VwGH 2003/16/0113

VwGH2003/16/011321.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der V OEG in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Doschek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 22, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 24. Juni 2003, Zl. ABK-270/02, betreffend Getränkesteuer für die Jahre 1996 bis 2000, zu Recht erkannt:

Normen

61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §114;
B-VG Art18 Abs1;
EURallg;
LAO Wr 1962 §89;
VwRallg;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §114;
B-VG Art18 Abs1;
EURallg;
LAO Wr 1962 §89;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem vorgelegten Verwaltungsakt ist zu entnehmen, dass die beschwerdeführende Gesellschaft eine "Cocktail-Bar" betreibt. In den Jahren 1997 bis 2001 reichte sie beim Magistrat der Stadt Wien für das jeweils vorangegangene Jahr Getränkesteuererklärungen über die Summe der in ihrem Gastgewerbebetrieb erzielten Nettoentgelte für alkoholfreie Getränke bzw. Speiseeis und alkoholhältige Getränke ein. Die Getränkesteuererklärung für das Jahr 2000 enthält in der Rubrik "Speiseeis/alkoholhältige Getränke" keine Angaben.

Anlässlich einer am 13. Februar 2002 vom Magistrat der Stadt Wien bei der beschwerdeführenden Gesellschaft durchgeführten "Getränkesteuer-Revision" wurde festgestellt, dass "trotz nicht umsatzbezogener Entlohnung des Personals (Bezahlung nach dem Alternativ- bzw. Festlohnsystem!) ... die Bemessungsgrundlagen um 15 % Bedienungsgeld reduziert (wurden). " Nach dem Bericht des Revisionsbeamten wurde das Revisionsergebnis von der beschwerdeführenden Gesellschaft "dem Grunde (wegen 'EU-

Widrigkeit') und der Höhe ... nach" nicht anerkannt.

Mit Bescheid vom 1. März 2002 hat der Magistrat der Stadt Wien der beschwerdeführenden Gesellschaft "für den Zeitraum November 1996 bis Dezember 2000 eine Getränkesteuer in der Höhe von 46.652,77 EUR vorgeschrieben". Zur Begründung verwies die erstinstanzliche Behörde auf die Feststellungen bei der genannten Betriebsprüfung, wonach die beschwerdeführende Gesellschaft bei der Selbstbemessung der Getränkesteuer die Bemessungsgrundlage um 15 % Bedienungsgeld reduziert habe. Dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000, Rechtssache C- 437/97 , zufolge könne niemand Ansprüche betreffend der Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet oder fällig geworden seien, geltend machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt. Ein solcher Rechtsbehelf sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft frühestens mit der Erklärung für das Jahr 2000 am 12. Februar 2001 und daher verspätet eingebracht worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies die beschwerdeführende Gesellschaft neuerlich auf die "EU-Widrigkeit der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke". Ein Rechtsbehelf habe bis jetzt nicht eingebracht werden können, da die Getränkesteuer nunmehr erstmals vorgeschrieben worden sei. Die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke für Februar und März 2000 sei nach dem 9. März 2000 fällig geworden.

