VwGH 2002/15/0059

VwGH2002/15/005928.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Rechtsanwalt in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 16. Jänner 2002, GZ RV 483/1-5/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §103 Abs2;
BAO §213;
KO idF vor 1. 7. 2010 §78 Abs2;
KO idF vor 1. 7. 2010 §78 Abs3;
RAO 1868 §8 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §17;
ZustG §21;
BAO §103 Abs2;
BAO §213;
KO idF vor 1. 7. 2010 §78 Abs2;
KO idF vor 1. 7. 2010 §78 Abs3;
RAO 1868 §8 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §17;
ZustG §21;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem vor dem Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer geführten Finanzstrafverfahren teilte Rechtsanwalt Dr. S der Behörde mit Schreiben vom 7. Dezember 2000 mit, dass er den Beschwerdeführer rechtsfreundlich vertrete und sich hinsichtlich der Bevollmächtigung auf die mündlich erteilte Vollmacht iSd § 8 RAO berufe.

Das Straferkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz mit Ausfertigungsdatum 6. März 2001 erkannte den Beschwerdeführer als schuldig, durch bestimmte bezeichnete Handlungen eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG sowie eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs 1 lit a FinStrG begangen zu haben, weshalb einer Geldstrafe von 140.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe ein Monat) zu verhängen sei. In Ansehung weiterer gegen den Beschwerdeführer erhobener Vorwürfe betreffend Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit a sowie § 34 Abs 1 FinStrG sei hingegen das Verfahren einzustellen.

Die Finanzstrafbehörde verfügte die Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer. Auf dem Kuvert zur Postzustellung ist der Beschwerdeführer als Empfänger benannt. Da der Beschwerdeführer bei den beiden Zustellversuchen vom 5. und 6. April 2001 nicht in seiner Wohnung angetroffen worden ist, wurde die Sendung von der Post hinterlegt (Beginn der Abholfrist 6. April 2001).

Da der Beschwerdeführer das Poststück nicht behob, wurde dieses dem Finanzamt rückübermittelt. In der Folge wurde das Straferkenntnis Rechtsanwalt Dr. S mit einem Kuvert, das diesen (und seinen Kanzleipartner) als Empfänger benennt, am 20. September 2001 zugestellt.

Mit dem am 22. Oktober 2001 (der 20. Oktober 2001 war ein Samstag) zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter Berufung gegen das Straferkenntnis.

Mit Bescheid vom 6. November 2001 wies das Finanzamt die Berufung als verspätet zurück. Das Straferkenntnisses gelte als durch Hinterlegung im April 2001 zugestellt. Gemäß § 103 Abs 2 FinStrG sei eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstrecke, die im Zuge eines Verfahrens ergingen oder Abgaben beträfen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht werde. Da die Rechtsanwälte Dr. S und Dr. K keine ausdrückliche Erklärung iSd § 103 Abs 2 BAO abgegeben hätten, sei die Zustellung an den Beschwerdeführer rechtswirksam gewesen.

In der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid wurde vorgebracht, über das Vermögen des Beschwerdeführers sei mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 26. Juli 2000 das Konkursverfahren eröffnet worden. Mag. Erich F sei zum Masseverwalter bestellt worden. Wegen der Postsperre des § 78 KO habe ab diesem Zeitpunkt keine rechtswirksame Zustellung an den Beschwerdeführer persönlich erfolgen können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 150 Abs 1 FinStrG betrage die Berufungsfrist gegen ein Straferkenntnis einen Monat und beginne mit der Zustellung des angefochtenen Bescheides zu laufen. Im gegenständlichen Fall sei die Zustellung durch Hinterlegung erfolgt, wobei die Abholfrist am 6. April 2001 begonnen habe. Aus §§ 46 und 58 KO ergebe sich, dass Geldstrafen weder Masseforderungen noch Konkursforderungen seien. Im Finanzstrafverfahren sei eine gesetzliche Vertretung durch den Masseverwalter nicht vorgesehen. Werde gemäß § 78 KO vom Konkursgericht eine Postsperre verfügt, so beziehe sich diese nur auf Sendungen, die das Insolvenzverfahren beträfen. Sendungen, die sich auf Angelegenheiten bezögen, welche die Masse nicht berührten, unterlägen nicht der Postsperre und seien daher dem Empfänger persönlich zuzustellen. Im gegenständlichen Fall sei somit aufgrund der Hinterlegung des Straferkenntnisses die Berufungsfrist mit 6. April 2001 in Gang gesetzt worden. Die am 22. Oktober 2001 eingebrachte Berufung sei damit zu Recht vom Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz als verspätet zurückgewiesen worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

§ 56 Abs 3 FinStrG lautet:

"Für Zustellungen gelten das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, und sinngemäß die Bestimmungen des dritten Abschnittes der Bundesabgabenordnung. Zustellungen im Verfahren nach den §§ 147 und 148 können durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 des Zustellgesetzes erfolgen."

