VwGH 2004/03/0087

VwGH2004/03/008719.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M F in E, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Klaus Schärmer, Rechtanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 6/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 8. April 2004, Zl. usv-2003/13/181-4, betreffend Übertretungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Normen

31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art1 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art2 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs3 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art4 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs2 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 idF 32002R0484;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z3;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art1 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art2 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 Abs3 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art3 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art4 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 Abs2 idF 32002R0484;
31992R0881 Güterkraftverkehrsmarkt Art6 idF 32002R0484;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z3;
GütbefG 1995 §7 Abs1;
GütbefG 1995 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 17. September 2003 wurde dem Beschwerdeführer folgender Sachverhalt zur Last gelegt:

"Der Beschuldigte M F hat es als nach außen zur Vertretung berufenes Organ, nämlich als Geschäftsführer der Firma F OHG mit Sitz in D-E, die Zulassungsbesitzerin des Sattelkraftfahrzeuges (über 7,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht) mit den amtlichen Kennzeichen R/R (D) ist, veranlasst, dass von Deutschland über die Grenzeintrittsstelle Kiefersfelden kommend nach Österreich eine Transitfahrt im gewerbsmäßigen Güterverkehr durch das Hoheitsgebiet der Republik Österreich durchgeführt wird.

Der Beschuldigte hat es dabei gemäß § 9 Abs 1 GütbefG idF BGBl 32/2002 unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 GütbefG angeführten Berechtigungen bei dieser Güterbeförderung über die Grenze nach Österreich während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet im Kraftfahrzeug mitgeführt und den Aufsichtsorganen auf deren Verlangen vorgewiesen werden, da keine Fahrerbescheinigung gem. Verordnung (EWG) 881/92 idF Verordnung (EG) Nr 484/2002 mitgeführt wurde, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist - mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.

Im gegenständlichen Fahrzeug wurde keine Fahrerbescheinigung gem. Verordnung (EWG) 881/92 idF Verordnung (EG) Nr 484/2002 mitgeführt, obwohl der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates (Kroatien) ist.

Die Übertretung wurde durch die Kontrollorgane der Verkehrsabteilung Außenstelle Wiesing am 19.4.2003 um 14.39 Uhr an der Kontrollstelle Kundl, A12 Inntalautobahn bei ca. km 24,3 festgestellt."

Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 3 und Z. 9 iVm § 9 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593 idF BGBl. I Nr. 32/2002 begangen, weshalb über ihn gemäß § 23 Abs. 1 und 4 leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.453,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt wurde.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde "insofern konkretisiert", als der Beschwerdeführer die gegenständliche Verwaltungsübertretung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F GmbH zu vertreten habe, er weiters eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 begangen habe, und die Verhängung der Strafe nach § 23 Abs. 1 Z. 3 iVm § 23 Abs. 4 leg. cit. erfolgt sei. Weiters wurde die anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 11. März 2004 verkündete mündliche Entscheidung gemäß § 52a VStG insofern abgeändert, als die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24 und 51 VStG im Ausmaß von 10 Tagen auf 5 Tage herabgesetzt wurde.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und allenfalls wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Die vorliegend maßgeblichen Bestimmungen des Güterbeförderungsgesetzes 1995 lauten wie folgt:

"Verkehr über die Grenze

§ 7. (1) Die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland ist außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

  1. 1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 ,
  2. 2. Genehmigung auf Grund der Resolution des Rates der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14. Juni 1973,

    3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

    4. auf Grund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

    Eine solche Berechtigung ist jedoch nicht erforderlich, wenn eine anders lautende Anordnung nach Abs. 4 ergangen ist."

"§ 9. (1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden."

"Strafbestimmungen

§ 23. (1) Abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7 267 Euro zu ahnden ist, wer

...

3. als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Bewilligung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;".

2.1.2. Die vorliegend relevanten Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 095 vom 9. April 1992 S. 1 - 7, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1. März 2002 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung, ABl Nr. L 076 vom 19. März 2002 S. 1 - 6, lauten wie folgt:

"Artikel 1

(1) Diese Verordnung gilt für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken.

...

Artikel 2

Im Sinne dieser Verordnung gelten als

...

- 'Fahrer': die Person, die ein Fahrzeug führt oder in diesem Fahrzeug befördert wird, um es bei Bedarf führen zu können.

Artikel 3

(1) Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung - sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaats ist - mit einer Fahrerbescheinigung.

