VwGH 2004/18/0250

VwGH2004/18/02507.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des P, geboren 1987, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (Einvernehmensanwalt:

Mag. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/11), gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Mai 2004, Zl. SD 291/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997;
AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §56;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2 erster Fall;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §15 Abs1 lita;
VwGG §30;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997;
AVG §64 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §56;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2 erster Fall;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §15 Abs1 lita;
VwGG §30;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Mai 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen. Unter einem wurde der von der Erstbehörde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung bestätigt.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität auf Grund fehlender Dokumente nicht nachgewiesen sei, sei nach eigenen Angaben im Februar 2003 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist. Am 7. März 2003 habe er beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren darüber sei am 16. April 2003 mangels Zustelladresse des Beschwerdeführers gemäß § 30 Asylgesetz 1997 (AsylG) eingestellt worden. Erst als der Beschwerdeführer in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert worden sei, habe das Asylverfahren fortgeführt werden können.

Am 2. Juni 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens gemäß § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit einem Mittäter am 27. April 2003 eine mit Kokain gefüllte Kugel an einen Suchtgiftabnehmer veräußert habe. Weiters habe er am 26. April 2003 als Alleintäter einem Suchtgiftkonsumenten eine mit Heroin gefüllte Kugel verkauft.

Unmittelbar nach der Enthaftung des Beschwerdeführers habe das Asylverfahren am 9. Juli 2003 neuerlich gemäß § 30 AsylG eingestellt werden müssen.

Bereits am 20. November 2003 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Er habe am 22. Oktober 2003 an zwei Suchtgiftabnehmer jeweils eine mit Heroin (0,7 g brutto) gefüllte Suchtgiftkugel verkauft. Dabei habe er in der Absicht gehandelt, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Da der Beschwerdeführer zur Verbüßung der unbedingten Freiheitsstrafe in die Justizanstalt Gerasdorf überstellt worden sei, habe das Asylverfahren fortgesetzt werden können. Am 22. März 2004 habe das Bundesasylamt den Antrag unter gleichzeitiger Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Berufung sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Seit 17. Februar 2004 sei der Beschwerdeführer im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz.

Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Angesichts des den Verurteilungen zu Grunde liegenden Fehlverhaltens (gewerbsmäßiger Suchtgifthandel) und im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende und vom Beschwerdeführer auch augenscheinlich dokumentierte Wiederholungsgefahr sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei ledig. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe er nicht behauptet. Das Aufenthaltsverbot sei - selbst wenn es mit einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verbunden wäre - im Grund des § 37 FrG zulässig. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die Verhaltensprognose könne schon angesichts der gewerbsmäßigen Tatbegehung und des raschen Rückfalls nicht positiv ausfallen. Der seit Begehung der letzten Straftat verstrichene Zeitraum von nicht ganz sechs Monaten sei zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Zu berücksichtigen sei die der Suchtgiftkriminalität innewohnende hohe Wiederholungsgefahr, die der Beschwerdeführer durch zwei einschlägige Verurteilungen unter Beweis gestellt habe. Auch die Interessenabwägung nach § 37 Abs. 2 FrG falle zu Ungunsten des Beschwerdeführers aus. Die ohnehin nicht stark ausgeprägte Integration des Beschwerdeführers werde in ihrer sozialen Komponente durch die Begehung von Straftaten weiter gemindert. Der Beschwerdeführer habe offensichtlich "nicht wirklich" ein nachhaltiges Interesse an der Durchführung seines Asylverfahrens, habe dieses doch zweimal eingestellt werden müssen. Zu einer Fortsetzung sei es nur gekommen, weil der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft bzw. in Strafhaft genommen worden sei. Jedenfalls müssten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, bei einer Rückkehr nach Nigeria wäre er mit dem Tod bedroht, sei zu entgegnen, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen werde, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Überdies sei das Vorliegen von Abschiebungshindernissen in einem anderen Verfahren zu prüfen.

