VwGH 2004/08/0138

VwGH2004/08/013822.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Bundes (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Juni 2004, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2004-4038, betreffend Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §27;
AlVG 1977 §79 Abs73;
AlVG 1977 §27;
AlVG 1977 §79 Abs73;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Mit per Telefax eingebrachtem Antrag vom 5. März 2004 begehrte der Bund als Dienstgeber einer Vertragslehrerin Zuerkennung von Altersteilzeitgeld nach den §§ 27 und 28 AlVG. In diesem Antrag wurde ausgeführt, dass die Vertragslehrerin W. (geboren am 3. Juli 1951) für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 30. Juni 2009 in die Altersteilzeitarbeit übertrete. Mit gleichfalls per Telefax übermitteltem Schreiben vom 5. März 2004 erstattete die beschwerdeführende Partei zwei Änderungsmeldungen betreffend das Altersteilzeitgeld. Darin wurde ausgeführt, dass sich die Entgelthöhe für Frau W. ab 1. Jänner 2004 bzw. ab 1. Juli 2004 wegen einer Änderung der kollektivvertraglichen bzw. gesetzlichen Bestimmungen ändere.

Mit Bescheid (der regionalen Geschäftsstelle) des Arbeitsmarktservice Wien vom 31. März 2004 wurde der Antrag vom 5. März 2004 auf Gewährung von Altersteilzeitgeld für Frau W. gemäß § 27 iVm § 79 Abs. 73 AlVG abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei am 5. März 2004 beim Arbeitsmarktservice eingelangt. Er sei daher nach den neuen Regelungen des § 27 AlVG zu beurteilen. Die bis 31. Dezember 2003 gültige Fassung des § 27 AlVG könne nicht mehr zur Anwendung gelangen. Mangels Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen gemäß § 27 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 sei der Antrag daher abzulehnen gewesen.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde keine Folge gegeben. In der Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Altersteilzeitgeld seien vom Gesetzgeber per 1. Jänner 2004 novelliert worden. Auf Grund der eindeutigen Übergangsbestimmung des § 79 Abs. 73 AlVG seien Anträge auf Zuerkennung von Altersteilzeitgeld auf Grund von Vereinbarungen, deren Laufzeit nach dem 31. Dezember 2003 beginne, inhaltlich nach den geänderten Bestimmungen zu beurteilen. Die vorherige Regelung sei befristet gewesen und mit Ablauf des 31. Dezember 2003 "ausgelaufen". Seit 1. Jänner 2004 würden strengere Anspruchsvoraussetzungen gelten. Der Antrag auf Altersteilzeitgeld betreffe einen Zeitraum, welcher vor dem 1. Jänner 2004 begonnen habe, und er wäre daher auch vor diesem Datum einzubringen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 27 Abs. 1 AlVG hat ein Arbeitgeber, der ältere Arbeitnehmer beschäftigt, die ihre Arbeitszeit verringern, und der diesen einen Lohnausgleich gewährt, Anspruch auf Altersteilzeitgeld. Die wesentlichen Voraussetzungen dieses Anspruches waren in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung des § 27 Abs. 2 AlVG wie folgt geregelt:

"(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens sechseinhalb Jahre für Frauen ab Vollendung des 50. Lebensjahres und für Männer ab Vollendung des 55. Lebensjahres, die

1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren,

2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprechende oder diese höchstens um 20 vH unterschreitende Normalarbeitszeit auf 40 bis 60 vH der Normalarbeitszeit verringert haben,

3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung

a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und

b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und

4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG."

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 erhielt diese Bestimmung auf Grund der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 folgende Fassung:

"(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens fünf Jahre für Personen, die nach spätestens fünf Jahren das Mindestalter für eine Alterspension vollenden und die

1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren, wobei auf die Anwartschaft anzurechnende Zeiten gemäß § 14 Abs. 4 und 5 berücksichtigt und die Rahmenfrist um arbeitslosenversicherungsfreie Zeiten der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erstreckt werden,

2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre Normalarbeitszeit, die im letzten Jahr der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprochen oder diese höchstens um 20 vH unterschritten hat, auf 40 bis 60 vH verringert haben,

3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung

a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem im letzten Jahr (bei kürzerer Beschäftigungszeit in einem neuen Betrieb während dieser kürzeren, mindestens drei Monate betragenden Zeit) vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und

b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und

4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG."

§ 80 Abs. 9 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 hatte folgenden Wortlaut:

"(9) Die §§ 26a und 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 und § 28 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 179/1999 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft; sie sind jedoch auf laufende Fälle weiter anzuwenden."

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 wurde die genannte Bestimmung des § 80 Abs. 9 AlVG mit Wirkung vom 21. August 2003 aufgehoben.

