VwGH 2004/04/0134

VwGH2004/04/013420.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH in Wien, diese vertreten durch Schramm Öhler, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 11. Juni 2004, GZ 05N-35/04-46, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Parteien: 1. A- und S Gesellschaft mbH in W, 2. S-M GmbH in F, 3. A GesmbH in K und 4. W-N GmbH in W, alle vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9), zu Recht erkannt:

Normen

31989L0665 Rechtsmittel-RL;
62001CJ0057 Makedoniko Metro VORAB;
ABGB §1175;
ABGB §834;
AVG §10;
AVG §13;
AVG §9;
BVergG 2002 §163 Abs1;
BVergG 2002 §20 Z11;
BVergG 2002 §20 Z32;
BVergG 2002 §30 Abs2;
EURallg;
LVergG NÖ 1995 §25;
31989L0665 Rechtsmittel-RL;
62001CJ0057 Makedoniko Metro VORAB;
ABGB §1175;
ABGB §834;
AVG §10;
AVG §13;
AVG §9;
BVergG 2002 §163 Abs1;
BVergG 2002 §20 Z11;
BVergG 2002 §20 Z32;
BVergG 2002 §30 Abs2;
EURallg;
LVergG NÖ 1995 §25;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem allein angefochtenen Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesvergabeamtes vom 11. Juni 2004 wurde über Antrag der mitbeteiligten Parteien die am 1. April 2004 bekannt gegebene Zuschlagsentscheidung der Beschwerdeführerin im Vergabeverfahren "Bereitstellung von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern gemäß B-BSG" bezüglich der Lose Wien I und Wien II betreffend Bereitstellung von Arbeitsmedizinern gemäß §§ 21 Abs. 1, 162 Abs. 2 Z. 2 und 163 Abs. 1 Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99 (BVergG), für nichtig erklärt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde - soweit hier wesentlich - aus, dass Gegenstand des Vergabeverfahrens die Bereitstellung von Sicherheitsfachkräften und Arbeitsmedizinern gemäß Bundes-Bedienstetenschutzgesetz (B-BSG) sei. Für jedes Bundesland sei die Beauftragung eines arbeitsmedizinischen Zentrums und eines sicherheitstechnischen Zentrums geplant gewesen; Wien sei jedoch in die Teile Wien I und Wien II aufgeteilt worden. Eine Teilvergabe getrennt für Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner und für jedes Bundesland (bzw. für die Lose Wien I und Wien II) sei möglich. Bei der zu vergebenden Leistung handle es sich um eine nicht prioritäre Dienstleistung im Oberschwellenbereich gemäß § 16 Abs. 3 BVergG.

Die Mitbeteiligten hätten gemeinsam mit der A GmbH in L (im Folgenden: A) als "Arbeitsgemeinschaft A Wien" ein Angebot für die Lose Wien I und Wien II betreffend die Bereitstellung von Arbeitsmedizinern gelegt. Mit Telefax vom 1. April 2004 sei u. a. dieser Bietergemeinschaft die Zuschlagsentscheidung für die Lose Wien I und Wien II zu Gunsten der We.-GmbH bekannt gegeben worden.

Den gegenständlichen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung hinsichtlich der Lose Wien I und Wien II hätten die vier mitbeteiligten Parteien, nicht jedoch die ebenfalls an der Bietergemeinschaft beteiligte A eingebracht. Dieser Umstand führe jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages. Sämtliche Mitglieder der Bietergemeinschaft hätten durch die Abgabe des gemeinsamen Angebots ihr Interesse am Vertragsabschluss bekundet. Die vier antragstellenden Mitglieder hätten auf Grund interner Vereinbarungen 90 % des Gesamtleistungsvolumens zu erbringen gehabt. Unter den Mitgliedern der Bietergemeinschaft "Arbeitsgemeinschaft A Wien" sei überdies eine solidarische Haftung für die Auftragserfüllung vereinbart und gegenüber dem Auftraggeber offengelegt worden. Die vier antragstellenden Unternehmen hätten ein Interesse am Abschluss des von der Bietergemeinschaft angebotenen Vertrages, zumal es der belangten Behörde auch möglich erscheine, dass das auf das nicht antragstellende Mitglied entfallende Auftragsvolumen von 10 % von den anderen Mitgliedern erbracht werden könne. Eine Verneinung eines Interesses am Vertragsabschluss würde eine Verweigerung des vom BVergG und europarechtlichen Grundsätzen geforderten Rechtsschutzes bedeuten.

