten Vertreter der genannten Firma angeboten. Aufgrund der vorgelegten Bestätigung der Fa. S hätten der belangten Behörde derartige Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit des durch den Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens kommen müssen, dass sie auch von Amts wegen weitere Beweisaufnahmen durchführen hätte müssen.

Dem ist zu entgegnen, dass § 45 Abs. 3 AVG iVm § 24 VStG lediglich erfordert, den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen; eine Verpflichtung der Behörde, den Parteien jene Schlussfolgerungen mitzuteilen, welche sie aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ziehen werde, ist aus dieser Bestimmung nicht abzuleiten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1987, Zl. 86/18/0237). Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 11. November 1991, Zl. 91/19/0205) bezieht sich die Manuduktionspflicht des § 13a AVG iVm § 24 VStG auf Verfahrenshandlungen und deren Rechtsfolgen; hingegen sind die Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht verpflichtet, den Parteien Unterweisungen zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen zu gestalten haben, um einen von ihnen angestrebten Erfolg zu erreichen. Die Behörde ist insbesondere auch nicht verpflichtet, einen Beschuldigten dahingehend anzuleiten, welche Behauptungen und Beweisanträge er zu stellen habe, um einer Bestrafung zu entgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/09/0311).

Der Verwaltungsgerichtshof kann daher im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht finden, dass der Sachverhalt nicht genügend erhoben worden sei; auch gegen die Schlüssigkeit der bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen bestehen nicht zuletzt vor dem rechtlichen Hintergrund der in Art. 1 Abs. 1 lit. c der genannten Verordnung (in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 ) normierten Verpflichtung zum Mitführen der dort angeführten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden, keine Bedenken.

Zur subjektiven Tatseite führt der Beschwerdeführer aus, es liege kein Verschulden vor, weil er davon ausgegangen sei, ausschließlich Messegut geladen zu haben. Es sei weder aus dem Akteninhalt noch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlich, aus welchem Grund er den Angaben des Absenders, wonach es sich bei der Fracht ausschließlich um Messegut gehandelt habe, welches unter die Z. 10 des Anhanges C der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 falle, keinen Glauben hätte schenken dürfen. Es sei nicht ersichtlich, wie sich ein LKW-Fahrer über die Ökopunktepflicht eines Transportes erkundigen solle, wenn er sich nicht auf die Angaben des Absenders verlassen dürfe. Allein daraus ergebe sich schon, dass der Beschwerdeführer nicht einmal fahrlässig gehandelt habe.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer schon deshalb kein mangelndes Verschulden glaubhaft, weil eine Transitfahrt - wie bereits ausgeführt - immer nur dann ökopunktebefreit ist, wenn entsprechende Nachweisunterlagen mitgeführt werden. Die Annahme der Beförderung von Ausstellungsstücken (arg: ... "ausschließlich zur Werbung oder Unterrichtung ...") entsprach weder den mitgeführten Frachtbriefen (Sammelgut beinhaltend 10.000 kg Ladekräne, Paletten, Kartons und 2000 kg Messeware) noch dem Verhalten des Beschwerdeführers bei der Einreise nach Österreich, wo er selbst die Deklaration der von ihm durchgeführten Transitfahrt als "ökopunktepflichtig" vorgenommen hat.

Die Beschwerde erweist sich daher, was den Schuldspruch anlangt, als unbegründet.

In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:

"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."

Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt, erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.

Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 22. November 2005

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