Normen
AVG §32;
AVG §33;
AVG §71 Abs1;
GewO 1994 §11 Abs4;
GewO 1994 §11 Abs5;
GewO 1994 §11 Abs6;
GewO 1994 §85 Z6;
HGB §142;
VwRallg;
AVG §32;
AVG §33;
AVG §71 Abs1;
GewO 1994 §11 Abs4;
GewO 1994 §11 Abs5;
GewO 1994 §11 Abs6;
GewO 1994 §85 Z6;
HGB §142;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anzeige ihrer Verschmelzung mit der A. GmbH & Co KG gemäß § 11 Abs. 5 GewO 1994 und § 71 AVG zurück.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung könnten nur die Folgen der Versäumung verfahrensrechtlicher, nicht jedoch materiell-rechtlicher Fristen beseitigt werden. Die Beschwerdeführerin stehe auf dem Standpunkt, die in § 11 GewO 1994 enthaltene Frist von 6 Monaten sei als eine verfahrensrechtliche Frist anzusehen. Sie stütze diese Ansicht auf den Durchführungserlass zur Gewerberechtsnovelle 1992, worin zu § 11 Abs. 5 und 6 GewO ausgeführt werde, dass die genannte Frist eine verfahrensrechtliche sei. Die Gewerberechtsnovelle 1992 habe jedoch noch eine Frist von 2 Wochen für die Anzeige der Rechtsnachfolge unter Anschluss der entsprechenden Belege vorgesehen gehabt. Der Nachfolgeunternehmer habe für den Fall der Versäumung dieser Anzeigefrist, weil das Gericht die Verständigung von der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch nicht rechtzeitig an den Nachfolgeunternehmer übermittelt gehabt habe, die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 AVG) gehabt. Diese Bestimmung sei jedoch inzwischen geändert worden. Nunmehr habe der Rechtsnachfolger der Behörde den Übergang unter Anschluss der entsprechenden Belege längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Die Berechtigung des Rechtsnachfolgers endige auf Grund der ausdrücklichen Anordnung des § 11 Abs. 6 GewO 1994 nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn innerhalb dieser Frist der Rechtsübergang nicht angezeigt werde.
§ 11 Abs. 4 GewO 1994 sehe einen ex lege-Übergang des Gewerberechtes vom bisherigen Gewerbeinhaber auf ein durch eine Umgründungsmaßnahme errichtetes Nachfolgeunternehmen vor, wobei die Gewerbeberechtigung des Nachfolgeunternehmers im Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch entstehe. Der Nachfolgeunternehmer habe der Behörde den Übergang anzuzeigen. Das Nichterstatten der Anzeige bewirke das Erlöschen der Berechtigung zur Gewerbeausübung. Daraus ergebe sich schlüssig, dass die gegenständliche Frist als materiell-rechtliche Bestimmung anzusehen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 AVG verletzt. Sie bringt im Wesentlichen vor, laut "Kommentar zur Gewerbeordnung (Hanusch)" handle es sich bei der Frist des § 11 Abs. 5 und 6 GewO 1994 um eine prozessuale Frist. Die belangte Behörde vertrete hingegen die Ansicht, es handle sich um eine materiell-rechtliche Frist, weil sich an deren Nichteinhaltung materiell-rechtliche Folgen knüpften. Dies gründe sich auch auf die durch vorangegangene Gesetzesänderungen "durchgeführte Fristverlängerungen". Selbst nach diesen Änderungen werde jedoch in den Kommentaren daran festgehalten, dass die verlängerte Frist eine verfahrensrechtliche, der Wiedereinsetzung im Sinne des § 71 AVG zugängliche Frist sei. Es sei gerade nicht Absicht der Beschwerdeführerin gewesen, nach Ablauf von sechs Monaten die Anzeige zu erstatten, vielmehr sei diese Anzeige auf Grund eines minderen Versehens später als sechs Monate erfolgt. Die Behörde könne nicht begründen, wodurch sich - abgesehen von der Fristlänge - diese gewerberechtliche Bestimmung von jener zum Zeitpunkt 1993 oder 2002 unterscheide. Wenn kein (sonstiger) Unterschied vorliege, sei auch die sechsmonatige Frist weiterhin als verfahrensrechtliche Frist anzusehen.
Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994 lauten:
"§ 9. (1) Juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes (offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften (offene Erwerbsgesellschaften und Kommandit-Erwerbsgesellschaften) können Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer (§ 39) bestellt haben. ...
(2) Scheidet der Geschäftsführer aus, so darf das Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch während sechs Monaten, weiter ausgeübt werden. Die Behörde hat diese Frist zu verkürzen, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist oder in den vorangegangenen zwei Jahren vor dem Ausscheiden des Geschäftsführers das Gewerbe insgesamt länger als sechs Monate ohne Geschäftsführer ausgeübt wurde.
§ 11. (1) Die Gewerbeberechtigung einer juristischen Person endigt, wenn die juristische Person untergeht.
...
(4) Bei Umgründungen (Verschmelzungen, Umwandlungen, Einbringungen, Zusammenschlüssen, Realteilungen und Spaltungen) geht die ursprüngliche Berechtigung zur Gewerbeausübung auf den Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) nach Maßgabe der in den Abs. 5 und 6 festgelegten Bestimmungen über.
(5) Die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung im Sinne des Abs. 4 entsteht mit dem Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) hat der Behörde (§ 345 Abs. 1) den Übergang unter Anschluss der entsprechenden Belege längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Ist der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) eine Personengesellschaft oder eine juristische Person, so ist § 9 Abs. 2 erster Satz sinngemäß anzuwenden.
(6) Die Berechtigung des Nachfolgeunternehmers (Rechtsnachfolgers) endigt nach Ablauf von sechs Monaten ab Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn er innerhalb dieser Frist den Rechtsübergang nicht angezeigt hat oder im Fall des Abs. 5 letzter Satz kein Geschäftsführer innerhalb dieser Frist bestellt wurde. Handelt es sich um ein im § 95 genanntes Gewerbe, so endigt die Gewerbeberechtigung dann nicht nach Ablauf von sechs Monaten, wenn die Genehmigung der Bestellung des Geschäftsführers innerhalb der Frist von sechs Monaten beantragt wurde, jedoch erst nach Ablauf dieser Frist erteilt wird.
...
9. Endigung und Ruhen der Gewerbeberechtigungen
§ 85. Die Gewerbeberechtigung endigt:
...
6. nach Ablauf von sechs Monaten nach der Eintragung eines der im § 11 Abs. 4 angeführten rechtserheblichen Umstände in das Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer (Rechtsnachfolger) die Anzeige gemäß § 11 Abs. 5 unterlassen oder im Fall des § 11 Abs. 5 letzter Satz kein Geschäftsführer innerhalb dieser Frist bestellt wurde;
...
c) Anzeigeverfahren
§ 345. (1) Die Anzeigen gemäß § 8 Abs. 4 (weitere Ausübung des Gewerbes nach Zurücklegung des 24. Lebensjahres oder bei Erlangung der Eigenberechtigung), gemäß § 11 Abs. 3 (weitere Ausübung des Gewerbes einer Personengesellschaft des Handelsrechtes nach Ausscheiden des letzten Mitgesellschafters, Eintritt eines neuen Gesellschafters) und gemäß § 11 Abs. 5 (Eintragung der Umgründung in das Firmenbuch und weitere Ausübung des Gewerbes durch den Nachfolgeunternehmer) sind bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten.
..."
Die Beschwerdeführerin hat unstrittig als übernehmende Gesellschaft "im Zuge von Umgründungsmaßnahmen gemäß § 142 HGB" die A. GmbH & Co KG - die Inhaberin der Gewerbeberechtigung - übernommen. Nach dem im Verwaltungsakt befindlichen Firmenbuchauszug der Beschwerdeführerin erfolgte die Eintragung ihrer Verschmelzung (als übernehmende Gesellschaft) mit der Komplementär-GmbH der genannten KG am 2. März 2002. Die "Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB" sowie die Auflösung und Löschung der A. GmbH & Co KG wurde (nach dem Firmenbuchauszug der KG) am 23. März 2002 eingetragen.