Inhaltlich sei der Auftraggeber auf Grund einer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommenen Prüfung zum Ergebnis gekommen, das Angebot der Bietergemeinschaft "Arbeitsgemeinschaft A Wien" sei auszuscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde und die Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften je mit dem Antrag, die Beschwerde zurück- bzw. abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt - soweit hier wesentlich - vor, dass die vier mitbeteiligten Parteien kein - gemäß § 163 Abs. 1 BVergG für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages erforderliches - Interesse am Abschluss des von der Bietergemeinschaft angebotenen Vertrages hätten. Einzelne Mitglieder einer Bietergemeinschaft hätten nämlich kein eigenes Interesse am Abschluss des gesamten Vertrages. Der Vertrag über die interne Aufteilung der zu erbringenden Leistungen der Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft A Wien" sehe vor, dass bestimmte Dienststellen von der A zu versorgen seien. Da die Angebotsbindung nach den allgemeinen Ausschreibungsunterlagen am 9. Mai 2004 geendet habe, sei die A, die durch die Abstandnahme von der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens die Angebotsbindung konkludent nicht verlängert habe, nicht mehr an ihr Angebot gebunden. Den Mitbeteiligten als einzelnen Mitgliedern einer Bietergemeinschaft könne auch kein Schaden entstehen, weil sie für die Zuschlagsentscheidung gar nicht in Betracht kämen. Eine Zuschlagserteilung an einzelne Mitglieder einer Bietergemeinschaft sei nämlich nicht möglich. Überdies ergebe sich die Leistungsfähigkeit der Bietergemeinschaft aus der Summe der Leistungsfähigkeiten ihrer Mitglieder. Den antragstellenden vier Mitgliedern fehle daher die Leistungsfähigkeit.

Die maßgeblichen Bestimmungen des BVergG haben folgenden

Wortlaut:

"§ 20. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende

Begriffsbestimmungen maßgebend:

...

3. Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer, die sich unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnisses dem Auftraggeber gegenüber solidarisch zur vertragsgemäßen Erbringung einer Leistung auf dem Gebiet gleicher oder verschiedener Fachrichtungen verpflichten.

...

10. Bieter ist ein Unternehmer oder eine Bietergemeinschaft, der bzw. die ein Angebot eingereicht hat.

11. Bietergemeinschaft ist ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer zum Zweck des Einreichens eines gemeinsamen Angebots.

...

32. Unternehmer sind natürliche oder juristische Personen, handelsrechtliche Personengesellschaften, eingetragene Erwerbsgesellschaften und Arbeitsgemeinschaften.

...

§ 30. ...

(2) Arbeitsgemeinschaften und Bietergemeinschaften können Angebote einreichen. Bietergemeinschaften sind nicht verpflichtet, zwecks Einreichen des Angebots eine bestimmte Rechtsform anzunehmen. Beim nichtoffenen Verfahren und beim Verhandlungsverfahren haben die eingeladenen Bewerber dem Auftraggeber die Bildung einer Bieter- oder Arbeitsgemeinschaft vor Ablauf der halben Angebotsfrist mitzuteilen. Im Auftragsfall schulden Bietergemeinschaften als Arbeitsgemeinschaften dem Auftraggeber die solidarische Leistungserbringung.

...

§ 163. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, kann die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

..."

Bei einer Bietergemeinschaft im Sinn von § 20 Z. 11 BVergG handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der grundsätzlich die Eigenschaft einer juristischen Person nicht zukommt. Ihr kommt jedoch soweit Parteifähigkeit zu, als das zu Grunde liegende Materiengesetz einer solchen Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechte oder Verfahrensrechte einräumt. Vorliegend räumt § 30 Abs. 2 BVergG einer Bietergemeinschaft eine derartige selbständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechtsstellung ein. Nach dieser Bestimmung können Bietergemeinschaften Angebote einreichen und sind nicht verpflichtet, dazu eine bestimmte Rechtsform anzunehmen. Diese Vorschrift stellt klar, dass sich auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts als einheitlicher Bieter am Vergabeverfahren beteiligen können (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0011, mwN).

Das einheitliche Angebot der Bietergemeinschaft kann nur als solches angenommen werden. Daher kommt auch das Interesse am Abschluss des Vertrages, das gemäß § 163 Abs. 1 BVergG für die Stellung eines Nachprüfungsantrages erforderlich ist, nur der Bietergemeinschaft als solcher zu (vgl. auch Grasböck, Die Bietergemeinschaft als Nachprüfungswerberin (Teil 1), ZVB 2004, 203 ff). Im zitierten Erkenntnis, Zl. 2002/04/0011, kommt der Verwaltungsgerichtshof daher zum Ergebnis, dass einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die sich an einem Vergabeverfahren beteiligt hat, auch das gemäß § 25 des NÖ Vergabegesetzes, LGBl. Nr. 7200-2, einem "Bieter oder Bewerber" eingeräumte Recht der Stellung eines Nachprüfungsantrages zukommt.

