VwGH 2003/01/0463

VwGH2003/01/046324.8.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des E, geboren 1974, vertreten durch Mag. Ernst Lehenbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Hauptplatz 21, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Mai 2003, Zl. 230.802/0-VIII/23/02, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d Abs1 idF 2001/I/137;
B-VG Art130 Abs2;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §67d Abs1 idF 2001/I/137;
B-VG Art130 Abs2;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z43a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer reiste am 5. Mai 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er ist Staatsangehöriger der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Kosovo und gehört der albanischen Volksgruppe an.

Bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 3. Juli 2002 begründete er seinen Asylantrag im Wesentlichen damit, das Haus seiner Familie sei während des Krieges im Jahr 1998 bis Frühjahr 1999 zerstört worden, er wohne gemeinsam mit seiner Familie in Pristina und habe sich vergeblich um einen Arbeitsplatz beworben, sodass er im Falle seiner Rückkehr einer Notlage ausgesetzt sei.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 13. August 2002 gemäß § 7 Asylgesetz ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Asylgesetz zulässig sei. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland wegen der schlechten Wirtschaftslage verlassen habe und eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht vorliege.

In der gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass er in den Jahren 1992 bis 1993 in der "Fakultät F.F.H." studiert und sich von serbischen Studenten Bücher und Skripten besorgt habe. Da er dies immer "geheim und an verstecken Plätzen" getan habe, sei er später verdächtigt worden, sich aus politischen Gründen mit Serben zu treffen. Da er von "Zusammenstößen durch albanische Gruppen u. auch von Ermordungen" gehört habe, habe er 1996 bis 2002 das Land verlassen und in Deutschland gelebt. Nach seiner Rückkehr hätten ihn seine Eltern eindringlich gewarnt, vorsichtig zu sein, da man ihn noch immer als Spion verdächtige.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz ab und führte begründend im Wesentlichen aus, dass sie sich den Ausführungen der Erstbehörde vollinhaltlich anschließe. Im Ergebnis lägen keine Umstände vor, die für eine Asylgewährung hinreichend wären. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe unterbleiben können, da der Beschwerdeführer in der Berufung vor dem Hintergrund der in einem Asylverfahren relevanten Gesichtspunkte sein in der erstinstanzlichen Vernehmung erstattetes Vorbringen wiederhole.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerde macht unter anderem unter Verweis auf die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung vorgebrachten Verdächtigungen als Spion und die unterlassene Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt für die Fälle, in denen keine Berufungsverhandlung beantragt wurde, dem Kriterium des Vorliegens eines geklärten Sachverhaltes nach Art. II Abs. 2 Z. 43a EGVG die Bedeutung eines Maßstabes für die Ausübung des Ermessens des unabhängigen Bundesasylsenates bei Anwendung des § 67d Abs. 1 AVG in der Fassung der Verwaltungsverfahrensnovelle 2001 zu. Bei der zu prüfenden Frage, ob die belangte Behörde den Sachverhalt als geklärt ansehen und angesichts des fehlenden Parteienantrages auf Durchführung einer Verhandlung in Ausübung ihres Ermessens von einer solchen Abstand nehmen durfte, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG nach wie vor anwendbar. Nach dieser Judikatur ist der Sachverhalt im Verfahren vor dem unabhängigen Bundesasylsenat u.a. nur dann als aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt anzusehen, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/01/0147 mwN).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung erstmals geltend gemacht, aufgrund seiner Kontakte zu serbischen Studenten in seiner Studienzeit noch immer als Spion verdächtigt zu werden. Mit diesem Vorbringen hätte sich die belangte Behörde beschäftigen müssen, zumal es darauf ankommt, welche Schlussfolgerungen aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers durch den als Verfolger in Betracht kommenden Personenkreis gezogen werden und ob der Betroffene damit zu rechnen habe, als Kollaborateur der Serben behandelt zu werden (vgl. idS das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2003/01/0017). Im vorliegenden Fall kann bei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Verdächtigung als Spion eine asylrelevante Verfolgung als serbischer Kollaborateur nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal Kosovo-Albaner, die mit dem serbischen Regime nach 1990 in Verbindung gebracht werden, zu den Gruppen von Kosovo-Albanern zählen, die einer besonders aufmerksamen Prüfung zu unterziehen sind (vgl. zur diesbezüglichen Indizwirkung von Empfehlungen internationaler Organisationen das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2003/01/0059 und die UNHCR-Position zur Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo im Lichte der jüngsten ethnisch motivierten Auseinandersetzungen vom 30. März 2004, S. 5). Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich in einer mündlichen Verhandlung mit diesem Berufungsvorbringen auseinander zu setzen und die vorgebrachte Verdächtigung als Spion im Hinblick auf eine mögliche asylrelevante Verfolgung zu untersuchen.

Daher war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. August 2004

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