VwGH 2003/01/0429

VwGH2003/01/042916.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des RJ in P, vertreten durch Mag. Harald Wiesmayr, Rechtsanwalt in 4360 Grein, Hauptstraße 10, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 17. März 2003, Zl. Gem(Stb)-416580/5-2003- Gru/Fr, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11;
StGB §127;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §11;
StGB §127;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. März 2003 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines 1971 geborenen mazedonischen Staatsangehörigen - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 und § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer seit 1992 ununterbrochen mit Hauptwohnsitz in Österreich lebe. Er sei ledig und verdiene seinen Lebensunterhalt bei einem namentlich genannten Unternehmen als Hilfsarbeiter. Vom Landesgericht Linz sei er am 17. Juni 1996 wie folgt verurteilt worden:

"J.R. hat in Grein anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. im Dezember 1995 der Fa. EBG elf Stück CD im Gesamtwert von S 1.495,--

2. im Dezember 1995 in zumindest sechs Angriffen der Fa. SPAR Kosmetik- und Toiletteartikel im Gesamtwert von S 435,10

3. im Jänner 1996 der Fa. SPAR in acht Angriffen Kosmetik- und Toiletteartikel im Gesamtwert von S 641,10

4. im Februar 1996 der Fa. SPAR in vier Angriffen Kosmetikartikel und Kleinbildfilme im Gesamtwert von S 893,40

5. am 6.2.1996 der Fa. SPAR Fotos im Wert von S 219,--.

Strafbare Handlungen: Vergehen des Diebstahls nach § 127 des österr. Strafgesetzbuches.

Verhängte Geldstrafe: 26 Tagessätze, a S 200,--, sohin insgesamt S 5.200,--.

Mildernd: Das Geständnis, die Unbescholtenheit und die vollständige Schadensgutmachung.

Erschwerend: Die Vielzahl der Angriffe auf fremdes Eigentum."

Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG erfülle, könne seinem Verleihungsantrag nicht entsprochen werden: Es sei davon auszugehen, dass eine Integration in wesentlichen Bereichen nicht gelungen sei. Außerdem widerstrebe die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an ehemalige Straftäter jedenfalls den öffentlichen Interessen und dem allgemeinen Wohl. Es müsse "genau differenziert werden, ob die Entscheidung der Behörde auch von der allgemeinen Meinung im Hinblick auf das allgemeine Wohl und die öffentlichen Interessen getragen worden wäre." Es sei keinesfalls anzunehmen, dass eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer angesichts der Verurteilung wegen eines "massiven" Vorsatzdeliktes allgemeines Verständnis finden würde. Auf Grund der Vielzahl der Einbürgerungsanträge werde dem öffentlichen Interesse und dem allgemeinen Wohl nur dann gedient, wenn ehemalige Straftäter von der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen blieben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 StbG kein Verleihungshindernis entgegenstehe, dass sie das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG jedoch nicht zu seinen Gunsten üben könne.

§ 11 StbG hat seit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, folgenden Wortlaut:

"Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."

Wie die ErläutRV zur Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (1283 BlgNR 20. GP 5 und 9) festhalten, sollte - ua. durch die Neufassung des § 11 StbG - die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium verankert werden, sodass die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 11 StbG vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten hat (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0600). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde bezogen auf die Frage der Integration des Beschwerdeführers nur ausgeführt, dass diese "in wesentlichen Bereichen nicht gelungen" sei. Wie sie zu diesem Ergebnis gelangte, wird im bekämpften Bescheid allerdings nicht offen gelegt, insbesondere enthält der Bescheid keine Feststellungen, die eine dahingehende Beurteilung erlauben könnten. Sollte die belangte Behörde bei ihrer diesbezüglichen Einschätzung die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers aus dem Jahr 1996 bzw. die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen im Auge gehabt haben, so wäre freilich darauf hinzuweisen, dass diese Umstände bezüglich der Frage der Integration des Beschwerdeführers keine Aussagekraft besitzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 2003, Zl. 2002/01/0156 mwN.).

Nach dem Gesagten ist der bekämpfte Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet. Überdies beruht er jedenfalls insoweit auf einer irrigen Rechtsansicht, als er die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "an ehemalige Straftäter" - ohne Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles und insbesondere ohne Bedachtnahme auf den seit Begehung der Straftat vergangenen Zeitraum - kategorisch als den öffentlichen Interessen und dem allgemeinen Wohl widerstrebend ansieht. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall auch das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, Zl. 2002/01/0296).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 16. April 2004

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