VwGH 2004/21/0083

VwGH2004/21/008321.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael Schuszter, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Robert Graf Platz 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. Februar 2004, Zl. Fr 380/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §8;
AsylG 1997 §45;
AsylGNov 2003;
BBetrG 1991 §1 Abs3;
BBetrG 1991 §1 idF 2003/I/0101;
BBetrG 1991 §1 idF 2004/I/032 ;
BBetrG 1991 §1;
BBetrG 1991 §13a idF 2003/I/101;
BBetrG 1991 §2 Abs1 idF 1994/314;
BBetrG 1991 §2 Abs1;
BBetrG 1991 §2 idF 2004/I/032 ;
BBetrG 1991 §2;
BBetrG 1991 §2a idF 2004/I/032;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4 impl;
FrG 1993 §17 Abs3 impl;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ABGB §8;
AsylG 1997 §45;
AsylGNov 2003;
BBetrG 1991 §1 Abs3;
BBetrG 1991 §1 idF 2003/I/0101;
BBetrG 1991 §1 idF 2004/I/032 ;
BBetrG 1991 §1;
BBetrG 1991 §13a idF 2003/I/101;
BBetrG 1991 §2 Abs1 idF 1994/314;
BBetrG 1991 §2 Abs1;
BBetrG 1991 §2 idF 2004/I/032 ;
BBetrG 1991 §2;
BBetrG 1991 §2a idF 2004/I/032;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4 impl;
FrG 1993 §17 Abs3 impl;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein bis 20. Jänner 2009 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde im Wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Beschwerdeführer sei am 21. Jänner 2004 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und am selben Tag "aufgegriffen" worden. Er habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10. Februar 2004 (noch nicht rechtskräftig) abgewiesen worden sei. Ihm sei eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 AsylG (in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Verwandten und habe die Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen können. An seiner Mittellosigkeit würde das Berufungsvorbringen nichts ändern, wonach den Bund die Verpflichtung treffe, mittellose Flüchtlinge zu versorgen.

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, bei mittellosen Personen sei zu befürchten, dass sie sich ihren Lebensunterhalt durch "kriminelle Machenschaften" verschaffen oder dass sie einer österreichischen Gebietskörperschaft wirtschaftlich zur Last fallen könnten. Das Aufenthaltsverbot sei zum Schutz der in § 36 Abs. 1 FrG genannten Güter erforderlich. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Ermessensspielraumes.

Letztlich verneinte die belangte Behörde einen "schutzwürdigen Umstand" im Hinblick auf § 37 FrG.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat gemäß § 36 Abs. 2 Z 7 FrG - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch die Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, und entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 2000/21/0164).

Diesen Nachweis hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erbracht, weil er (auch in der Beschwerde) nicht aufzeigt, in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang er mit eigenen Einkünften rechnen könne und inwieweit diese gesichert seien. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Einwand, der Beschwerdeführer habe als Asylwerber Anspruch auf Betreuung durch den Bund, kann die behördliche Annahme der Mittellosigkeit im Sinn des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG nicht entkräften. Der Umstand, dass einem Fremden Bundesbetreuung gewährt wird, bestätigt nämlich geradezu die Beurteilung, der genannte Tatbestand sei erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2003, Zl. 2002/18/0180).

Umso mehr muss das gelten, wenn ein Fremder - wie hier der Beschwerdeführer - gar nicht behauptet, sich in Bundesbetreuung zu befinden, sondern lediglich einen Anspruch darauf ins Treffen führt. Es bestehen daher gegen die Beurteilung der belangten Behörde, der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG sei verwirklicht, keine Bedenken.

