VwGH 2002/20/0015

VwGH2002/20/00154.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des C in W, geboren 1976, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 1-3, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Mai 1999, Zl. 209.773/0- IV/29/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 2 AsylG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §2;
AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AsylG 1997 §2;
AsylG 1997 §30 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 16. Februar 1997 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Pakistan, ersuchte am 24. Februar 1997 um Gewährung von Asyl. Er begründete diesen Antrag vor dem Bundesasylamt zusammengefasst damit, dass er in seiner Heimat am 2. Dezember 1996 als Mitglied der Pakistan Peoples Party an Ausschreitungen gegen die Mitglieder der Pakistan Muslim League beteiligt gewesen sei. Weil es bei diesen Ausschreitungen zu Verletzten und Toten gekommen und der Beschwerdeführer dabei mit Waffen gegen andere Teilnehmer aufgetreten sei, habe ihn die Polizei verhaftet und der Mittäterschaft beschuldigt.

Mit Bescheid vom 24. Februar 1997 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Asylgesetz 1991 mit der Begründung ab, dass die dem Beschwerdeführer in Pakistan drohende Verfolgung bloß strafrechtlicher Natur und daher asylrechtlich nicht relevant sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte zur politischen Situation in Pakistan unter Hinweis auf die Berichtslage vor, die systematischen Verhaftungen durch die Polizei seines Heimatstaates dienten einzig dazu, Regimegegner einzuschüchtern und von ihnen die Preisgabe der Namen anderer Aktivisten zu erzwingen. In seiner Heimat drohe ihm daher politische Verfolgung. Im Übrigen habe er niemals angegeben, bei den genannten Zusammenstößen selbst gewalttätig gewesen zu sein. Während der genannten Polizeihaft sei er geschlagen und am ganzen Körper misshandelt worden und habe davon auf seinem Rücken schwere Verletzungen davongetragen.

Mit Bescheid vom 21. März 1997 wies der Bundesminister für Inneres die genannte Berufung des Beschwerdeführers ab. Die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 25. März 1999, Zl. 97/20/0337, gemäß § 44 Abs. 3 AsylG zurückgewiesen. Das Asylverfahren des Beschwerdeführers trat gemäß § 44 Abs. 2 AsylG (in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) in das Stadium vor Erlassung des letztgenannten Bescheides zurück.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 1999 behob die belangte Behörde den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Februar 1997 und wies gleichzeitig den Asylantrag des Beschwerdeführer gemäß § 2 AsylG als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus:

"Entscheidungswesentlich wird festgestellt, dass der Berufungswerber am 21.04.1999 in sein Heimatland - Pakistan - verzogen abgemeldet wurde und dieser sich sohin nicht mehr im Bundesgebiet aufhält."

Nach Wiedergabe maßgeblicher Rechtsvorschriften meinte die belangte Behörde anschließend, es stehe fest, dass der Beschwerdeführer nach Pakistan zurückgekehrt sei. Gemäß § 2 AsylG bilde jedoch der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet eine Voraussetzung für die Asylgewährung. Das Fehlen eines Aufenthaltes in Österreich sei als Fehlen einer Prozessvoraussetzung zu werten, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sei. Da diese Prozessvoraussetzung im Fall des Beschwerdeführers im Laufe des Verfahrens weggefallen sei, sei wie im Spruch des angefochtenen Bescheides zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen (nach der Aktenlage dem Beschwerdeführer am 27. September 2001 rechtswirksam zugestellten) Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer u. a. bestreitet, dass er Österreich nach der Einbringung seines Asylantrages verlassen habe. Vielmehr sei er nach dem im angefochtenen Bescheid genannten 21. April 1999 weiterhin in Österreich wohnhaft und gemeldet gewesen, wofür er mit der Beschwerde Kopien von zwei Meldezetteln vorlegte. Die belangte Behörde sei nicht berechtigt gewesen, allein auf Grund einer polizeilichen Abmeldung und der Bekanntgabe eines "Verzugsortes" ohne weitere Ermittlungen auf ein tatsächliches Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich das Verlassen des Bundesgebietes, zu schließen.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 2 AsylG (in der hier maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) erlangen Fremde, die sich im Bundesgebiet aufhalten, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Asyl und die Feststellung, dass sie damit kraft Gesetzes Flüchtlinge sind. Nach den Erläuterungen zur genannten Gesetzesstelle (686 BlgNR XX. GP 16) sollen nur jene Fremden Asyl erhalten, die sich im Bundesgebiet aufhalten, die Gewährung von Asyl und die Asylerstreckung an Fremde im Ausland seien nach der letztgenannten Bestimmung unzulässig.

Im vorliegenden Beschwerdefall gelangte die belangte Behörde ausschließlich deshalb, weil der Beschwerdeführer in sein Heimatland "verzogen abgemeldet wurde", zur Ansicht, dieser halte sich nicht mehr im Bundesgebiet auf. Den letztgenannten Umstand leitete sie aus einer im Verwaltungsakt befindlichen Auskunft der Bundespolizeidirektion Wien (Zentralmeldeamt) vom 6. Mai 1999 ab, der zufolge der Beschwerdeführer "am 21.4.99 nach PAKISTAN abgem."

worden sei. Weitere Anhaltspunkte für die Annahme, der Beschwerdeführer habe Österreich verlassen, finden sich im Verwaltungsakt nicht, sodass die bloß auf die Meldeauskunft gestützte Feststellung nicht schlüssig ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. April 1999, Zl. 97/19/1391, und vom 19. November 2003, Zl. 2003/21/0001, je mwN). Unter diesen Umständen kam die Erledigung des Asylantrages gemäß § 2 AsylG nicht in Betracht. War der Beschwerdeführer aber nur (ohne Feststellbarkeit eines Auslandsaufenthaltes) abwesend, so hätte die belangte Behörde das Asylverfahren bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 1 AsylG einstellen müssen.

Der angefochtene Bescheid war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. November 2004

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