Nach dem Vorgesagten ist demnach im Ergebnis die Einbringung (des Vermögens oder des Betriebs) einer Personengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 142 HGB) und unter Ausschluss ihrer Liquidation auf eine Kapitalgesellschaft erfolgt, sodass die belangte Behörde zutreffend von einer "Umgründung" im Sinne des § 11 Abs. 4 GewO 1994 - mit der maßgeblichen Eintragung der Umgründung ins Firmenbuch am 23. März 2002 - und damit der Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgegangen ist.
Nach § 11 Abs. 5 zweiter Satz GewO 1994 hat der Nachfolgeunternehmer der Behörde den Übergang längstens innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin den Rechtsübergang innerhalb dieser Frist der zuständigen Behörde nicht angezeigt hat und daher die Wiedereinsetzung in die sechsmonatige Frist des § 11 Abs. 5 GewO 1994 beantragte.
Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung ist, dass es sich bei der "versäumten Frist" im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG um eine verfahrensrechtliche Frist handelt; gegen die Versäumung materiellrechtlicher Fristen, also solcher Fristen, innerhalb derer ein materiellrechtlicher Anspruch bei sonstigem Verlust des diesem zu Grunde liegenden Rechtes geltend gemacht werden muss, ist die Wiedereinsetzung nicht zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 1995, Zl. 95/01/0035).
Die Unterscheidung zwischen verfahrensrechtlichen (prozessualen) und materiell-rechtlichen Fristen wird in der Rechtsprechung wie folgt getroffen:
Soll eine Handlung prozessuale Rechtswirkungen auslösen (Verfahrenshandlung), dann stellen die dafür gesetzten Fristen verfahrensrechtliche (formelle) Fristen dar; ist eine Handlung hingegen auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen gerichtet, so stellt eine allenfalls dafür vorgesehene Frist eine materiellrechtliche Frist dar (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 12. Dezember 2002, Zl. 2002/07/0061, mwH).
Die Wertung einer Frist als materiell-rechtliche muss vom Gesetz unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, ansonsten ist von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998) S 450, E 5, angeführte Rechtsprechung).
Nach § 11 Abs. 5 GewO 1994 entsteht die Gewerbeberechtigung beim Nachfolgeunternehmer ex-lege im Zeitpunkt der Eintragung der Umgründung im Firmenbuch, wenn der Nachfolgeunternehmer die Voraussetzungen für die Ausübung des betreffenden Gewerbes erfüllt. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung hat der Nachfolgeunternehmer der (nach § 345 Abs. 1 GewO zuständigen) Behörde den Übergang innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung im Firmenbuch anzuzeigen. Erfolgt keine entsprechende Anzeige nach § 11 Abs. 5 leg. cit., so "endigt" die Gewerbeberechtigung gemäß Abs. 6. Diese Bestimmung entspricht § 85 Z. 6 GewO und bewirkt die Endigung der Gewerbeberechtigung ex-lege (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2, § 85 Rz. 2 mit Hinweis auf § 348 Abs. 4).
Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 bis 6 GewO 1994 wird ersichtlich, dass gemäß Abs. 5 leg. cit die Berechtigung zur weiteren Gewerbeausübung entsteht und gemäß dessen Abs. 6 "endigt", d.h. der Nachfolgeunternehmer dieses Rechtes verlustig wird, wenn er nicht den Rechtsübergang rechtzeitig anzeigt oder keinen Geschäftsführer innerhalb dieser Frist bestellt. Die Beendigung des Rechtes zur weiteren Gewerbeausübung, eines materiellen Rechts, ist die unmittelbare Folge einer innerhalb der Frist unterlassenen Anzeige. Sie wird durch Unterlassung der fristgerechten Anzeige bewirkt. Bei der Frist des § 11 Abs. 5 GewO 1994 handelt es sich daher um eine materiell-rechtliche.
Auch aus dem Verweis in § 11 Abs. 5 GewO 1994 auf § 345 Abs. 1 leg. cit. ist für den Standpunkt der Beschwerde nichts zu gewinnen, wird doch damit nur die zuständige Behörde für die zu erstattende Anzeige zum Ausdruck gebracht.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Durchführungserlass des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Gewerberechtsnovelle 1992 geht - ungeachtet seiner mangelnden Verbindlichkeit für den Verwaltungsgerichtshof - schon auf Grund der zwischenzeitig erfolgten Gesetzesänderung ins Leere.
Die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages kann demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 21. Dezember 2004
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