2. Wird einem Asylwerber tatsächlich Bundesbetreuung gewährt, so ist allerdings - unabhängig von der Frage, ob dieser Umstand nicht schon einer Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG entgegen steht - Folgendes zu beachten:

§ 36 Abs. 1 FrG räumt der Behörde insofern Ermessen ein, als diese ermächtigt wird, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den §§ 36 bis 38 leg. cit. normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits - zu § 17 Abs. 2 Z 4 FrG 1992 - mit Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/1092, ausgesprochen, dass die Ausweisung eines Asylwerbers, dessen Lebensbedarf aus Mitteln des Bundes nach den Vorschriften des Bundesbetreuungsgesetzes bestritten wird, nicht als eine Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung gesehen werden kann. Habe der Gesetzgeber nämlich die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt, so könne ihm nicht unterstellt werden, er hätte gleichzeitig die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1999, Zl. 94/18/0840, und vom 24. März 2000, Zl. 96/21/0198; zu § 18 Abs. 2 Z 7 FrG 1992 siehe das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1997, Zl. 96/21/0888).

Im Sinn dieser Judikatur kann es nun vor dem Hintergrund der fremden- und asylrechtlichen Bestimmungen und deren Zusammenhalt nicht als rechtmäßig gesehen werden, wenn die Fremdenpolizeibehörde von ihrer Ermächtigung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 FrG gegen einen Asylwerber Gebrauch macht, dem andererseits mit Hilfe der Bundesbetreuung eine Grundversorgung in Österreich ermöglicht wird. In diesem Fall ist - so nicht andere Gründe als die Mittellosigkeit des Asylwerbers für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechen - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht als im Sinn des Gesetzes gelegen zu werten.

3. Zu prüfen ist nun, inwieweit diese Erwägungen auch für Asylwerber gelten, die sich zwar nicht in Bundesbetreuung befinden, denen aber - wie vom Beschwerdeführer geltend gemacht - ein Anspruch auf Gewährung von öffentlichen Versorgungsleistungen nach dem Bundesbetreuungsgesetz - BBetrG, BGBl. Nr. 405/1991, zusteht.

3.1. Die §§ 1 und 2 BBetrG lauteten in der bis zur Kundmachung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, am 21. November 2003 geltenden Fassung wie folgt:

"§ 1. (1) Der Bund übernimmt die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Antrag nach § 3 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76, in der geltenden Fassung, gestellt haben (Asylwerber). Die Bundesbetreuung umfasst Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.

(2) Die Möglichkeit, Leistungen auf Grund dieses Bundesgesetzes zu erhalten, lässt Ansprüche auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt.

(3) Auf die Bundesbetreuung besteht kein Rechtsanspruch.

§ 2. (1) Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf einschließlich der Unterbringung für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Leistungen, die von dritter Seite erbracht werden, sind bei Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen.

(2) Bundesbetreuung wird jedenfalls nur solchen Asylwerbern gewährt, die sich bereit erklären, an der Feststellung ihrer Identität und Hilfsbedürftigkeit mitzuwirken und die Umstände, die für die Beurteilung ihrer Hilfsbedürftigkeit von Bedeutung sein können, unverzüglich mitzuteilen.

(3) Asylwerbern ist möglichst frühzeitig der Ort mitzuteilen, an welchem ihnen Bundesbetreuung gewährt wird. Bei der Zuteilung ist auf bestehende familiäre Beziehungen, auf das besondere Schutzbedürfnis alleinstehender Frauen und Minderjähriger, auf ethnische Besonderheiten und persönliche Wünsche nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen."

3.2 Die genannten Bestimmungen lauten in der Fassung der AsylG-Novelle 2003 und des Art. I der Novelle BGBl. I Nr. 32/2004 bis zum Inkrafttreten des Art. II der genannten Novelle am 1. Jänner 2005 - einschließlich des eingefügten § 2a - wie folgt:

"§ 1. (1) Der Bund übernimmt die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Asylantrag nach § 3 des Asylgesetzes, BGBl. I Nr. 76/1997 in der geltenden Fassung eingebracht haben (Asylwerber). Diese Betreuung gewährleistet die Gewährung der materiellen Aufnahmebedingungen; diese haben auf die Gesundheit und den Lebensunterhalt der Asylwerber Bedacht zu nehmen. Die Bundesbetreuung umfasst Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.

(2) Die Möglichkeit, Leistungen auf Grund dieses Bundesgesetzes zu erhalten, lässt Ansprüche auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften unberührt.

(3) Auf die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung besteht dann kein vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer Rechtsanspruch, wenn die Kriterien für die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung nicht erfüllt sind (Art. 17 B-VG).

