VwGH 2002/14/0056

VwGH2002/14/005617.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der L AG in L, vertreten durch die Exinger GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1010 Wien, Friedrichstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 1. März 2002, GZ RV 1167/1-6/2001, betreffend Haftung für Abzugsteuer nach § 99 EStG hinsichtlich des Jahres 2000, den Beschluss gefasst:

Normen

11992E059 EGV Art59;
11992E060 EGV Art60;
11997E049 EG Art49;
11997E050 EG Art50;
11997E234 EG Art234;
AVG §38;
DBAbk Großbritannien 1970 Art12;
DBAbk Großbritannien 1970 Art7;
DBAbkDV Großbritannien 1979 §3 Abs2;
EStG §28 Abs1 Z3;
EStG §98 Z2;
EStG §98 Z6;
EStG §99 Abs1 Z3;
VwGG §62 Abs1;
11992E059 EGV Art59;
11992E060 EGV Art60;
11997E049 EG Art49;
11997E050 EG Art50;
11997E234 EG Art234;
AVG §38;
DBAbk Großbritannien 1970 Art12;
DBAbk Großbritannien 1970 Art7;
DBAbkDV Großbritannien 1979 §3 Abs2;
EStG §28 Abs1 Z3;
EStG §98 Z2;
EStG §98 Z6;
EStG §99 Abs1 Z3;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des mit Beschluss des deutschen Bundesfinanzhofs vom 28. April 2004, I R 39/04, angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Rechtssache C-290/04 ) ausgesetzt.

Begründung

Am 20. August 2000 schloss die Beschwerdeführerin, eine in Österreich ansässige AG, einen Vertrag mit dem Fotomodell N, welches durch die ebenfalls in Österreich ansässige F GmbH vertreten wurde. Darin verpflichtete sich N zu zwei Fotoshooting- und PR-Terminen im Großraum Wien bzw in Paris im September und Oktober 2000. Als Gegenleistung wurde ein Pauschalhonorar von 310.000,-- USD zuzüglich 20 % Agenturprovision zuzüglich 20 % Umsatzsteuer vereinbart. Darüber hinaus verpflichtete sich die Beschwerdeführerin zur Übernahme der Spesen für Flüge, Transfers und Unterkunft der N sowie ihrer Begleitung in Höhe von insgesamt 293.000,-- ATS.

Bei der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2000 eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt. In einem dem Prüfer vorgelegten Schreiben vom 19. September 2000 stellte die britische Steuerberatungsgesellschaft E fest, N sei im britischen Steuerjahr vom 6. April 2000 bis 5. April 2001 "Tax resident of the United Kingdom" gewesen. Der Prüfer forderte die Beschwerdeführerin daraufhin unter Berufung auf § 3 Abs 2 der Durchführungsverordnung zum DBA Großbritannien auf, den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit der N in Großbritannien bis 31. Jänner 2001 durch Vorlage einer britischen Wohnsitzbescheinigung zu erbringen, da die Mitteilung der Steuerberatungsgesellschaft E hierfür nicht ausreiche. Diese führte in der Folge mit Telefax vom 31. Jänner 2001 aus, dass eine Wohnsitzbescheinigung erst nach Ende des britischen Steuerjahres am 5. April 2001 beigebracht werden könne.

Mit Haftungs- und Zahlungsbescheid vom 8. Februar 2001 schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin Abzugsteuer gem § 99 Abs 1 Z 3 EStG 1988 in Höhe von ATS 1.104.216,-- vor.

Dagegen richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin vom 13. März 2001. In dieser wurde vorgebracht, dass aufgrund des PR-Auftrittes der N und der Verwertung der Fotorechte aus den in Wien durchgeführten Fotoshootings eine Verwertung von Persönlichkeitsrechten gem § 98 Z 6 EStG erfolgt sei, weshalb Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorlägen, die - beurteilt nach österreichischem innerstaatlichem Recht - in Österreich der Abzugsbesteuerung unterlägen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass N laut Aussage der F GmbH in Großbritannien ansässig sei, weshalb das DBA Großbritannien zur Anwendung komme. In der Folge wurde ausgeführt, dass Artikel 12 des Abkommens im Wesentlichen Vergütungen erfasse, die als Gegenleistung für die Benutzung (oder das Recht auf Benutzung) von Urheberrechten, gewerblichen Schutzrechten, Ausrüstungen und Erfahrungen bezahlt würden. Der Bildnisschutz sei zwar als verwandtes Schutzrecht im Urheberrechtsgesetz geregelt, begründe aber kein Urheberrecht iSd Art 12 OECD-Musterabkommens. Demzufolge sei Artikel 7 des DBA Großbritannien anzuwenden, woraus sich ergebe, dass Österreich mangels einer Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters der N im Inland das Besteuerungsrecht entzogen sei.

