VwGH 2003/18/0158

VwGH2003/18/01583.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, geboren 1962, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 15. April 2003, Zl. III 4033-121/02, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwRallg;
AsylG 1997;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 15. April 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaat-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 49 Abs. 1 und § 8 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 8. Dezember 2001 rechtswidrig in das Bundesgebiet eingereist und habe am 10. Jänner 2002 einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei am 5. Juni 2002 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 1997 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, dass für die Prüfung des Asylantrages Dänemark zuständig sei, und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Bis 17. Juli 2002 wäre der Beschwerdeführer nach Dänemark zu überstellen gewesen. Am 18. Mai 2002 habe der Beschwerdeführer in T die österreichische Staatsbürgerin Silvia K. geheiratet. Am 13. Juni 2002 habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gestellt. Dabei habe er als derzeitigen und hinkünftig beabsichtigten Wohnort die Adresse seiner Gattin in T angegeben.

Im Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 24. Oktober 2002 sei Folgendes festgehalten:

"Im Zuge von insgesamt 14 Kontrollen durch ha. Kontrollorgan bzw. durch Beamte des Gendarmeriepostens T wurde festgestellt, dass K, geb. 1962, türk. StA. nicht in T, Unterstraße 6 bei seiner Gattin S, geb. 10.12.1968, österr. StA., wohnhaft und aufhältig sei. Bei den Kontrollen wurde lediglich die österr. StA. angetroffen und von dieser wurde angegeben, dass ihr Gatte in Z, B. 2a, in der Arbeiterunterkunft der Fa. H während der Arbeitstage nächtigt. Freitag und Samstag ist er bei ihr in T. Dies gab K aber erst bei einer Kontrolle am 22.10.2002 an. Bei den vorangegangenen Erhebungen wurde von ihr angegeben, dass ihr Gatte erst in den Nachtstunden nach Hause kommt, da er Freunde in Innsbruck besucht. Sie könne ihn jedoch sofort anrufen, dann würde er unverzüglich nach T kommen.

Lt. Erhebungen des Gendarmeriepostens T konnte jedoch der Genannte auch bei Kontrollen an diesen Tagen am Wochenende nicht angetroffen werden. Auch eine Befragung im Hause mit Vorlage des im Akt befindlichen aktuellen Fotos des türk. StA. ergab, dass diese Person (K) unbekannt ist. Eine weitere Erhebung bei anderen türk. StA. betreffend des Aufenthaltes des Genannten war ebenso neg., d.h. der Genannte war unbekannt."

Die Gattin des Beschwerdeführers sei am 19. Februar 2003 niederschriftlich befragt worden. Dabei habe sie im Wesentlichen Folgendes angegeben:

"Ich habe den Herrn K nach der Ehe mit Herrn t kennengelernt. Wann und wo ich ihn kennengelernt habe, will ich nicht angeben. Dazu verweigere ich die Aussage. Warum möchte ihn nicht sagen.

Ich habe nach der Heirat mit Herrn K gemeinsam in T in der Unterstraße in meiner Wohnung gewohnt, bis er bei der Firma H in Z angefangen hat zu arbeiten. Wann dies genau war, kann ich nicht sagen. Es war ungefähr im Herbst 2002. Unter der Woche hat er in Z gewohnt und ist am Wochenende zu mir nach T gekommen. Ob er jedes Wochenende zu mir gekommen ist, will ich nicht angeben.

Wo ich Herrn K kennengelernt habe, will ich nicht angeben.

Auf die Frage, wo der Gatte derzeit wohnt, gebe ich an:

Derzeit wohnt Herr K in der A, weil er dort arbeitet und die ganze Woche nicht nach Hause kommen kann. Mein Gatte hat ein eigenes Einkommen und ich komme mit meinen Geld allein aus. Wenn ich mit meinem Geld nicht auskomme, hole ich mir welches. Auf die Frage, ob wir einen gemeinsamen Haushalt führen, gebe ich an, dass der Herr K seine Kleidungen auch bei mir in der Wohnung hat. Sonstige persönliche Gegenstände hat er nicht in der Wohnung. Weil er unter der Woche arbeitet, hat er die Kleidung natürlich in seiner Unterkunft bei der Arbeitsstelle. Es ist eine Liebesheirat und wenn ich gefragt werde, warum der Herr K diesen Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt hat und welchen Zweck er erfüllen will, kann ich nur sagen, es ist eine Liebesheirat gewesen und sonst verweigere ich die Aussage.