§ 2. (1) Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf einschließlich der Unterbringung für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann. Leistungen, auf die ein sonstiger gesetzlicher Anspruch besteht oder sonstige Zuwendungen, die von dritter Seite, etwa von karitativen Organisationen oder anderen Gebietskörperschaften, erbracht werden, sind bei der Beurteilung der Hilfsbedürftigkeit mit zu berücksichtigen.

(2) In die Bundesbetreuung können - trotz bestehender Hilfsbedürftigkeit - nicht aufgenommen werden:

1. Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein;

2. Asylwerber, die wegen eines Verbrechens von einem österreichischen Gericht verurteilt worden sind. § 73 StGB gilt;

3. Asylwerber, die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Identität mitwirken;

4. Asylwerber, die trotz Aufforderung nicht an der Feststellung ihrer Hilfsbedürftigkeit mitwirken;

5. Asylwerber, die einen weiteren Asylantrag innerhalb von sechs Monaten nach rechtskräftigem Abschluss ihres früheren Asylverfahrens eingebracht haben;

6. Asylwerber, die in der Unterkunft ein für die anderen Mitbewohner unzumutbares Verhalten an den Tag legen.

(3) Asylwerbern ist möglichst frühzeitig der Ort mitzuteilen, an welchem ihnen Bundesbetreuung gewährt wird. Bei der Zuteilung ist auf bestehende familiäre Beziehungen, auf das besondere Schutzbedürfnis alleinstehender Frauen und Minderjähriger, auf ethnische Besonderheiten und persönliche Wünsche nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen.

Ausschluss und Einschränkung der Bundesbetreuung

§ 2a. (1) Gemäß § 1 Abs. 1 in Bundesbetreuung aufgenommene Asylwerber können von der weiteren Betreuung ausgeschlossen werden, wenn

1. sie an der Feststellung des für die Asylverfahrensführung notwendigen Sachverhaltes nicht mitwirken;

2. sie einen Sachverhalt verwirklichen, der die Einstellung des Asylverfahrens rechtfertigt (§ 30 AsylG);

3. sie einen Sachverhalt verwirklichen, der einen Asylausschlussgrund darstellt (§ 13 AsylG);

4. sie aus der Betreuungseinrichtung weggewiesen werden (§ 38a SPG);

5. nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Nichtaufnahme in die Bundesbetreuung rechtfertigen würden (§ 2 Abs. 2).

(2) Gefährdet der Ausschluss von der Aufnahme oder der weiteren Betreuung den Zugang zur medizinischen Notversorgung des Asylwerbers, ist dieser unzulässig.

(3) Wäre der Ausschluss von der weiteren Betreuung unverhältnismäßig, kann die Betreuung bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 auch eingeschränkt werden (zB Entzug des Taschengeldes)."

3.3. Eine Neufassung des § 1 Abs. 3 BBetrG war in der Regierungsvorlage zur AsylG-Novelle 2003 noch nicht enthalten. Im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten (253 BlgNR XXII. GP, 4) wird zunächst (in den Allgemeinen Bemerkungen zum Abänderungsantrag) auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 24. Februar 2003 (im AB versehentlich 24.3.2003), 1 Ob 272/02k, und vom 27. August 2003, 9 Ob 71/03m, Bezug genommen, in denen unter bestimmten Umständen wegen des Gleichbehandlungsgebotes - trotz des § 1 Abs. 3 BBetrG (in der ursprünglichen Fassung) - vom Bestehen eines Rechtsanspruches auf Aufnahme in die Bundesbetreuung ausgegangen wurde. Daran anknüpfend wird erläutert, dass diese Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspreche und den Staatshaushalt belasten könnte. Danach wird in diesem Bericht wörtlich ausgeführt (Unterstreichungen nicht im Original):

"All diese Aspekte lassen es nun erforderlich erscheinen, in Wahrnehmung der dem Bundesgesetzgeber diesbezüglich zukommenden Rechtsetzungsprärogative und im Wege einer authentischen Interpretation einige Klarstellungen innerhalb des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 vorzunehmen, um dadurch nicht zuletzt die wünschenswerte Rechtssicherheit rund um die zivilrechtlichen Dimensionen der Bundesbetreuung wiederherzustellen und eine Entlastung der ordentlichen Gerichte von einschlägigen Prozessen herbeizuführen.

