VwGH 2003/01/0465

VwGH2003/01/04659.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des E in Wien, geboren 1978, vertreten durch Mag. Nora Huemer, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Schüttaustraße 69/46, gegen den am 20. Mai 2003 mündlich verkündeten und am 5. Juni 2003 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 231.194/0-VII/20/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1997 §57 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §8;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1997 §57 Abs1;
EMRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen (Ausspruch nach § 7 AsylG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein der albanischen Volksgruppe angehörender Staatsangehöriger von Mazedonien, reiste gemäß seinen Behauptungen am 24. Mai 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Zuge seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass er zwei oder drei Einberufungsbefehle zur mazedonischen Armee erhalten habe, denen er nicht gefolgt sei, weil er nicht habe kämpfen wollen. Einen Einberufungsbefehl habe er im Juni 2001 erhalten, einen anderen im Februar 2002; um nicht einrücken zu müssen, habe er sich an verschiedenen Orten versteckt. Zweimal habe die Militärpolizei zu Hause nach ihm gesucht. Im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien "könnte (es) sein, dass ich eingesperrt werde".

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Außerdem stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. In der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der Beschwerdeführer, im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien werde er zuerst von der UCK gesucht und dann von der mazedonischen Armee.

Mit dem am 20. Mai 2003 mündlich verkündeten und am 5. Juni 2003 schriftlich ausgefertigten Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes gemäß §§ 7 und 8 AsylG ab. Sie stellte fest, dass der Beschwerdeführer "während des Konfliktes in Mazedonien zwischen den Mazedoniern und Albanern" mehrere Einberufungsbefehle erhalten habe, denen er nicht nachgekommen sei. Er habe aus diesem Grund Mazedonien verlassen, habe bei einer Rückkehr jedoch keinerlei Probleme wegen der Nichtbefolgung der Einberufungsbefehle zu erwarten. Er müsse mit einem (neuen) Einberufungsbefehl rechnen, es sei ihm jedoch die Leistung von Zivildienst oder die Ableistung des Wehrdienstes ohne Waffen möglich. Nicht festgestellt werden könne, "ob" der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Mazedonien Probleme durch Angehörige der UCK zu gewärtigen habe. Seinem diesbezüglichen Vorbringen in der Berufungsverhandlung könne - aus näher dargestellten Gründen - keine Glaubwürdigkeit zugebilligt werden.

Die belangte Behörde traf überdies umfangreiche Feststellungen zur Situation in Mazedonien. Sie verwies ua. auf die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen Februar und August 2001 und hielt im Zusammenhang mit der Wehrpflicht Folgendes fest:

"Wehr-/Kriegsdienstverweigerung und Fahnenflucht von Angehörigen der Streitkräfte des unabhängigen Mazedonien können nach Art. 214 des maz. Strafgesetzbuches strafrechtlich verfolgt werden. Wer sich bei den zuständigen Staatsorganen freiwillig stellt, wird gem. Abs. 5 geringer bestraft oder geht straflos aus. Ansonsten drohen Geld und Gefängnisstrafen bis zu 10 Jahren (z.B. bei Aufruf zur Fahnenflucht). Fahnenflüchtige, die im Zusammenhang mit der Krise in 2001 die Armee bzw. das Land verließen, sind amnestiert. UNHCR liegen weder Informationen über Einzelfälle, in denen es im Laufe der Ableistung des Militärdienstes gegenüber ethnischen Albanern zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, noch über im Bereich der Militärverwaltung eingerichtete Beschwerdemöglichkeiten für Opfer ethnisch motivierter Übergriffe vor. Albanische Medien haben mehrmals über Probleme, denen ethnische Albaner bei Ableistung ihres Wehrdienstes ausgesetzt sind, berichtet: Dabei handle es sich vor allem um Probleme betreffend den Gebrauch der albanischen Sprache und um Provokationen seitens der Soldaten. Es wurde in der Berichterstattung aber auf keine nennenswerten Fälle Bezug genommen."

Zur Situation von inhaftierten Personen wird im bekämpften Bescheid weiter ausgeführt:

"Die Haftbedingungen in maz. Gefängnissen sind aufgrund der begrenzten materiellen Ausstattung (kleine Zellen, eintönige Verpflegung, unzureichende medizinische Versorgung, Hygiene und Heizung) nach westlichem Standard als schlecht zu bezeichnen. Vorwürfe körperlicher Züchtigung und Disziplinierung durch Isolationshaft sind bekannt geworden. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass derartige Behandlung aufgrund systematischer Praxis oder staatlicher Anordnung erfolgt. Auch der maz. Ombudsmann kritisiert in seinen Jahresberichten 2001/2 die Haftbedingungen in Mazedonien und nennt sie speziell für Skopje als 'unter jedem Standard' und 'erniedrigend für die physische und moralische Integrität der Gefangenen'. Schon 2000 stellte er zudem fest, dass es an Resozialisierungsmöglichkeiten für straffällig Gewordene fehle. Das Helsinki Komitee bestätigt in seinem Jahresbericht 2001 diese Mängel, verweist aber zumindest bei der Unterbringung von weiblichen Gefangenen auf eine mittlerweile positive Entwicklung."