Ob und welche gemeinsamen Tätigkeiten zum Nachweis eines gemeinsamen Familienlebens bestehen, will ich nicht aussagen und will auch nicht angeben, ob wir gemeinsam telefonieren oder ob wir gemeinsam spazieren gehen.

Auf die Frage, wie ich mich mit ihm unterhalte, ob ich ihn verstehe, kann ich nur sagen, ich verweigere die Aussage. Meiner Meinung nach ist unsere Ehe ein gemeinsames Familienleben, wenn wir auch meistens getrennt sind."

Der Beschwerdeführer sei am selben Tag ebenfalls niederschriftlich vernommen worden, wobei er im Wesentlichen Folgendes ausgesagt habe:

"Auf die Frage der Verehelichung gebe ich an: Wir haben uns in Österreich kennengelernt und dann geheiratet und sind dann in T zusammengezogen. Der Wohnsitzwechsel nach Z war nur zur Arbeitszwecken und nunmehr wohne ich in der A in der Dienstunterkunft zu Arbeitszwecken. Wenn ich frei habe, fahre ich nach T. In der Zeit, als angeblich Kontrollen in T stattgefunden haben, war ich bei der Firma H beschäftigt und kann daher nicht jedes Wochenende oder Nacht in T sein. In Z habe ich auch eine Dienstunterkunft gehabt und habe dort genächtigt.

Meine persönlichen Sachen verwahre ich in der Dienstunterkunft und Kleider auch in T. In T habe ich nur Kleidung, wie Hose und Schuhe und dergleichen. Sonstige persönliche Gegenstände, wie etwa Fotoalbum oder andres, hab ich in T nicht verwahrt. Private persönliche Sachen von Frau K habe ich nicht, auch nicht in meiner Unterkunft in A. Ich habe auch kein Foto von Ihr oder sonstige persönliche Sachen von Ihr.

Unser gemeinsames Familienleben besteht darin, dass ich, wenn ich frei habe, nach T fahre. Ob und welche gemeinsamen Ereignisse oder Erlebnisse oder gemeinsamen Spaziergänge stattfinden, möchte ich nicht angeben.

Welchen Zweck die Niederlassungsbewilligung hat, ob zu Erwerbszwecken oder zur Gemeinschaft mit der Österreicherin, will ich nicht angeben und verweise auf die Angaben des Anwaltes."

Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer mit seiner Gattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führe und auch im Juni 2002, also zum Zeitpunkt der Beantragung der Erstniederlassungsbewilligung, nicht geführt habe. Der Beschwerdeführer berufe sich dennoch - entgegen § 8 Abs. 4 FrG - für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung auf diese Ehe.

Es liege nicht der geringste Grund vor, am Wahrheitsgehalt des Aktenvermerkes der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 24. Oktober 2002 zu zweifeln. Die Aussagen der Ehegattin und des Beschwerdeführers sprächen für sich (Ehegattin: Wann und wo ich ihn kennengelernt habe, will ich nicht angeben, warum möchte ich nicht sagen; ich will auch nicht sagen, ob wir gemeinsam telefonieren oder ob wir gemeinsam spazieren gehen; auf die Frage wie ich mich mit ihm unterhalte, ob ich ihn verstehe, kann ich nur sagen, ich verweigere die Aussage.

Beschwerdeführer: Private persönliche Sachen von Frau K. habe ich nicht, auch nicht in meiner Unterkunft in A; ich habe auch kein Foto von ihr oder sonstige persönliche Sachen von ihr; ob und welche gemeinsamen Ereignisse oder Erlebnisse oder gemeinsame Sparziergänge stattfinden, verweigere ich die Aussage; welchen Zweck die Niederlassungsbewilligung hat, ob zu Erwerbszwecken oder zur Gemeinschaft mit der Österreicherin, will ich nicht angeben und verweise ich auf die Angaben des Anwaltes).

Die Behauptungen des Beschwerdeführers und seiner Gattin, es wäre eine Liebesheirat gewesen, sie hätten bis Herbst 2002 in der Wohnung der Gattin zusammengelebt und würden dies in der arbeitsfreien Zeit des Beschwerdeführers auch jetzt noch tun, würden als Lügen gewertet. Wären diese Aussagen richtig, so wäre der Beschwerdeführer in dem Haus, in dem die Wohnung seiner Gattin liege, nicht völlig unbekannt.