Mit Vorhalt vom 9. April 2001 forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, eine Bescheinigung der Ansässigkeit der N in Großbritannien bis 27. April 2001 vorzulegen. Nach Fristablauf erneuerte das Finanzamt seine Aufforderung unter Setzung einer Frist bis 25. Juni 2001.

Mit Anbringen vom 29. Juni 2001 beantragte die Beschwerdeführerin eine Fristerstreckung auf 31. August 2001. Das Finanzamt verlängerte daraufhin die Frist für die Vorhaltsbeantwortung bescheidmäßig bis zum 13. August 2001. Die verlängerte Frist verstrich ohne weitere Eingabe der Beschwerdeführerin. Die Wohnsitzbescheinigung wurde aber auch in der Folge nicht vorgelegt.

Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Hinsichtlich der Nachweisführung eines Wohnsitzes in Großbritannien sei § 3 Abs 2 der Durchführungsverordnung zum DBA Großbritannien (BGBl 505/1979) heranzuziehen, wonach Steuerpflichtige, die zur Erlangung einer abkommensmäßigen Steuerentlastung in Österreich den Nachweis der Ansässigkeit in Großbritannien erbringen müssten, diesen durch eine britische Wohnsitzbescheinigung erbringen könnten. Obwohl die Beschwerdeführerin hierauf wiederholt hingewiesen worden sei, sei die Vorlage einer derartigen Bescheinigung nicht erfolgt. Da weiters die von der britischen Steuerberatungsgesellschaft E im November 2000 ausgestellte Bestätigung insbesondere deshalb nicht als ausreichend angesehen werden könne, weil diese Gesellschaft selbst eingeräumt habe, dass eine Aussage über die Ansässigkeit der N erst nach Ablauf des britischen Steuerjahres möglich wäre, sei der Nachweis der Ansässigkeit nicht erbracht worden. Folglich könne das DBA Großbritannien im streitgegenständlichen Fall nicht zur Anwendung gelangen.

In Bezug auf das innerstaatliche Recht führte die belangte Behörde aus: Von den beiden Fotoshooting-Terminen habe einer in Österreich stattgefunden, jedoch seien beide in einer inländischen Betriebsstätte verwertet worden. Sie führten zu Einkünften aus selbständiger Arbeit iSd § 98 Z 2 EStG 1988 bzw seien als entgeltlich erlangte Erlaubnis zur kommerziellen Nutzung von Aufnahmen der N in Form von Plakaten, Prospekten, etc, dh als Erlaubnis zur Verwertung von Persönlichkeitsrechten und somit als "Überlassung von Rechten" iSd § 28 Abs 1 Z 3 EStG 1988 anzusehen. Die Tätigkeit der N könne im gegenständlichen Fall durchaus als künstlerische Tätigkeit angesehen werden, sodass schon unter diesem Aspekt die beschränkte Steuerpflicht bestünde. Es liege aber gleichfalls eine Verwertung von Rechten vor. In dieser Hinsicht ergebe sich das Besteuerungsrecht dann, wenn eine Verwendung der überlassenen Rechte in einer inländischen Betriebsstätte erfolge. Dies treffe im gegenständlichen Fall insoweit zu, als die Werbekampagne, in die N eingebunden gewesen sei, einer Hebung des Umsatzes bzw des steuerlichen Ergebnisses einer österreichischen Betriebsstätte habe dienen sollen.

Im Hinblick auf die Frage, ob die Verpflichtung zum Steuerabzug die Beschwerdeführerin oder die F GmbH treffe, sei zu klären, ob die F GmbH als bloße Vermittlerin aufgetreten sei oder ob sie N im eigenen Namen engagiert und zur Verfügung gestellt habe. Da im gegenständlichen Fall die F GmbH als bloße Vermittlerin der N anzusehen sei, die als Vertreterin beim Vertragsabschluss mit der Beschwerdeführerin fungiert habe, liege die Steuerabzugsverpflichtung bei der Beschwerdeführerin.