Ungeachtet des Umstandes, dass § 163 Abs. 1 BVergG nur "Unternehmer" zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages legitimiert und § 20 Z. 32 leg. cit. Bietergemeinschaften nicht als Unternehmer nennt, gilt dies auch für die vorliegend maßgebliche Rechtslage nach dem BVergG. Aus einer Bietergemeinschaft geht gemäß § 30 Abs. 2 letzter Satz BVergG "im Auftragsfall" unmittelbar kraft Gesetzes eine Arbeitsgemeinschaft - wobei es sich weiterhin um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt - hervor (vgl. auch Holoubek, Gewerbebefugnis und Bietergemeinschaften - zum Verhältnis von Gewerbe- und Vergaberecht, RPA 2003, S. 263 ff). Eine solche Arbeitsgemeinschaft ist gemäß § 20 Z. 32 Unternehmer im Sinn des BVergG und somit gemäß § 163 Abs. 1 leg. cit. - unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen - zur Stellung eines Nachprüfungsantrages berechtigt. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die sich zulässigerweise an einem Vergabeverfahren beteiligen, das Recht auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens - das typischerweise darauf abzielt, den Auftrag zu erhalten - erst ab dem Zeitpunkt des Erhalts des Auftrages einräumen wollen. Daher ist das BVergG so auszulegen, dass neben den in § 20 Z. 32 Genannten auch den Bietergemeinschaften die von § 163 Abs. 1 geforderte Unternehmereigenschaft zukommt. Für dieses Ergebnis spricht auch eine richtlinienkonforme Interpretation, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften doch im Urteil vom 23. Jänner 2003 in der Rechtssache C-57/01 , Makedoniko Metro, Slg. 2003, S. I-01091, ausgesprochen, dass einer Bietergemeinschaft die in der Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittel-Richtlinie) vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen müssen, soweit eine Entscheidung einer Vergabebehörde die Rechte verletzt, die ihr nach dem Gemeinschaftsrecht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zustehen (RN 73).

Ob zur Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach außen - mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag - alle Mitglieder (oder deren Vertreter) gemeinsam auftreten müssen, oder dazu die Mehrheit (bei außerordentlichen Maßnahmen nach Absicherung der nicht zustimmenden Mitglieder gemäß §§ 834 ff ABGB) berufen ist (so für die hier gegenständliche Frage der Stellung eines Nachprüfungsantrages durch eine Bietergemeinschaft im Ergebnis Grasböck, Die Bietergemeinschaft als Nachprüfungswerberin (Teil 2), ZVB 2004, 245 ff), ist strittig (vgl. etwa Strasser in Rummel Teil 22, 67 ff und Kastner/Doralt/Novotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 66 ff). Ein von allen Mitgliedern gemeinsam - wenn auch nicht ausdrücklich für die Bietergemeinschaft - eingebrachter Antrag ist daher im Zweifel der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bietergemeinschaft zuzurechnen. Treten hingegen nicht alle Mitglieder als Nachprüfungswerber auf, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass es sich um einen Antrag der Gesellschaft handelt. In diesem Fall muss ausdrücklich klargelegt werden, dass die Gesellschaft die Nachprüfung begehrt; die auftretenden Gesellschafter haben überdies darzulegen, dass sie zur Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts berufen sind. Ein von nur einem Teil der Mitglieder einer Bietergemeinschaft jeweils im eigenen Namen gestellter Nachprüfungsantrag ist dagegen - ebenso wie etwa ein Nachprüfungsantrag von einzelnen Gesellschaftern einer OHG - als unzulässig zurückzuweisen.

Vorliegend hat die Bietergemeinschaft "Arbeitsgemeinschaft A Wien" bestehend aus den mitbeteiligten Parteien und der A ein Anbot betreffend die Bereitstellung von Arbeitsmedizinern für die Lose Wien I und Wien II gelegt. Innerhalb der gemäß § 169 Abs. 1 Z. 1 lit. c iVm § 100 Abs. 2 BVergG 14-tägigen Frist haben jedoch insoweit nur die vier Mitbeteiligten einen Nachprüfungsantrag eingebracht, die dabei jeweils im eigenen Namen aufgetreten sind. Eine Erklärung, auch als Vertreter der A aufzutreten, enthält der Antrag nach der Aktenlage nicht.

Da die belangte Behörde in Verkennung der dargestellten Rechtslage den Nachprüfungsantrag der Mitbeteiligten nicht zurückgewiesen, sondern inhaltlich erledigt hat, war ihr Bescheid im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Dazu sei festgehalten, dass im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine Parteibeschwerde der obsiegenden Partei auch dann Aufwandersatz gebührt, wenn eine Dienststelle einer Gebietskörperschaft gegen einen Bescheid einer Behörde derselben Gebietskörperschaft Beschwerde erhoben hat (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 678, zitierte hg. Judikatur).

Wien, am 20. Oktober 2004

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