§ 9 Abs 1 ZustellG lautet:

"Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

§ 103 Abs 1 BAO lautet:

"Ungeachtet einer Zustellungsbevollmächtigung sind Vorladungen (§ 91) dem Vorgeladenen zuzustellen. Im Einhebungsverfahren ergehende Erledigungen können aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, trotz Vorliegens einer Zustellungsbevollmächtigung wirksam dem Vollmachtgeber unmittelbar zugestellt werden."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa den hg Beschluss vom 27. Februar 2002, 2001/13/0231) zu § 103 Abs 2 BAO in der Fassung vor der durch das AbgÄG 2003, BGBl I 124, vorgenommenen Neufassung ist in den Fällen des § 103 Abs 2 BAO die Abgabenbehörde nur dann zur Zustellung von Erledigungen an einen gewillkürten Vertreter verpflichtet, wenn dieser die ausdrückliche Erklärung abgibt, dass ihm alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen zuzustellen sind, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder solche Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird. Das gilt auch im Falle des Einschreitens eines Rechtsanwaltes, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass gemäß § 8 Abs 1 RAO die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt.

Bei Finanzstrafen handelt es sich aber nicht um Abgaben, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefasst verbucht wird. Da sich die im Finanzstrafverfahren erteilte Vollmacht - wenn nicht ausdrücklich abweichendes erklärt wird - auf alle Erledigungen des konkreten Finanzstrafverfahrens bezieht, handelt es sich bei den für die Vertretung im Finanzstrafverfahren erteilten Vollmachten (von der im gegenständlichen Fall nicht vorliegenden Vollmachterteilung für bloß einzelne Erledigungen des konkreten Finanzstrafverfahren abgesehen) nicht um solche, die der Regelung des § 103 Abs 2 BAO unterliegen. Solcherart kann im gegenständlichen Fall nicht aufgrund der Bestimmung des § 103 Abs 2 BAO das Vorliegen einer Zustellvollmacht für Rechtsanwalt Dr. S verneint werden.

Bei aufrechtem Bestand einer Zustellbevollmächtigung kann - wie sich dies aus § 56 Abs 3 FinStrG iVm § 9 Abs 1 ZustellG ergibt - nicht an die Partei selbst rechtswirksam zugestellt werden. Die Zustellung hat vielmehr an den Zustellbevollmächtigten zu erfolgen. Wird stattdessen an den Vertretenen selbst zugestellt, dann ist diese Zustellung unwirksam.

Im Hinblick auf die Zustellvollmacht hat sohin der auf den Beschwerdeführer als Empfänger ausgerichtete Versuch der Zustellung des Straferkenntnisses mit Ausfertigungsdatum 6. März 2001 keine Rechtswirkungen entfaltet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, 2002/15/0090).

Die Unwirksamkeit der an den Beschwerdeführer verfügten Zustellung des Straferkenntnisses ergibt sich im gegenständlichen Fall aber auch aus einem anderen Grund:

§ 13 Abs 1 ZustellG lautet:

"Die Sendung ist dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers."

§ 58 KO lautet:

" Als Konkursforderungen können nicht geltend gemacht werden:

1. die seit der Konkurseröffnung laufenden Zinsen von Konkursforderungen sowie Kosten, die den einzelnen Gläubigern aus ihrer Teilnahme am Verfahren erwachsen;

  1. 2. Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art;
  2. 3. Ansprüche aus Schenkungen und im Verlassenschaftskonkurse auch Ansprüche aus Vermächtnissen."

    § 78 Abs 2 und 3 KO lautet:

"(2) Das Gericht hat zugleich mit der Konkurseröffnung die Post- und Telegraphendienststellen, die Flugplätze, Bahnhöfe und Schiffsstationen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Konkurseröffnung zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluss fasst, haben diese Stellen dem Masseverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Gemeinschuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind."

(3) Der Masseverwalter darf die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Konkursverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden. Ansonsten hat der Masseverwalter dem Gemeinschuldner Einsicht in die an diesen gerichteten Mitteilungen zu gewähren und ihm die Sendungen, die die Masse nicht berühren, unverzüglich auszufolgen."