Mit Beschluss des deutschen Bundesfinanzhofs vom 28. April 2004, I R 39/04, wurden dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen betreffend einen Sachverhalt aus 1993 - und vor dem Hintergrund der Rechtslage in Deutschland - zur Vorabentscheidung gem Art 234 EG vorgelegt:

"1. Sind Art 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn ein in Deutschland (Inland) ansässiger Vergütungsschuldner eines im EU-Ausland (konkret: den Niederlanden) ansässigen Vergütungsgläubigers, der die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, gemäß § 50a Abs 5 Satz 5 EStG 1990 in der im Jahr 1993 geltenden Fassung in Haftung genommen werden kann, weil er den Steuerabzug nach § 50a Abs 4 EStG unterlassen hat, während Vergütungen an einen im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Vergütungsgläubiger (= Inländer) keinem Steuerabzug gemäß § 50a Abs 4 EStG unterliegen und daher auch keine Haftung des Vergütungsschuldners wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt.

2. Ist die Frage zu 1. anders zu beantworten, wenn der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger bei Erbringung seiner Dienstleistung nicht Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?

3. Falls die Frage zu 1. verneint wird:

a) Sind die Art 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass Betriebsausgaben, die einem im EU-Ausland ansässigen Vergütungsgläubiger im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner zu den Vergütungen führenden Tätigkeiten im Inland entstanden sind, vom Vergütungsschuldner bereits im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs 4 EStG steuermindernd berücksichtigt werden müssen, weil auch bei Inländern nur die nach Abzug der Betriebsausgaben verbleibenden Nettoeinkünfte der Einkommensteuer unterliegen?

b) Reicht es zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art 59 und 60 EGV aus, wenn im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs 4 EStG nur die mit der zum Vergütungsanspruch führenden Tätigkeit im Inland wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner nachgewiesen hat, und etwaige weitere Betriebsausgaben in einem anschließenden Erstattungsverfahren berücksichtigt werden können?

c) Sind die Art 59 und 60 EGV dahin gehend auszulegen, dass gegen sie verstoßen wird, wenn die einem in den Niederlanden ansässigen Vergütungsgläubiger nach dem DBA-Niederlande in Deutschland zustehende Steuerbefreiung im Steuerabzugverfahren gemäß § 50a Abs 4 iVm § 50d Abs 1 EStG zunächst unberücksichtigt bleibt und erst in einem nachfolgenden Freistellungs- oder Erstattungsverfahren berücksichtigt wird, und auch der Vergütungsschuldner sich im Haftungsverfahren nicht auf die Steuerbefreiung berufen darf, während steuerfreie Einkünfte von Inländern keinem Steuerabzug unterliegen und daher auch keine Haftung wegen eines unterlassenen oder zu geringen Steuerabzugs in Betracht kommt?

d) Hängt die Beantwortung der Fragen zu 3.a bis c) davon ab, ob der im EU-Ausland ansässige Vergütungsgläubiger im Zeitpunkt der Erbringung seiner Dienstleistung Staatsangehöriger eines EU-Mitgliedstaats ist?"

Im Beschwerdefall sind die Bestimmungen des österreichischen EStG und gegebenenfalls solche eines Doppelbesteuerungsabkommens anzuwenden und die Marktfreiheiten des EG-Vertrages (insbesondere auch Art 49, 50 EG) zu beachten. Deshalb sind die oben angeführten Fragen, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des Gemeinschaftsrechts von diesem zu entscheiden sind, auch für den Ausgang des - einen im Jahr 200 verwirklichten Sachverhalt betreffenden - Beschwerdefalles von wesentlicher Bedeutung.

Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung beim EuGH zur Rechtssache C-290/04 bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gem

§ 62 Abs 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden

§ 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen

Verfahrens vorgegangen werden konnte (vgl etwa die hg Beschlüsse vom 29. Jänner 2003, 99/03/0365, und vom 17. Juni 2003, 99/21/0213).

Wien, am 17. November 2004

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