(...)

Insbesondere sollen durch die mit diesem Bundesgesetz vorgenommenen Klarstellungen des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 keineswegs der - diesbezüglich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werdenden - Republik Österreich bzw. ihren Organen die Möglichkeit eingeräumt werden, bei der Entscheidung über die Aufnahme in die oder den Verbleib in der Bundesbetreuung gegenüber Asylwerbern unsachliche oder gar willkürliche Kriterien zu berücksichtigen (...).

Vielmehr sollen anhand genereller, das willkürliche Vorgehen im Einzelfall gerade ausschließender Klarstellungen innerhalb des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 jene - sachlich durchaus gerechtfertigten (...) - Beschränkungen zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden, denen die Bundesbetreuung nach Ansicht des Gesetzgebers seit jeher unterworfen war, mag dies auch im pauschalen Ausschluss jeglichen Rechtsanspruches in § 1 Abs. 3 leg. cit bislang nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen oder gar - aufgrund der lege non distinquente anzunehmenden Verneinung eines Rechtsanspruches auch im Falle einer offensichtlich willkürlichen Ablehnung der Leistungserbringung durch Organe der Republik Österreich - in einer unverhältnismäßig weitgehenden und damit möglicherweise (verfassungs-)rechtswidrigen Art und Weise geregelt gewesen sein."

Auch in jenem Teil, der den einzelnen vom Abänderungsantrag betroffenen Bestimmungen gewidmet ist, wird noch einmal auf die in den erwähnten Entscheidungen vertretene Auffassung des Obersten Gerichtshofes Bezug genommen und daran anschließend ausgeführt:

"Dieser Ansicht vermag der Bundesgesetzgeber anlässlich der nunmehr erfolgenden authentischen Interpretation des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 allerdings nur in jenem Umfang beizutreten, als die Zubilligung derart klagbarer Ansprüche zur Umsetzung des - auch verfassungsrechtlich fundierten und somit in gewisser Hinsicht als lex specialis auch zu den Kompetenztatbeständen des B-VG anzusehenden - Willkür- bzw Diskriminierungsverbotes geboten erscheint.

Wie aus dem Allgemeinen Teil der Ausschussbemerkungen dieses Bundesgesetzes erhellt, stellen die von diesem Bundesgesetz vorgenommenen Änderungen des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 ihrem Wesen nach allesamt authentische Interpretationen dar, durch die dem wahren Willen des historischen Gesetzgebers gegenüber Akten von Rechtsanwendungsorganen, die sich zu diesem in Widerspruch gesetzt haben, zum Durchbruch verholfen werden soll."

3.4. Zum zeitlichen Geltungsbereich ordnet der (auch mit der AsylG-Novelle 2003) in das Bundesbetreuungsgesetz eingefügte § 13a an:

"§ 13a. Mit Ausnahme von Verfahren, die am 14. Oktober 2003 gegen die Republik Österreich gerichtsanhängig sind, bestimmt sich der zeitliche Anwendungsbereich der Änderungen von § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 2 Abs. 1 und Abs. 2 und § 2a des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, nach den Regelungen des § 8 ABGB."

Der angesprochene, die sogenannte "authentische Interpretation" betreffende § 8 ABGB hat folgenden Wortlaut:

"§ 8. Nur dem Gesetzgeber steht die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären. Eine solche Erklärung muss auf alle noch zu entscheidende Rechtsfälle angewendet werden, dafern der Gesetzgeber nicht hinzufügt, dass seine Erklärung bei Entscheidung solcher Rechtsfälle, welche die vor der Erklärung unternommenen Handlungen und angesprochenen Rechte zum Gegenstande haben, nicht bezogen werden solle."