Da sich der Beschwerdeführer in der Berufung nicht gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gewendet habe, sei darauf nicht weiter einzugehen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass Asylwerber in Österreich bis 30. April 2004 weder Sozialhilfe noch die Gelegenheit zu arbeiten erhalten hätten. Aus diesem Grund seien Asylwerber faktisch auf Eigentums- und Suchtgiftdelikte verwiesen gewesen, um überleben zu können. Dies habe besonders auf Schwarzafrikaner zugetroffen, die, weil sie am Bau aufgefallen wären, kaum Schwarzarbeit bekommen hätten. Mit der Vorgangsweise, Asylwerbern keine Möglichkeit zur gewähren, legales Einkommen zu erzielen, werde das Recht auf Leben verletzt. § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG, wonach ein Aufenthaltsverbot auch bei Verübung von Straftaten zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verhängen sei, sei daher verfassungswidrig.

1.2. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom Verwaltungsgerichtshof schon deshalb nicht geteilt, weil die Verwirklichung des Tatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG eine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung voraussetzt, auf Grund der bindend feststeht, dass dem Fremden das strafbare Verhalten auch subjektiv vorwerfbar ist.

2. Gegen die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 leg. cit. zulässig sei, bestehen aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides keine Bedenken.

3.1. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass die aus dem Jahr 1920 stammende Verfassung auf Inländer zugeschnitten sei. Aus der "Lücke" zwischen rechtskräftiger behördlicher Entscheidung und Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung drohten Inländern keine mit der Abschiebung in einen möglichen Verfolgerstaat vergleichbaren Folgen. Demgegenüber würde das Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer bei rechtskräftiger Abweisung des Asylantrages sofort durchsetzbar. Eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof "könnte zu spät kommen". Aus diesem Grund dürfe gegen einen Asylwerber ein Aufenthaltsverbot erst erlassen werden, wenn der Verwaltungsgerichtshof im Asylverfahren endgültig negativ entschieden habe.

3.2. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass der Gesetzgeber des AsylG, dem bekannt war, dass Verwaltungsgerichtshofbeschwerden gemäß § 30 VwGG aufschiebende Wirkung erst ab dem Zeitpunkt von deren Zuerkennung zukommt, nach dem klaren Wortlaut des § 21 Abs. 1 AsylG lediglich die Erlassung eines auf § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes gegen bestimmte Asylwerber ausgeschlossen, in allen anderen Fällen von Asylwerbern jedoch zugelassen hat.

Im Übrigen können die Bestimmungen über die Gewährung von aufschiebender Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof an eine Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates nicht zur Unzulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen. Auch wäre das Zuwarten mit der Erlassung eines nach dem FrG gebotenen Aufenthaltsverbotes bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine allenfalls erst einzubringende Beschwerde gegen einen abweisenden Asylbescheid vom Standpunkt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht vertretbar.

4.1. Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, dass an ein Aufenthaltsverbot auch andere Rechtswirkungen geknüpft seien. Diese anderen Rechtsfolgen müsse ein Asylwerber, dem der weitere Aufenthalt in Österreich nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, erdulden. Sollte der Beschwerdeführer länger nicht ausreisen können und später die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, stünde das Aufenthaltsverbot gemäß §§ 10 und 15 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 der Verleihung entgegen. Nach § 10 Abs. 1 Z. 5 leg. cit. könne einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn gegen ihn kein Aufenthaltsverbot bestehe. Nach § 15 Abs. 1 lit. a leg. cit. werde der Lauf der Wohnsitzfrist durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen.

4.2. Diese Argumentation ist schon im Ansatz verfehlt, geht sie doch von der unrichtigen Prämisse aus, dass ein - wegen Gefährdung öffentlicher Interessen verhängtes - Aufenthaltsverbot, das nicht durchgesetzt werden kann, auch keine anderen Rechtswirkungen entfalten dürfe.

5. Durch den von der belangten Behörde bestätigten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung wurde der Beschwerdeführer (der in der Beschwerde einen inländischen Wohnsitz angibt) schon deshalb nicht in Rechten verletzt, weil er nicht behauptet, während des anhängigen Berufungsverfahrens abgeschoben worden zu sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Mai 1999, Zl. 99/18/0056).

6. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 7. September 2004

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