VwGH AW 2004/04/0018

VwGHAW 2004/04/001814.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Bietergemeinschaft B GmbH und Ö GmbH, vertreten durch D, S, C, Rechtsanwaltspartnerschaft, der gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom 6. April 2004, Zl. VKS- 2019/04, betreffend Nichtigerklärung einer Zuschlagsentscheidung (mitbeteiligte Parteien: 1. Bietergemeinschaft P Aktiengesellschaft, S AG und A GmbH in Wien, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt, und 2. Wiener Linien GmbH & Co KG), erhobenen und zur hg. Zl. 2004/04/0078 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E234 EG Art234 Abs3;
31989L0665 Rechtsmittel-RL;
62001CJ0249 Hackermüller VORAB;
B-VG Art131;
LVergRG Wr 2003 §27 Abs2;
LVergRG Wr 2003;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
11997E234 EG Art234 Abs3;
31989L0665 Rechtsmittel-RL;
62001CJ0249 Hackermüller VORAB;
B-VG Art131;
LVergRG Wr 2003 §27 Abs2;
LVergRG Wr 2003;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Verfahrensgegenständlich ist das Vergabeverfahren des Auftraggebers Wiener Linien GmbH & Co KG betreffend die Vergabe von Gleisbauarbeiten für die Bauabschnitte U1/2 und U1/3 (Schotteroberbau) und restliche Baumeisterarbeiten für die U-Bahn-Linie U1.

Mit Bescheid vom 6. April 2004 hat die belangte Behörde dem Antrag auf Teilnahme am Nachprüfungsverfahren der Beschwerdeführerin stattgegeben (Spruchpunkt 1.), die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers vom 27. Februar 2004, wonach für die Zuschlagserteilung die Beschwerdeführerin vorgesehen sei, für nichtig erklärt (Spruchpunkt 2.) und die am 23. März 2004 (für die Dauer von max. zwei Monaten) erlassene einstweilige Verfügung mit sofortiger Wirkung aufgehoben (Spruchpunkt 3.).

Diesen Bescheid hat die belangte Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass die der beschwerdeführenden Bietergemeinschaft angehörige T GmbH im Zeitpunkt der Angebotseröffnung weder die erforderliche Gewerbeberechtigung besessen noch einen Antrag auf Gleichstellung gestellt habe und daher auszuscheiden gewesen wäre.

In der dagegen gerichteten Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin auch die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung. Zur Begründung dieses Antrages führt sie aus, das Gemeinschaftsrecht verlange einen wirksamen einstweiligen Rechtsschutz im Vergaberecht. Der angefochtene Bescheid sei einem Vollzug zugänglich, weil es dem Auftraggeber auf Grund dieses Bescheides untersagt sei, den Zuschlag der Beschwerdeführerin zu erteilen. Bei Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter wären für die Beschwerdeführerin die bisherigen Aufwendungen im Vergabeverfahren verloren. Der bei Erhalt des Auftrags zu lukrierende Verdienst würde ebenso entgehen wie die aus der Durchführung dieses Projekts resultierenden Referenzwirkungen. Die Beschwerdeführerin bezifferte ihren Schaden mit etwa EUR 260.000,-- , wozu der derzeit nicht bezifferbare Schaden aus dem Verlust der Referenzwirkung komme. Dieser Schaden wäre ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unvermeidbar weil die Auftraggeberin bei Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides den Zuschlag einem anderen Bieter erteilen müsste. Die diesbezügliche Zuschlagsentscheidung wäre für die Beschwerdeführerin jedoch nicht anfechtbar, weil der Auftraggeber an den angefochtenen Bescheid gebunden wäre, wonach die Beschwerdeführerin auszuscheiden und daher nicht zur Stellung eines Nachprüfungsantrages berechtigt sei. Die Erlangung eines Schadenersatzes würde daran scheitern, dass die Auftraggeberin bei Vergabe des Auftrages an einen anderen Bieter nicht rechtswidrig und schuldhaft, sondern gemäß dem angefochtenen Bescheid handeln würde.

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden als mitbeteiligte Partei bezeichnet) äußerte sich dahin, dass die Zuerkennung aufschiebender Wirkung zu einer "Aushebelung" des gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen und vom Bundesvergabegesetz 2002 umgesetzten Rechtsschutzsystems führen würde. Eine Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter könne auch durch die aufschiebende Wirkung nicht gewährleistet werden, weil der Auftraggeber nicht gehindert wäre, den Zuschlag an einen der anderen Bieter zu erteilen. Bei Gewährung von aufschiebender Wirkung und der damit zu befürchtenden Zuschlagserteilung an die Beschwerdeführerin würde die Mitbeteiligte einen großen Schaden erleiden. Dieser Schaden bestehe in den Kosten der Beteiligung am Vergabeverfahren und im Verdienstentgang durch den verlorengehenden Auftrag. Überdies würde die aus dem gegenständlichen Auftrag resultierende Referenzwirkung verloren gehe. Die Mitbeteiligte bezifferte den ihr dadurch entstehenden Schaden mit etwa EUR 480.000,--.