In einer "Berufungsergänzung" vom 6. Mai 2002 setzte sich die beschwerdeführende Gesellschaft mit der Rechtsprechung zum Begriff des Rechtsbehelfs auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass die Unterlassung der Zahlung der Getränkesteuer einen "stärkeren" Rechtsbehelf darstelle als etwa ein Rückzahlungsantrag, weil sich ein solcher erübrige, wenn die Steuer gar nicht gezahlt worden sei. Zum Bedienungsgeld führte die beschwerdeführende Gesellschaft unter Anderem aus, ihre Dienstnehmer würden nach dem "Alternativ(fest)-Lohnsystem abgerechnet, wobei die Löhne immer über dem 15 %igen Bedienungsentgelt lagen." Bei bisherigen Prüfungen sei der Abzug von 15 % Bedienungsgeld von der Bemessungsgrundlage immer akzeptiert worden, weshalb die beschwerdeführende Gesellschaft auf diese Behördenpraxis vertraut habe. Würde der Abzug nunmehr nicht mehr berücksichtigt werden, verstieße dies gegen den Vertrauensgrundsatz.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde für die Jahre 1996 bis 2000 jeweils die Bemessungsgrundlagen für alkoholische und alkoholfreie Getränke sowie die sich daraus ergebenden Steuerbeträge im Einzelnen fest und schrieb in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides der beschwerdeführenden Gesellschaft Getränkesteuer in der Höhe von insgesamt EUR 44.850,77 vor; zudem hielt sie fest, dass die Abgabe bereits fällig gewesen sei.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf einschlägige Rechtsvorschriften und gab die für den Beschwerdefall wesentlichen Passagen des bereits genannten Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 wieder. Weiter führte die belangte Behörde aus, der Steuerpflichtige habe bis zum 15. Tag eines jedes Monats die Getränkesteuer für den Vormonat zu entrichten. Die Abgabenbeträge für die im Spruch genannten Zeiträume seien daher fällig gewesen. Die am 15. März und am 15. April 2000 fällig gewordenen Getränkesteuerbeträge für die Monate Februar und März 2000, die auch nicht vor dem 9. März 2000 entrichtet worden wären, seien aus der Abgabenbemessung auszuscheiden; in diesem Punkt sei die erstinstanzliche Entscheidung zu berichtigen gewesen. Einen Rechtsbehelf - so die belangte Behörde weiter - habe die beschwerdeführende Gesellschaft vor dem 9. März 2000 nicht eingelegt, sie habe lediglich ihre Abgabenverpflichtung nicht erfüllt.

Zur Frage des Abzuges von Bedienungsgeld bei Festlöhnen verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1996, Zl. 94/16/0243, wonach bei Bezahlung eines Festlohnes an das Bedienungspersonal eine Kürzung der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer um ein Bedienungsgeld nicht in Betracht komme. Da die beschwerdeführende Gesellschaft ihrem Bedienungspersonal einen Festlohn bezahle, sei eine Reduktion der für die Bemessung der Getränkesteuer maßgeblichen Beträge um ein Bedienungsgeld nicht zulässig. Die Höhe der nunmehr festgesetzten Getränkesteuer stehe auf Grund des ziffernmäßig nicht bestrittenen Ergebnisses der Betriebsprüfung fest.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich in ihren Rechten auf Nichtfestsetzung der Getränkesteuer ohne gesetzliche Grundlage und auf Festsetzung der Getränkesteuer auf alkoholfreie Getränke unter Abzug des Bedienungsgeldes verletzt. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der im vorliegenden Fall maßgebliche Punkt 3 des Spruchtenors des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000 lautet:

"Niemand kann sich auf Art. 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 (Verbrauchssteuerrichtlinie) berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass des Urteiles entrichtet wurden oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt."

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die von der belangten Behörde vorgeschriebene Getränkesteuer vor dem 9. März 2000 fällig geworden ist (vgl. die von der belangten Behörde zutreffend dargestellte Norm des § 5 Abs. 1 Wiener Getränkesteuerverordnung 1992, ABl. Nr. 06/1992, in der hier anzuwendenden Fassung ABl. Nr. 50/1994, wonach die Steuer am 15. des Folgemonates fällig wird).

Strittig ist, ob die beschwerdeführende Gesellschaft bis zum 9. März 2000 einen Rechtsbehelf im Sinne des soeben zitierten Urteiles eingelegt hat, ob also - neben der Fälligkeit - die für die Rückwirkung des Urteiles notwendige weitere Voraussetzung vorliegt,

Zur Frage des Rechtsbehelfes geht die Beschwerde zusammengefasst davon aus, dass die Unterlassung der Abgabe einer Selbstbemessungserklärung für die Zeiträume (1996 bis 2000) ein "stärkerer Rechtsbehelf als die Nullerklärung" sei.