Zu der zuletzt erwähnten Bestimmung des BBetrG nimmt der Ausschussbericht (in unmittelbarem Anschluss an die oben wiedergegebenen Ausführungen) einleitend wie folgt Stellung:

"Diesem Umstand gilt es auch im Hinblick auf den zeitlichen Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes Rechnung zu tragen, und zwar durch die Festlegung dieses Anwendungsbereiches im Einklang mit den von § 8 ABGB für authentische Interpretationen allgemein vorgesehenen Maßstäben. Dies führt im wesentlichen dazu, dass die von diesem Bundesgesetz vorgesehenen Klarstellungen des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 grundsätzlich auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes Verbindlichkeit beanspruchen und vor allem auch in Verfahren, die zum Zeitpunkt von dessen Inkrafttreten noch nicht rechtskräftig beendet sind, Berücksichtigung zu finden haben ..."

3.5. Im Rahmen des zu G 237, 238/03 u.a. Zlen. geführten, unter anderem auch hier erörterte Bestimmungen des BBetrG betreffenden Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof führte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang Folgendes aus (zitiert nach dem in diesem Verfahren ergangenen Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, Punkt III.10.4., Seite 216 ff):

"Der Oberste Gerichtshof vertritt die Auffassung, die den rechtspolitischen Anliegen des historischen Gesetzgebers nicht entspricht, dass Dritte, die die Betreuung jener Asylwerber übernommen haben, die entgegen der Bestimmungen der geltenden Fassung des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 nicht in die Bundesbetreuung aufgenommen oder aus dieser wieder entlassen wurden, trotz der Anrechnungsregel des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbetreuungsgesetzes BGBl. 405/1991 und gestützt auf § 1042 ABGB Ersatzansprüche gegen die Republik Österreich geltend machen können, und zwar rückwirkend für 30 Jahre.

Im Ausschussbericht zur gegenständlichen Novelle werden klar jene rechtspolitischen Überlegungen wiedergegeben, die den Gesetzgeber dazu veranlassten, zu den ursprünglichen Intentionen, die dem Bundesbetreuungsgesetz 1991 zugrundelagen, zurückzukehren (AB 253 BlgNR 22. GP, 4).

Legistisch wurde dabei das Instrument der authentischen Interpretation gewählt. Man versteht darunter die Anordnung einer Rechtsautorität, dass eine bestimmte, von ihr früher erlassene Vorschrift in einem bestimmten Sinn zu verstehen sei und zwar gleichgültig, ob sie erkenntnismäßig in diesem Sinne verstanden werden könnte (siehe etwa Pisko, in: Klangs Kommentar I/1, 1933, 155f; Wolff, in: Klangs Kommentar2 I/1, 109; Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 82).

Der Gesetzgeber 2003 war dabei auch bemüht, die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer derartigen Regelung zu beachten, sowohl was die Kompetenz angeht, als auch, was die Grundrechte betrifft. (...).

Gleichzeitig hatte der Gesetzgeber - wie gesagt - auch die grundrechtliche Dimension zu beachten. Dies wurde maßgeblich durch § 13a BBetrG erreicht, der anhängige Verfahren von der Rückwirkung ausnimmt. Aber auch der nunmehr neu geschaffene Kriterienkatalog ist wesentlich vom Anliegen getragen, taxativ und daher Rechtssicherheit schaffend, klarzustellen, welche Ausschlussgründe von der Bundesbetreuung als sachlich gerechtfertigt anzusehen sind und somit Fälle der Willkür in Zukunft auszuschließen.

(...). Auch kann ein gewisses öffentliches Interesse an dieser rückwirkenden Klarstellung durch den Gesetzgeber durch Schaffung eines taxativen Kriterienkataloges darin erblickt werden, dass (...)."

Mit dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2004 wurden die Gesetzesprüfungsanträge, soweit sie Bestimmungen des BBetrG betrafen, zurück- oder abgewiesen. Zum zeitlichen Geltungsbereich der mit der AsylG-Novelle 2003 vorgenommenen Neufassung der im § 13a BBetrG genannten Bestimmungen vertrat der Verfassungsgerichtshof im Punkt III.10.6., Seite 224, die Auffassung, in dem Hinweis in § 13a BBetrG "auf § 8 ABGB (authentische Interpretation)" liege "die versteckte Anordnung einer Rückwirkung." (Vgl. in diesem Sinn aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 ABGB etwa das Erkenntnis vom 5. April 1991, Zl. 90/17/0049, 0050, und zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die unter RIS-Justiz RS0008905 angeführten Entscheidungen; zur Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vgl. insbesondere auch das Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, G 121/88, Slg. Nr. 11.869.)