Die Sperre iSd § 78 Abs 2 KO gebietet das Gesetz zwingend für jedes Konkursverfahren, doch darf jede einzelne dieser Sperren gänzlich oder zum Teil (etwa die Postsperre hinsichtlich gewöhnlicher Briefe oder wegen einzelner gerichtlicher Ladungen) durch das Konkursgericht früher aufgehoben werden. Bei aufrechter Sperre sind alle an den Gemeinschuldner gerichteten Sendungen der Post an seiner Statt dem Masseverwalter auszufolgen, ohne dass das Postorgan einen Unterschied zwischen Geschäfts- und Privatsendungen machen dürfte und ohne dass es darauf ankäme, ob die Sendung am Wohnort des Gemeinschuldners einläuft oder an einem anderen Ort. Die Postsperre greift über die Konkursmasse hinaus, da nicht alle Postsendungen des Gemeinschuldners zum Konkursvermögen gehören bzw dieses betreffen. Die Sperre bezieht sich nur auf die Postsendungen, die außerhalb des Konkursverfahrens nach den Postvorschriften dem Gemeinschuldner auszufolgen wären, es kommt somit nur auf die Anschrift, nicht ihren Inhalt an (siehe OGH 15. Juni 1989, 8 Ob 26/89, WBl 1989, 352). .

Solange eine Postsperre gemäß § 78 Abs 2 KO besteht, haben die Postdienststellen dem Masseverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Gemeinschuldner auszufolgen wären. Der Masseverwalter darf die ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Konkursverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden (§ 78 Abs 3 Satz 1 und 2 KO). Bei nicht die Masse berührenden Sendungen erfolgt durch die Bekanntgabe an den Masseverwalter keine rechtswirksame Zustellung. Es ist vielmehr die Übermittlung an den Gemeinschuldner neuerlich, diesmal allerdings mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz Postsperre hinweisenden Vermerk (§ 78 Abs 2 letzter Satz KO) zu veranlassen (vgl das hg. Erkenntnis 18. April 1989, 88/11/0272).

Die Postsperre iSd § 78 KO zählt zu den anderslautenden Anordnungen iSd § 13 Abs 1 ZustellG (vgl Ritz, BAO-KOmmentar2, § 13 ZustellG, Tz 4). Greift die Postsperre, hat die Zustellung an den Masseverwalter als Empfänger zu erfolgen, der in einem solchen Fall zum "Empfänger" im rechtstechnischen Sinn wird (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 1092). Die Postsperre bezieht sich nicht nur auf Sendungen, die das Konkursverfahren betreffen, weil das Gesetz dem Zustellorgan nicht die Prüfung zumutet, ob Sendungen die Masse berühren. Solcherart ist für Sendungen jeder Art eine im Hinblick auf die Abgabestelle des Gemeinschuldners nach § 17 (iVm § 21) ZustellG vorgenommene Hinterlegung unzulässig und entfaltet nicht die (in § 17 Abs 3 ZustellG vorgesehene) Zustellwirkung. Betrifft die Sendung nicht die Konkursmasse, hat die - gegebenenfalls nach Zurückstellung durch den Masseverwalter zu erfolgende - Zustellung an den Gemeinschuldner als Empfänger der Sendung zu erfolgen, wobei aber ein amtlicher Vermerk iSd § 78 Abs 2 KO unverzichtbar ist, wonach trotz der Postsperre die Zustellung zulässig ist. Nur für eine diesen Vermerk tragende Sendung ist die Hinterlegung iSd § 17 (iVm § 21) ZustellG zulässig, wenn die Sendung dem Gemeinschuldner nicht an seiner Abgabestelle zugestellt werden kann.

Die das Straferkenntnis mit Ausfertigungsdatum 6. März 2000 beinhaltende, den Beschwerdeführer als Empfänger bezeichnende Postsendung hat im gegenständlichen Fall keinen amtlichen Vermerk iSd § 78 Abs 2 KO getragen, weshalb trotz Hinterlegung keine Zustellwirkung iSd § 17 Abs 3 ZustellG eingetreten ist. Ein Fall der Sanierung eines Zustellmangels iSd § 7 ZustellG liegt im Beschwerdefall sachverhaltsmäßig nicht vor. Indem die belangte Behörde von einer Zustellwirkung iSd § 17 Abs 3 iVm § 21 ZustellG ausgegangen und daher die erst am 22. Oktober 2001 eingebrachte Berufung als verspätet angesehen hat, hat sie die Rechtslage verkannt.

Ob der Spruchsenat bei Entscheidung über das Straferkenntnis, welches das Ausfertigungsdatum 6. März 2000 trägt, richtig zusammengesetzt gewesen ist, was der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde bestreitet, war im Beschwerdefall nicht zu prüfen.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II 333/2003.

Wien, am 28. Oktober 2004

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