Nach der - eingangs wieder gegebenen - Aktenlage hat die beschwerdeführende Gesellschaft jedoch für die Jahre 1996 - 2000 Getränkesteuererklärungen abgegeben und - folgt man der Gegenschrift - die Getränkesteuer für die Jahre 1996 bis 1999 bezahlt. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat im Verwaltungsverfahren nie bestritten, solche Erklärungen abgegeben zu haben. Weder dem erstinstanzlichen noch dem angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde bei der Beurteilung der Frage, ob die beschwerdeführende Gesellschaft einen Rechtsbehelf eingelegt hat, davon ausgegangen ist, dass sie (die beschwerdeführende Gesellschaft) keine Selbstbemessung durchgeführt habe; ohne Selbstbemessung wäre wohl auch eine Berichtigung der "rechtswidrigen Reduktion" der Bemessungsgrundlage nicht erforderlich gewesen.

Demgegenüber gehen sämtliche von der beschwerdeführenden Gesellschaft ins Treffen geführte Argumente für das Einlegen eines Rechtsbehelfes vor dem 9. März 2000 vom Unterlassen der Abgabe einer Selbstbemessungserklärung aus und beruhen damit nicht auf den vorliegenden Verfahrensergebnissen. Geht aber die beschwerdeführende Gesellschaft in den Beschwerdegründen von einem anderen als dem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt aus, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt; einer Überprüfung der Behauptungen ist daher der Boden entzogen.

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die in der Beschwerde vertretene Ansicht, allein das Unterlassen der Abgabe einer Selbstbemessungserklärung sei ein Rechtsbehelf, im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des Rechtsbehelfs schon deswegen einer Grundlage entbehrt, weil es sich dabei um einen prozessualen Schritt gegenüber der Behörde, somit um ein aktives Tun handeln muss (vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2001, 2001/16/0154, und 2001/16/0225, und vom 19. Juni 2000, Zl. 2000/16/0296). Eine Untätigkeit des Abgabenschuldners (wenn auch nur einen Teil der Steuerschuld betreffend) kann nicht als ein solcher Rechtsbehelf gewertet werden. Im Beschwerdefall mangelt es demnach für die besagte Rückwirkung an der Einlegung eines Rechtsbehelfes vor dem 9. März 2000, wobei auch die "Nullerklärung" für das Jahr 2000 nach diesem Tag eingereicht wurde.

Bei der Höhe der vorgeschriebenen Getränkesteuer ist strittig, ob die beschwerdeführende Gesellschaft bei der Selbstbemessung die Bemessungsgrundlage um 15 Prozent vermindern durfte. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat im Berufungsverfahren selbst darauf hingewiesen, dass ihre Arbeitnehmer nach dem Festlohnsystem abgerechnet würden. In einem solchen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 94/16/0243, ausgesprochen, dass eine Kürzung der Bemessungsgrundlage der Getränkesteuer um ein Bedienungsgeld nicht in Betracht komme. Im Wissen um diese von ihr in der Beschwerde auch zitierte Rechtsprechung beruft sich die beschwerdeführende Gesellschaft zur Unterstützung ihres Standpunktes auf ihre Praxis des Abzugs von Bedienungsgeld bei der Selbstbemessung, die von den Steuerbehörden bei Getränkesteuerprüfungen in den Jahren 1993 und 1994 trotz Entlohnung der Dienstnehmer nach dem Festlohnsystem unbeanstandet geblieben sei. Im Vertrauen auf diese Behördenpraxis habe die beschwerdeführende Gesellschaft ihre Entlohnungsmodalitäten beibehalten.

Behauptet die beschwerdeführende Gesellschaft mit diesem Vorbringen einen Verstoß der Abgabenbehörden gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, kann sie sich im vorliegenden Fall auf diesen Grundsatz nicht berufen, weil dadurch nicht allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit geschützt wird. Die Behörde ist nämlich verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von Treu und Glauben (vgl. das Erkenntnis vom 11. Mai 2000, 99/16/0034). Hat sich die Abgabenbehörde im Beschwerdefall aber an der vom Verwaltungsgerichtshof klar gestellten Rechtslage orientiert, kann ihr keine Verletzung dieses Grundsatzes vorgeworfen werden.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Vor der Durchführung einer mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Jänner 2004

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