Zusammenfassend wird im bekämpften Bescheid festgehalten, dass "dem Länderdokumentationsmaterial" keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen seien, dass für den Beschwerdeführer irgendeine Gefahr im Falle seiner Rückkehr nach Mazedonien bestehe. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen sei vorliegend "der Flüchtlingsbegriff der GFK nicht erfüllt".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde hat ausreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass und weshalb sie die Behauptungen des Beschwerdeführers über eine Bedrohung durch die UCK nicht für glaubwürdig erachte. Der Beschwerdevorwurf, sie habe sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt, geht demnach fehl.

Die Beschwerdeausführungen sind darüber hinaus insoweit nicht zielführend, als sie darauf hinauslaufen, dem Beschwerdeführer drohe in Mazedonien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an seine Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe anknüpfende diskriminierende Behandlung von asylrelevanter Intensität. Soweit in diesem Zusammenhang bzw. in Bezug auf die zu dieser Frage getroffenen behördlichen Feststellungen Verfahrensfehler behauptet werden, wird deren Relevanz nicht dargetan. Insgesamt haftet der behördlichen Entscheidung nach § 7 AsylG damit keine Rechtswidrigkeit an.

Was die Entscheidung nach § 8 AsylG anlangt, so macht die Beschwerde allerdings zutreffend einen Begründungsmangel geltend. Die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde beschränkt sich nämlich - neben Zitierung des § 7 AsylG und allgemeinen Ausführungen zum Flüchtlingsbegriff der FlKonv - auf den Satz, dass "auf Grund obiger Sachverhaltsfeststellungen der Flüchtlingsbegriff der GFK nicht erfüllt" sei. § 8 AsylG wird dagegen (sieht man von der Erwähnung dieser Bestimmung im Spruch des bekämpften Bescheides ab) mit keinem Wort angesprochen, noch weniger finden sich Überlegungen dazu, weshalb der erstinstanzliche Ausspruch nach § 8 AsylG zu bestätigen gewesen sei. Derartige Überlegungen wären vor allem im Hinblick auf die oben wiedergegebenen behördlichen Feststellungen zu den Haftbedingungen in Mazedonien von Bedeutung gewesen, lassen es diese Feststellungen doch nicht für ausgeschlossen erachten, dass die Abschiebung einer Person nach Mazedonien, die dort mit der Verbüßung einer Haftstrafe zu rechnen hat, gegen Art. 3 EMRK verstoße und damit zufolge § 57 Abs. 1 FrG unzulässig wäre.

Die belangte Behörde ging zwar erkennbar davon aus, dass der Beschwerdeführer in Mazedonien nicht mit einer Inhaftierung zu rechnen habe; insbesondere hielt sie fest, dass ihm keinerlei Probleme wegen der Nichtbefolgung der Einberufungsbefehle drohten. Wie sie zu diesem Ergebnis gelangte, ist allerdings nicht nachvollziehbar: Sie folgte den Angaben des Beschwerdeführers, dass er mehrere Einberufungsbefehle zur mazedonischen Armee erhalten habe, denen er nicht nachgekommen sei. Sie stellte fest (siehe oben), dass (ua.) bei Wehrdienstverweigerung Geld- und Gefängnisstrafen bis zu zehn Jahren drohten. Zwar wird ergänzend festgestellt, dass "Fahnenflüchtige", die im Zusammenhang mit der Krise 2001 die Armee bzw. das Land verlassen hätten, amnestiert seien. Der Beschwerdeführer hat freilich - dass ihm insoweit die Glaubwürdigkeit abgesprochen worden wäre, lässt sich dem bekämpften Bescheid nicht entnehmen - einen der Einberufungsbefehle mit Februar 2002 datiert, weshalb nicht zu sehen ist, wieso er (uneingeschränkt) in den Genuss der erwähnten Amnestieregelung kommen könne. Zusammenfassend ergibt sich somit entgegen der behördlichen Annahme, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Mazedonien wegen der Nichtbefolgung der seinerzeitigen Einberufungsbefehle eine Haftstrafe drohen könnte. Von daher wären die behördlichen Feststellungen über die Situation in den mazedonischen Gefängnissen nicht ohne Relevanz.

Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid hinsichtlich seines Ausspruchs nach § 8 AsylG gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen (Entscheidung nach § 7 AsylG) war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Da nur EUR 908,-- als Ersatz für Schriftsatzaufwand angesprochen wurden, konnte auch nur dieser Betrag zugesprochen werden.

Wien, am 9. November 2004

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