3.6. Vor dem dargestellten Hintergrund ist davon auszugehen, der Gesetzgeber habe mit der durch die AsylG-Novelle 2003 vorgenommenen Neufassung der Bestimmungen des BBetrG nunmehr eine (rückwirkende) "Klarstellung" des Inhaltes der schon bisher geltenden Regelungen dahin vornehmen wollen, dass die vom Obersten Gerichtshof gezogenen, als zu weitgehend angesehenen Konsequenzen nicht den Intentionen des historischen Gesetzgebers entsprochen hätten und durch die bisherige Rechtslage nicht uneingeschränkt gedeckt gewesen seien. Zu den bisherigen Regelungen des BBetrG wurde damit aber jedenfalls auch (rückwirkend) "klargestellt", dass einem Asylwerber - ungeachtet der Textierung des § 1 Abs. 3 BBetrG in seiner ursprüngliche Fassung immer schon - unter näher beschriebenen Voraussetzungen ein (vor den ordentlichen Gerichten durchsetzbarer) zivilrechtlicher Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung zugestanden ist bzw. zusteht. Insoweit steht das mit der grundsätzlichen Position des Obersten Gerichtshofes in den erwähnten Entscheidungen zum Bestehen eines Rechtsanspruches auf Bundesbetreuung in Einklang.

Der Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber - ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 BBetrG in der Stammfassung - in der Vergangenheit mehrfach die Auffassung vertreten, auf die Bundesbetreuung bestehe kein Rechtsanspruch (vgl. etwa das zu § 36 Abs. 2 Z 7 FrG ergangene, schon zitierte Erkenntnis vom 11. September 2001, Zl. 2000/21/0164, mit dem Hinweis auf Rechtsprechung zum Fremdengesetz aus 1992). Das lässt sich nach dem Gesagten angesichts der nunmehr vorgenommenen "authentischen Interpretation" - in dieser uneingeschränkten Form - nicht aufrecht erhalten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass einem Asylwerber auf Basis des BBetrG schon "seit jeher" grundsätzlich - von den im Gesetz erwähnten Ausnahmen abgesehen - ein Rechtsanspruch auf Bundesbetreuung zustand.

Steht einem Asylwerber aber ein (durchsetzbarer) Anspruch auf Aufnahme in die Bundesbetreuung zu, lässt es sich nicht sachlich rechtfertigen, ihn anders zu behandeln als einen bereits in Bundesbetreuung befindlichen Asylwerber. Davon ausgehend hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall mit dem Hinweis auf die ihm als Asylwerber in der Regel zustehenden öffentlichen Versorgungsleistungen im Rahmen der Bundesbetreuung ausreichend aufgezeigt, dass ein (allein) auf seine Mittellosigkeit gestütztes Aufenthaltsverbot nach § 36 Abs. 2 Z 7 FrG der bei dieser Sachlage nach den gesetzlichen Wertungen gebotenen Ermessensübung widerspricht. Die belangte Behörde hat nicht darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer von der Aufnahme in die Bundesbetreuung ausgeschlossen sei. Sie hat den angefochtenen Bescheid auch nicht auf Umstände gestützt, die - ungeachtet eines Anspruchs auf Bundesbetreuung - die Behörde zu einer für den Beschwerdeführer negativen Ermessensübung hätten veranlassen können.

4. Der auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Soweit mit der vorliegenden Entscheidung von der bisherigen, auf der Auslegung des § 1 Abs. 3 BBetrG in der Stammfassung beruhenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen wird, bedarf es keiner Verstärkung des erkennenden Senates nach § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG, weil dies auf die mit der AsylG-Novelle 2003 vorgenommene Neufassung der Bestimmungen des BBetrG zurückzuführen ist und dazu noch keine, darauf ausdrücklich Bezug nehmende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. Dezember 2004

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