VwGH 2004/07/0038

VwGH2004/07/003827.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des A in Z, vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. Jänner 2004, Zl. uvs-2003/16/148-5, betreffend eine Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (weitere Partei:

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §2 Abs7 Z4;
AWG 2002 §79 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AWG 2002 §2 Abs7 Z4;
AWG 2002 §79 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 20. Oktober 2003 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zumindest seit 27. Juli 2003 ca. 200 m südlich der Abzweigung "Z-taler Höhenstraße/K - Schihütten" im Gemeindegebiet von Z-berg gefährlichen Abfall, nämlich ein Altauto der Marke Subaru, Farbe grau, mit dem Kennzeichen laut Begutachtungsplakette SZ-3 GFH abgelagert.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach den §§ 79 Abs. 1 Z. 1 iVm 15 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102/2002 (AWG 2002) begangen.

Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt.

Der Beschwerdeführer berief.

Er machte geltend, das von ihm ständig verwendete Fahrzeug sei weder Abfall, noch habe er versucht, sich dieses Fahrzeuges zu entledigen, da er es für den täglichen Milchtransport benötige. Das Fahrzeug sei technisch in Ordnung. Dies werde durch ein Gutachten eines Kfz-Mechanikers bewiesen, der bestätige, dass das Kraftfahrzeug keine Flüssigkeiten verliere, die Bremsen funktionstüchtig und der Auspuff in Ordnung seien. Es sei bereits von der Gendarmerie bei der Sachverhaltsaufnahme bestätigt worden, dass das Fahrzeug keine Flüssigkeiten verliere. Von dem Fahrzeug gingen keine Gefahren oder Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 aus. Weiters sei das Fahrzeug nicht "abgelagert", sondern stehe in ständigem Gebrauch für die auf der Alm notwendigen Milchtransporte. Da das Fahrzeug nur auf eigenem Grund und Boden des Beschwerdeführers verwendet werde, sei auch weder ein Kennzeichen noch eine Kfz-Plakette erforderlich.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines kraftfahrtechnischen Sachverständigen dazu ein, ob vom Fahrzeug des Beschwerdeführers Gefahren für die Umwelt ausgingen, ob es verkehrs- und betriebssicher sei und welcher Aufwand notwendig wäre, um es wieder in diesen Zustand zu bringen.

In seinem Gutachten vom 9. Dezember 2003 führte der Sachverständige aus, als Befundunterlage habe der gesamte Akteninhalt einschließlich der als "E-Mail" vorliegenden Lichtbilder gedient. Weiters sei ein Ortsaugenschein am 3. Dezember 2003 an der Z-taler Höhenstraße durchgeführt worden, um die Fahrzeugwracks näher zu untersuchen. Im Zuge dieses Augenscheins sei festgestellt worden, dass das beanstandete Fahrzeug in der Zwischenzeit entfernt worden sei. Es habe dadurch auch nicht mehr nach den Vorgaben des AWG beurteilt werden können.

Im Gutachtensteil führte der Sachverständige aus, das Fahrzeug könne auf Grund des vorliegenden Lichtbildes eindeutig als "wirtschaftlicher Totalschaden" gewertet werden, weil an der Karosserie erhebliche Rostschäden ersichtlich seien (Motorhaube, Radhaus vorne und Radhaus hinten). Von einem wirtschaftlichen Totalschaden werde dann gesprochen, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert überschritten. Überstiegen die Instandsetzungskosten für die Erlangung einer Prüfplakette den Zeitwert (EUR 350,--), so liege ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, d.h. das gegenständliche Kraftfahrzeug gelte als Fahrzeugwrack und sei nachweislich zu entsorgen.

Auf Grund des technischen Zustandes des Kraftfahrzeuges könne aus technischer Sicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Austritt von gefährlichen Inhaltsstoffen (Altöl, Kühlflüssigkeit, Brems- und Batterieflüssigkeit) nicht ausgeschlossen werden und es könne daher zu nachteiligen Auswirkungen für Tiere und Pflanzen bzw. die natürliche Umwelt kommen.

Da die Verkehrs- und Betriebssicherheit letztmalig 1995 überprüft worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der ordnungsgemäße Zustand nicht mehr vorliege und es zu schädlichen Luftverunreinigungen komme.

Ein weiteres Problem stelle die Versorgung mit Betriebsmitteln dar. Eine Betankung mit Benzin könne immer nur über einen Kanister oder ein anderes Behältnis im Freien erfolgen, wobei das Austreten von Benzin (und Kontaminieren des Erdreiches) nicht ausgeschlossen werden könne. Die bloß tatsächliche Möglichkeit der Inbetriebnahme (Verwendung) begründe jedoch nicht das Vorliegen eines "einwandfreien Betriebszustandes". Angesichts der zum Teil gravierenden Rostschäden könne jedenfalls nicht von einem "einwandfreiem Betriebszustand" gesprochen werden. Dieser wäre im Übrigen nur dann gegeben, wenn das Fahrzeug laufend ordnungsgemäß gewartet und überprüft worden wäre.

Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Bestätigung eines Kfz-Mechanikers sei gegenstandslos, "da das gegenständliche Kraftfahrzeug nur als 'Almfahrzeug' ohne Angabe von Marke und Type erstellt wurde". Weiters sei nicht bekannt, ob der Kfz-Mechaniker als Prüfer gemäß § 57a KFG 1967 tätig sei.

Zusammenfassend werde sachverständig festgehalten, dass beim Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Austreten von gefährlichen Flüssigkeiten in das Erdreich nicht ausgeschlossen werden könne, zumal die letzte offizielle Überprüfung 1995 erfolgt sei. Weiters sei auch das gesetzeskonforme Abgasverhalten nicht mehr gewährleistet.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 7. Jänner 2004 die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

In der Begründung heißt es, die belangte Behörde pflichte der Auffassung der Abteilung Umweltschutz (des Amtes der Tiroler Landesregierung) bei, dass Kraftfahrzeuge, deren Wiederherstellung nur mit unverhältnismäßigen Kosten erfolgen könne und die auf Grund ihres Zustandes Gefahren für die Umwelt auslösen könnten (hierfür sei ein sofortiger Austritt von Flüssigkeiten nicht erforderlich, es genüge, wenn ein Austritt von Flüssigkeiten in späterer Folge nicht ausgeschlossen werden könne), als gefährlicher Abfall anzusehen seien. Nur eine Minderheit der Nutzer sei der Ansicht, dass ein derartiges potenziell gefährliches Auto noch zu eingeschränkten Zwecken einsetzbar sei. Es sei rechtspolitisch nicht vertretbar, für Fahrzeuge, die in der Natur in Verwendung stünden (und somit nicht auf öffentlichen Verkehrsflächen) geringere Umweltstandards zu fordern wie für Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr. Gerade das Gegenteil sollte gefordert werden. Die belangte Behörde schließe sich somit der Ansicht der Erstbehörde und des Sachverständigen an, dass es sich um gefährlichen Abfall handle. Es sei unbestritten, dass es sich schon um ein älteres Auto handle. Ebenso sei unbestritten, dass dieses Auto schon Korrosionen aufweise und nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder herstellbar wäre. Abgesehen davon sei es naheliegend, dass die Betankung dieses Fahrzeuges nicht auf einer flüssigkeitsdichten öffentlichen Tankstelle erfolgen könne, sondern nur auf nicht abgesicherten Grundflächen. Die Bestätigung des Kraftfahrzeugmechanikers sei keine Widerlegung des Gutachtens, da es auf die Abgaswerte nicht Bezug nehme und auch nicht auf eine bestimmte Motornummer und Karosserienummer. Weiters stehe nicht fest, dass der Kfz-Mechaniker zugelassener Begutachter nach dem KFG sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, sein Fahrzeug sei funktionstüchtig und technisch in Ordnung. Dies ergebe sich aus der Begutachtung durch den Kfz-Mechaniker. Das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen sei unschlüssig und es sei nicht nachvollziehbar, wie der Gutachter allein auf Grund von Fotos und des Akteninhalts ohne Besichtigung des Fahrzeuges zu seinen Gutachtensergebnissen habe kommen können. Nicht jedes Altfahrzeug, das keine Prüfplakette aufweise, sei schon Abfall. Das Fahrzeug werde täglich verwendet. Es gehe darum, ein kostengünstiges Fahrzeug für die Almbewirtschaftung zu haben. Der Beschwerdeführer sei daher selbst daran interessiert, dass das Fahrzeug technisch in Ordnung sei und von ihm keinerlei Emissionen ausgingen. Von einem Totalschaden könne keine Rede sein. Das Fahrzeug stehe in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung bestimmungsgemäßen Verwendung. Die belangte Behörde habe auch Verfahrensvorschriften verletzt. Sie habe dem Beschwerdeführer das Sachverständigengutachten erst in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht. Hätte er rechtzeitig davon Kenntnis erhalten, hätte er ein Gegengutachten beibringen können. Außerdem hätte die belangte Behörde den Gutachter von Amts wegen dazu anhalten müssen, das Fahrzeug zu besichtigen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 79 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 lautet:

"Wer gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert oder behandelt oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt, begeht - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 730,-- bis EUR 36.340,-- zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von EUR 3.630,-- bedroht."

Dem Beschwerdeführer wird ein "Ablagern" eines als gefährlicher Abfall eingestuften Gegenstandes zur Last gelegt.

"Ablagern" bedeutet (auch) im AWG 2002 etwas Langfristiges (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 2004, 2003/07/0121), also die Verbringung von Abfall an einen Ort mit der Absicht, ihn dort langfristig zu belassen.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren behauptet, das Fahrzeug werde ständig verwendet. Dass diese Behauptung unrichtig sei, hat die belangte Behörde nicht festgestellt; sie ist vielmehr selbst davon ausgegangen, dass das Fahrzeug "in der Natur in Verwendung steht".

Angesichts dieses Sachverhaltes kann aber nicht davon die Rede sein, dass ein "Ablagern" vorliegt.

Aus diesem Grund erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Mai 2004

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