VwGH 2003/06/0127

VwGH2003/06/012720.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des F S in M, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 18, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Juni 2003, Zl. FA13A-

12.10 M 188-03/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. C T und 2. F T, beide in M, 3. Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z5;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §61 Abs1;
BauRallg;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z5;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1;
BauG Stmk 1995 §61 Abs1;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerber) sind Eigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde, auf welchem sich ein Haus befindet. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes.

Mit Eingabe vom 31. Mai 2002 (der Tag des Einlanges bei der Behörde ist nicht ersichtlich) kamen die Bauwerber um Erteilung der baubehördlichen Genehmigung zur Errichtung eines Zubaues (Wirtschaftsgebäudes) beim bestehenden Wohnhaus ein.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. August 2002 wurde den Bauwerbern die angestrebte Bewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt; die Einwendungen des Beschwerdeführers, die er in der Bauverhandlung vom 3. Juli 2002 erhoben hatte, wurden teils als unbegründet abgewiesen und teils als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Berufungsbescheid vom 31. März 2003 als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde.

Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, führte die belangte Behörde nach Rechtsausführungen begründend aus, der Beschwerdeführer wende ein, dass das beantragte Bauvorhaben an einen nicht den baubehördlichen Vorschriften entsprechenden Altbestand angebaut werden solle. Diesbezüglich vertrete er die Auffassung, dass sich die Baubehörde mit der Vorfrage des Konsenses des bestehenden Objektes hätte auseinander setzen müssen. Dabei hätte sich herausgestellt, dass der im Einreichplan eingezeichnete Zugang zum Altbestand mangels Einhaltung der Abstandsvorschriften nicht bewilligt werden könne.

Dem sei zu entgegnen, dass "nur das gegenständlich beantragte Bauvorhaben, Gegenstand des anhängigen Baubewilligungsverfahrens" sei und allfällige Abweichungen bzw. Konsenslosigkeiten beim Altbestand in diesem Verfahren nicht behandelt werden könnten, weil das geplante Gebäude zwar an den Altbestand angebaut werde, jedoch der Altbestand nicht zwingende Voraussetzung für die Errichtung des geplanten Gebäudes sei. So sei aus den Plänen ersichtlich, dass "das beantragte Vorhaben lediglich angebaut wird, jedoch die Bausubstanz des Altbestandes dabei keine Rolle" spiele.

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn das Vorhaben unter Einbindung des Altbestandes errichtet werden sollte. Dies würde bedeuten, dass dann, wenn der technische Weg zur Verwirklichung des Vorhabens nur in der Weise möglich sei, dass beispielsweise auf den Altbestand aufgebaut werde, der Altbestand sämtlichen baurechtlichen Vorschriften entsprechen müsste. Dies sei aber hier nicht der Fall.

Das (neue) Vorhaben halte auch die Abstandsvorschriften ein (wird näher begründet).

Der Beschwerdeführer wende weiters ein, dass die Zufahrt nicht ausreichend sei. Diesbezüglich genüge es darauf hinzuweisen, dass ihm gemäß § 26 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG) diesbezüglich kein Mitspracherecht zukomme. Auch hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Brandgefahr wegen der seiner Auffassung nach nicht ausreichenden Zufahrt komme ihm gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 61 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zu.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.

Gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. 2. die Abstände (§ 13);
  2. 3. den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
  3. 4. die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
  4. 5. die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);

    6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."

    Hinsichtlich der Frage der gehörigen Breite der Zufahrt zu dem zu bebauenden Grundstück kommt dem Nachbarn mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kein Mitspracherecht zu (siehe dazu ua. das hg. Erkennnis vom 18. September 2003, Zl. 2003/06/0052, mwN), dies auch nicht aus dem Blickwinkel der Vermeidung einer Brandgefahr (mit dem Argument, das Einsatzfahrzeuge nicht gehörig zufahren könnten), weil dies in § 26 Abs. 1 Z 5 iVm § 61 Abs. 1 leg. cit. nicht vorgesehen ist, worauf die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat. § 26 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG vermittelt dem Nachbarn nämlich nur ein Mitspracherecht, welches auf die in den entsprechenden Gesetzesstellen umschriebenen Fälle und Voraussetzungen beschränkt ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2003, Zl. 2003/06/0051).

    Der Beschwerdeführer bringt weiters, wie schon im Verwaltungsverfahren, vor, der Altbestand, an welchen angebaut werden solle, sei nicht konsentiert. Das wäre aber Voraussetzung für einen Zubau. Zu Unrecht hätten die Behörden des Verwaltungsverfahrens diese Frage demnach ungeprüft gelassen, zumal der Altbestand die Abstandsvorschriften nicht einhalte.

    Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Der Auffassung der belangten Behörde, dass das geplante Wirtschaftsgebäude an den Altbestand lediglich angebaut werde, wobei jedoch "die Bausubstanz des Altbestandes dabei keine Rolle" spiele, kann nach der Aktenlage nicht beigetreten werden. Aus den Plänen ergibt sich nämlich, dass das Stiegenhaus dieses geplanten Wirtschaftsgebäudes an der Außenwand des Altbestandes angebaut ist, ohne selbst eine Außenwand zu haben. Mit anderen Worten (um die Überlegungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid aufzugreifen): Würde man sich den Altbestand wegdenken, wäre das Stiegenhaus des geplanten Gebäudes auf dieser Seite gänzlich offen. Entgegen der Annahme der belangten Behörde soll demnach das Vorhaben unter Einbindung des Altbestandes errichtet werden. Es handelt sich demnach (auf Grund der Aktenlage) nicht um "selbständige" Gebäude, die lediglich, wie bei einer gekuppelten Bauweise, aneinander gebaut werden sollen.

    Die belangte Behörde ist somit bei ihren Überlegungen von einem Sachverhalt ausgegangen, der so den Akten nicht zu entnehmen ist. Dieser Umstand ist rechtserheblich, weil vor diesem Hintergrund der projektierte Zubau und der Altbestand als Einheit zu behandeln wären, was zur Folge hätte, dass (auch) der Altbestand (ua.) die Abstandsvorschriften einzuhalten hätte.

    Dadurch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 20. April 2004

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