Bei der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 und Abs. 3 FrG komme es auf die Führung eines gemeinsamen Familienlebens an. § 8 Abs. 4 leg. cit. schränke insoweit die Anwendbarkeit der Sonderbestimmungen für Angehörige von EWR-Bürgern und Österreichern dahin ein, dass Ehegatten, die kein gemeinsames Familienleben führten, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürften. Ein Fremder habe nur unter der Voraussetzung der Führung eines gemeinsamen Familienlebens einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 FrG.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde kam auf Grund ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Gattin, wonach es sich bei der Eheschließung um eine Liebesheirat gehandelt, bis Herbst 2002 in T ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden habe und der Beschwerdeführer die arbeitsfreie Zeit weiterhin bei seiner Gattin verbringe, nicht den Tatsachen entsprächen.

Der Beschwerdeführer führt dazu ins Treffen, dass die durchgeführten Beweisaufnahmen nicht geeignet seien, dieses Ergebnis zu tragen. Widerstreitende Beweisergebnisse lägen nicht vor. Die Kontrollen durch den Gendarmerieposten T hätten zu Zeiten stattgefunden, in denen der Beschwerdeführer arbeitsbedingt nicht zu Hause gewesen sei. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer den übrigen Hausbewohnern und anderen türkischen Staatsangehörigen nicht bekannt sei, spreche nur dafür, dass er seine Freizeit eben allein mit seiner Gattin und nicht mit anderen Personen verbringe.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, - im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis (vgl. zum Umfang dieser Befugnis insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) - Bedenken gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde zu erwecken. Nach dem Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft I vom 24. Oktober 2002 wurden insgesamt 14 Kontrollen in der Wohnung der Gattin des Beschwerdeführers durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer in keinem Fall angetroffen werden konnte. Erst bei der Kontrolle am 22. Oktober 2002 hat sich die Gattin des Beschwerdeführers auf die berufsbedingte Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers berufen. Auch bei den am Wochenende durchgeführten Kontrollen konnte der Beschwerdeführer nicht angetroffen werden. Der Beschwerdeführer ist sowohl den anderen Hausparteien als auch den - im Umkreis wohnenden - türkischen Staatsangehörigen unbekannt. Es ist nicht als unschlüssig zu erkennen, dass die belangte Behörde auf Grund dieses Beweisergebnisses den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Gattin, wonach der Beschwerdeführer zunächst bis Herbst 2002 bei seiner Gattin gewohnt habe und auch jetzt die arbeitsfreie Zeit bei ihr verbringe, nicht geglaubt hat. Da der Beschwerdeführer und seine Gattin somit unwahre Angaben gemacht haben, bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde die Aussagen dieser beiden Personen, es habe sich um eine "Liebesheirat" gehandelt, nicht geglaubt hat, zumal Aussagen zu allen Fragen betreffend die konkrete Gestaltung des persönlichen Zusammenlebens verweigert wurden.

2. Gemäß § 47 Abs. 2 zweiter Halbsatz iVm § 49 Abs. 1 und § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG ist Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Der Anwendungsbereich dieser Sonderregelung wird von § 8 Abs. 4 FrG - so die belangte Behörde zutreffend - dahin eingeschränkt, dass Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 2002/18/0039, mwN).

In der Beschwerde wird dazu unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126, vorgebracht, dass es für das Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens nicht auf den gemeinsamen Wohnsitz ankomme; auch bei vorübergehend getrenntem Wohnsitz könne ein gemeinsames Familienleben geltend gemacht werden.

Dem ist zu entgegnen, dass im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für das Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens trotz des getrennten Wohnsitzes vorhanden sind. Die Ehegatten haben nach den - wie dargestellt unbedenklichen - Feststellungen der belangten Behörde nie zusammengelebt, also auch nicht in der Zeit vor der auswärtigen Berufstätigkeit des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer verbringt auch die arbeitsfreie Zeit nicht bei seiner Gattin, er hat kein Foto und auch sonst keine persönlichen Gegenstände von ihr in seiner Unterkunft. Er und die Gattin haben bei der niederschriftlichen Vernehmung auch keine anderen Umstände vorgebracht, aus denen ungeachtet der getrennten Wohnsitze auf das Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens geschlossen werden könnte.

Mangels Führung eines gemeinsamen Familienlebens steht somit der Berufung des Beschwerdeführers auf seine Ehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels § 8 Abs. 4 FrG entgegen. Aus diesem Grund hat die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Gattin rechtlich einwandfrei abgewiesen.

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. März 2004

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