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 wurde folgende Übergangsbestimmung des § 79 Abs. 73 AlVG geschaffen:

"(73) § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 tritt mit 1. Jänner 2004 in Kraft und gilt für Ansprüche auf Altersteilzeitgeld auf Grund von Vereinbarungen, deren Laufzeit nach dem 31. Dezember 2003 beginnt. Für Ansprüche auf Altersteilzeitgeld, die vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 erfolgreich geltend gemacht wurden, gilt § 27 in der bisher anzuwendenden Fassung weiter."

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unstrittig, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Altersteilzeitgeldes, die ab 1. Jänner 2004 in Geltung stehen, nicht erfüllt sind. Die beschwerdeführende Partei bringt aber vor, dass am 31. Oktober 2003 mit Nachtrag zum bestehenden Dienstvertrag eine Vereinbarung zwischen dem Bund als Dienstgeber und Frau W. als Dienstnehmerin über eine Altersteilzeitbeschäftigung ab 1. Dezember 2003 getroffen worden sei. Es seien daher für die Frage, ob Altersteilzeitgeld zuzuerkennen ist, die gesetzlichen Bestimmungen in der vor dem 1. Jänner 2004 geltenden Fassung maßgebend.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Behörde grundsätzlich das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden hat, sofern nicht eine gesetzliche Regelung etwas anderes vorschreibt (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I, 2. Auflage, S. 921 ff zit. hg. Rechtsprechung). Es kommt daher § 79 Abs. 73 AlVG entscheidende Bedeutung zu.

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Vereinbarung über die Herabsetzung der Arbeitszeit mit 1. Dezember 2003 wirksam wurde. Die Anwendbarkeit des § 27 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 scheidet daher auf Grund des ersten Satzes des § 79 Abs. 73 AlVG von vornherein aus.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Übrigen die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, dass eine im Sinne des Legalitätsprinzips (Art. 18 B-VG) ausreichend bestimmte Regelung betreffend die anzuwendende Rechtslage im hier maßgeblichen Zusammenhang nicht davon abhängen kann, ob die Behörde einen Antrag noch vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 positiv erledigt hat. Das Wort "erfolgreich" im zweiten Satz des § 79 Abs. 73 AlVG kann sich daher bei gebotener verfassungskonformer Interpretation nicht auf den Zeitpunkt der Erledigung des Antrages durch die Behörde beziehen. Die Regelung ist vielmehr dahin zu verstehen, dass der Antrag vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 gestellt worden und in weiterer Folge - ohne nähere diesbezügliche zeitliche Begrenzung - positiv erledigt worden, also erfolgreich gewesen sein muss. Dabei ist dann § 27 AlVG in der vor dem 1. Jänner 2004 geltenden Fassung maßgebend. Waren auch dessen Voraussetzungen nicht erfüllt, schied Altersteilzeitgeld - und folglich ein darauf "erfolgreich" geltend machbarer Anspruch - aus.

Eine andere Rechtsmeinung ist auch im Hinblick auf das Gleichheitsgebot nicht vertretbar, da Vereinbarungen, die erst kurz vor dem 31. Dezember 2003 abgeschlossen worden sind, sonst schon aus tatsächlichen Gründen nicht vor dem Ablauf dieses Tages hätten rechtskräftig positiv erledigt werden können, wodurch auf sie § 27 AlVG überhaupt nicht zur Anwendung gelangen würde, und zwar auch nicht bei Einhaltung der ab 1. Jänner 2004 geltenden Voraussetzungen.

Von dem genannten Verständnis der Geltungsbereiche der Fassungen des § 27 AlVG geht schließlich auch § 82 Abs. 1 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 aus. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"§ 82. (1) Einem Arbeitgeber, der auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung, die nach dem 31. März 2003 und vor dem 1. Jänner 2004 wirksam geworden ist, Anspruch auf Altersteilzeitgeld gemäß § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 hat, gebührt Altersteilzeitgeld für Personen, die auf Grund der Erhöhung des für einen Anspruch auf Alterspension erforderlichen Mindestalters nicht mit dem Ende der ursprünglichen Altersteilzeitvereinbarung in Pension gehen können, bei Verlängerung der Altersteilzeitvereinbarung und Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nach der bisherigen Rechtslage längstens bis zum Ablauf des Kalendermonates nach Erreichung des frühestmöglichen Pensionsanfallsalters."

Ein Anspruch auf Altersteilzeitgeld nach Maßgabe der Fassung des § 27 AlVG, die vor dem 1. Jänner 2004 gegolten hat, besteht daher bei allen Altersteilzeitvereinbarungen, die vor dem 1. Jänner 2004 wirksam geworden sind, allerdings unter der weiteren Voraussetzung des § 79 Abs. 73 zweiter Satz AlVG, dass nämlich der Anspruch auch schon vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 geltend gemacht worden sein muss. Im vorliegenden Fall ist aber unstrittig, dass der Antrag erst am 5. März 2004 gestellt wurde.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt ein Zuspruch von Kosten nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, Zl. 2001/08/0196).

Wien, am 22. Dezember 2004

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