(2) Die Gemeinschaftslizenz wird von einem Mitgliedstaat gemäss den Artikeln 5 und 7 jedem gewerblichen Güterkraftverkehrsunternehmer erteilt, der

(3) Die Fahrerbescheinigung wird von einem Mitgliedstaat gemäss Artikel 6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der

(1) Die Gemeinschaftslizenz gemäss Artikel 3 ersetzt - soweit es vorhanden ist - das von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats ausgestellte Dokument, in dem bescheinigt wird, dass der Transportunternehmer zum grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrsmarkt zugelassen ist. Sie ersetzt für die unter diese Verordnung fallenden Beförderungen auch die gemeinschaftlichen bzw. die unter Mitgliedstaaten ausgetauschten bilateralen Genehmigungen, die bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung erforderlich sind.

(2) Die Fahrerbescheinigung gemäss Artikel 3 bestätigt, dass im Rahmen einer Beförderung auf der Strasse, für die eine Gemeinschaftslizenz besteht, der diese Beförderung durchführende Fahrer, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, in dem Mitgliedstaat, in dem der Verkehrsunternehmer ansässig ist, gemäss den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats, gemäss den Tarifverträgen über die Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern beschäftigt ist, um dort Beförderungen auf der Strasse vorzunehmen.

...

Artikel 6

(1) Die Fahrerbescheinigung gemäss Artikel 3 wird von den zuständigen Behörden des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmens ausgestellt.

(2) Die Fahrerbescheinigung wird von dem Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftslizenz für jeden Fahrer ausgestellt, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist und den er rechtmäßig beschäftigt bzw. der ihm gemäss den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls, je nach den Vorschriften dieses Mitgliedstaats, gemäss den Tarifverträgen über die in diesem Mitgliedstaat geltenden Bedingungen für die Beschäftigung und Berufsausbildung von Fahrern rechtmäßig zur Verfügung gestellt wird. Mit der Fahrerbescheinigung wird bestätigt, dass der darin genannte Fahrer unter den in Artikel 4 festgelegten Bedingungen beschäftigt ist.

(3) Die Fahrerbescheinigung muss dem Muster in Anhang III entsprechen. In diesem Anhang werden auch die Bedingungen für die Verwendung der Fahrerbescheinigung festgelegt. Die Mitgliedstaaten treffen alle sachdienlichen Vorkehrungen, um die Fälschung von Fahrerbescheinigungen auszuschließen. Sie unterrichten die Kommission hierüber.

(4) Die Fahrerbescheinigung ist Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist den Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

(5) Die Geltungsdauer der Fahrerbescheinigung wird vom ausstellenden Mitgliedstaat festgesetzt; sie beträgt höchstens fünf Jahre. Die Fahrerbescheinigung gilt nur, solange die Bedingungen, unter denen sie ausgestellt wurde, erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit der Verkehrsunternehmer sie unverzüglich der ausstellenden Behörde zurückgibt, wenn diese Bedingungen nicht mehr erfüllt sind."

2.2. Im bekämpften Bescheid wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 begangen zu haben (§ 44a Z. 2 VStG). Nach § 9 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass die Nachweise über die in § 7 Abs. 1 leg.cit. angeführten Berechtigungen bei jeder Güterbeförderung über die Grenze während der gesamten Fahrt vollständig ausgefüllt und erforderlichenfalls entwertet mitgeführt werden. Bei der im Beschwerdefall nicht mitgeführten bzw. nicht vorgewiesenen Fahrerbescheinigung handelt es sich aber nicht um eine der in § 7 Abs. 1 leg.cit. angeführten Berechtigungen. Von diesen Berechtigungen kommt im vorliegenden Kontext ohnehin nur die "Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 " im Sinn der Z. 1 des § 7 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 in Betracht. Aus den oben unter Punkt 2.1.2. wiedergegebenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ergibt sich aber klar, dass eine solche Fahrerbescheinigung keine solche Gemeinschaftslizenz darstellt. Dies lässt sich insbesondere aus Art. 3 und Art. 6 der dort genannten Verordnung ableiten, setzt doch danach die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung voraus, dass der Unternehmer bereits eine Gemeinschaftslizenz besitzt (Art. 3 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 2 leg.cit.), ferner zeigt die Regelung des Art. 4 leg.cit. den jeweils verschiedenen Zweck bzw. Erklärungswert einer Gemeinschaftslizenz bzw. einer Fahrerbescheinigung. Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt, wenn sie dem Beschwerdeführer mit Blick auf § 44a Z. 2 VStG eine Übertretung des § 9 Abs. 1 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 vorgeworfen hat.

2.3. Wegen der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides war dieser somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war schon im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG entbehrlich.

2.7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Oktober 2004

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