Die Auftraggeberin verwies in ihrer Äußerung insbesondere auf das große öffentliche Interesse an einem raschen Abschluss des gegenständlichen Vergabeverfahrens, weil sich sonst der Zeitplan für den Ausbau der U-Bahn-Linie U1 wesentlich verzögern würde, was auch mit großen Kosten verbunden wäre.

Die belangte Behörde führte aus, dass der angefochtene Bescheid einem Vollzug nicht zugänglich sei, und schloss sich im Übrigen im Wesentlichen der Stellungnahme der Auftraggeberin an.

Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem in der Beschwerde zitierten Beschluss vom 8. März 2004, B 239/04, einer Beschwerde eines Bieters gegen die Nichtigerklärung der zu seinen Gunsten ausgefallenen Zuschlagsentscheidung gemäß dem § 85 Abs. 2 VfGG aufschiebende Wirkung zuerkannt und dazu ausgeführt, die Nichtigerklärung einer Zuschlagserteilung sei insofern einem Vollzug zugänglich, als sie dem Auftraggeber verbiete, dem in Aussicht genommenen Zuschlagsempfänger den Zuschlag zu erteilen. Zum Argument des Auftraggebers, es bestehe ein öffentliches Interesse an einer raschen Vergabe, führte dieser Gerichtshof aus, die Zuerkennung der aufschiebende Wirkung stehe einer Zuschlagserteilung nach den Bestimmungen des Vergaberechts - auch an den Beschwerdeführer - nicht entgegen.

Die Beschwerdeführerin macht als bei Vollzug des angefochtenen Bescheides zu erwartenden Nachteil den aus dem Auftrag zu lukrierenden Verdienst, die Kosten der Beteiligung am Vergabeverfahren und den Schaden aus dem Verlust der Referenzwirkung des gegenständlichen Auftrages geltend. Sie tut nicht dar, inwiefern es sich hiebei um einen "unverhältnismäßigen" Nachteil im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG handelt, würde dieser Nachteil doch auch jeden anderen Bieter, der nicht zum Zug kommt, treffen, insbesondere die mitbeteiligte Partei, die als zweitgereihter Bieter bei Vollzug des angefochtenen Bescheides voraussichtlich den Zuschlag erhalten würde.

Dem Antrag war daher mangels eines nach Abwägung aller berührten Interessen für die Beschwerdeführerin unverhältnismäßigen Nachteiles der Erfolg zu versagen.

Darüber hinaus stehen der Gewährung von aufschiebender Wirkung auch zwingende öffentliche Interessen entgegen:

Die Richtlinie 89/665/EWG zielt nach ihrer ersten und zweiten Begründungserwägung darauf ab, die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene vorhandenen Mechanismen zu verstärken, um die tatsächliche Anwendung der Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu sichern, und zwar insbesondere in einem Stadium, in dem Verstöße noch beseitigt werden können. Zu diesem Zweck sind die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie verpflichtet, sicherzustellen, dass rechtswidrige Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und möglichst rasch nachgeprüft werden können (EuGH, Urteil Hackermüller vom 19. Juni 2003, Rs C-249/01 , RandNr. 22, zitiert bei Sturm/Fink,

Die Europäische Rechtsprechung zum Vergaberecht (2003) S. 528).

Da es sich beim Vergabekontrollsenat des Landes Wien um ein "Gericht" im Sinn des Art. 234 Abs. 3 EG handelt, sind ihr die gemeinschaftsrechtlich gebotenen Befugnisse der Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (Nichtigerklärung vergaberechtlicher Entscheidungen, Erlassung einstweiliger Verfügungen) eingeräumt. Die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ist hingegen durch keine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift gefordert (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2003, Zl. 2003/04/0134).

Die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung an die vorliegende Beschwerde hätte zur Folge, dass die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin wieder dem Rechtsbestand angehörte. Selbst wenn damit auch die von der belangten Behörde am 23. März 2004 erlassene mit max. zwei Monaten befristete einstweilige Verfügung, die mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben wurde, wieder aufleben würde, könnte die Auftraggeberin jedenfalls nach Ablauf dieser zwei Monate den Zuschlag - auch an die bereits als Zuschlagsempfängerin in Aussicht genommene Beschwerdeführerin - erteilen. Damit würde durch die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung eine endgültige Entscheidung, die der Nachprüfungsentscheidung der einzig europarechtlich geforderten Nachprüfungsinstanz widerspricht, ermöglicht. Dies würde dem vorläufigen Charakter der Zuerkennung von aufschiebender Wirkung widersprechen.

Hinzugefügt sei, dass bei Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof nach Zuschlagserteilung die belangte Behörde das Verfahren gemäß § 27 Abs. 2 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz als Feststellungsverfahren fortzuführen hat. Auf Grundlage eines in diesem Verfahren ergehenden Feststellungsbescheides könnte die Beschwerdeführerin - entgegen ihrer Meinung - Schadenersatzansprüche geltend machen.

Wien, am 14. Mai 2004

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