Normen
WehrG 1990 §15 Abs1;
WehrG 1990 §23 Abs2;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
WehrG 1990 §15 Abs1;
WehrG 1990 §23 Abs2;
WehrG 2001 §17 Abs2;
WehrG 2001 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 7. Oktober 2002 wurde auf Grund des Beschlusses der Stellungskommission vom selben Tag gemäß § 23 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 letzter Satz des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001) die Eignung des Beschwerdeführers zum Wehrdienst mit dem Beschluss "TAUGLICH" festgestellt. In der Begründung führte das Militärkommando Tirol aus, der Beschwerdeführer sei am 14. Juni 2002 bei der Stellungskommission des Militärkommandos Tirol der Stellung unterzogen worden, dabei habe sich vorerst die Notwendigkeit ergeben, ihn einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Das Militärkommando Tirol führt weiters begründend Folgendes aus:
"Bei der Stellungsuntersuchung am 14 06 02 wurden folgende Diagnosen erhoben (beigebrachte ärztliche Befunde wurden dabei berücksichtigt):
- Neigung zu Rückenschmerzen bei Wirbelsäulenfehlhaltung
- Knieschmerzen links nach Unterschenkelbruch im Jahre 1999.
Wegen Sensibilitätsstörungen im Bereich der linken Körperhälfte war noch eine weiterführende fachärztliche Untersuchung anzuordnen.
Die Untersuchung an der Klinik INNSBRUCH am 11 07 02 ergab folgendes zusammenfassendes Ergebnis:
- Sensibilitätsstörung im Bereich der linken Körperhälfte jedoch ohne bildgebendes Korrelat und ohne jeglichen Krankheitswert
- Neigung zu Schwindel bei angeblicher Neigung zu niedrigem Blutdruck."
Über das Ergebnis der Untersuchung sei der Beschwerdeführer am 17. September 2002 schriftlich in Kenntnis gesetzt worden, er habe sich dazu jedoch nicht geäußert. Nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften führte das Militärkommando Tirol abschließend aus:
"Aufgrund des im Rahmen der Stellungsuntersuchung eingeholten Facharztbefundes und der darauf sich stützenden militärärztlichen Begutachtung bestehen bei Ihnen für die Leistung des Grundwehrdienstes Gesundheitseinschränkungen. Diese Einschränkungen sind jedoch nach Art und Grad als nicht so schwerwiegend zu werten, dass Ihnen das Bedienen einer Waffe und ein Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit zugemutet werden könnte. Ihre grundsätzliche Eignung zum Wehrdienst im Sinne des § 15 Abs. 1 des zitierten Wehrgesetzes ist somit gegeben."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1. Im Beschwerdefall ist das WG 2001, BGBl. I Nr. 146, maßgeblich. Die einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):
"Aufnahmebedingungen
§ 9. (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger einberufen werden, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung besitzen.
...
Aufgaben der Stellungskommissionen
§ 17. ...
(2) Die Stellungskommissionen haben die Eignung der im Abs. 1 genannten Personen zum Wehrdienst auf Grund der zur Feststellung dieser Eignung durchgeführten ärztlichen und psychologischen Untersuchungen mit einem der folgenden Beschlüsse festzustellen:
'Tauglich', 'Vorübergehend Untauglich', 'Untauglich'. Erscheint für diese Feststellung eine fachärztliche Untersuchung erforderlich, so sind die im Abs. 1 genannten Personen von den Stellungskommissionen einer solchen Untersuchung zuzuführen. Zu den Beschlüssen der Stellungskommission bedarf es der Anwesenheit aller Mitglieder oder der nach § 16 Abs. 2 an ihre Stelle tretenden Ersatzmitglieder und der Mehrheit der Stimmen. Ein auf 'Tauglich' lautender Beschluss bedarf jedoch der Zustimmung des Arztes.
..."
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 2002, Zl. 2000/11/0162, zum Wehrgesetz 1990 (WG) Folgendes ausgeführt (da das WG 2001 nur eine Wiederverlautbarung des WG darstellt, sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Grund, von dieser Judikatur aus Anlass des Beschwerdefalles abzugehen; vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. August 2002, Zl. 2002/11/0096):
"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0072, näher dargelegt hat, sollen Personen, die zwar nur in sehr eingeschränkter Weise militärisch ausgebildet werden können, die aber dennoch für bestimmte Dienstverrichtungen im Bundesheer in Betracht kommen, als "Tauglich" qualifiziert und gemäß § 44 Abs. 2 zweiter Satz WG ihrer allenfalls eingeschränkten Dienstfähigkeit entsprechend im Bundesheer eingesetzt werden. In weiterer Folge hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. November 1989, Zl. 89/11/0105, klargestellt, dass ein Stellungspflichtiger, der auf Grund seines körperlichen und geistigen Zustandes überhaupt keine militärische Ausbildung erfahren und demnach überhaupt keinen militärischen Dienst verrichten kann, nicht zum Wehrdienst geeignet ist. Der Umstand, dass eine bestimmte Person zu irgendwelchen Dienstverrichtungen im Bundesheer in der Lage ist, bewirkt nach der Judikatur noch nicht ihre Tauglichkeit im Sinne des WG. Der Dienst im Bundesheer umfasst jedenfalls eine militärische Komponente im engeren Sinn, auf die sich auch die Ausbildung der Grundwehrdiener zu erstrecken hat. In diesem Sinn ist § 15 Abs. 1 WG zu verstehen. Dies bringt die Anforderung mit sich, dass der Betreffende jedenfalls eine Waffe bedienen und ein gewisses Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann. Wie der Verwaltungsgerichtshof schließlich in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1997, Zlen. 97/11/0208, 0270, näher ausgeführt hat, beschränkt sich die im Lichte der bereits zitierten Rechtsprechung geforderte körperliche Leistungsfähigkeit auf das Bedienen einer Waffe und das Aufbringen eines Mindestmaßes an Kraftanstrengung und Beweglichkeit, um die Grundausbildung zu absolvieren. In diesem Erkenntnis wurde auch klargestellt, dass es nicht ausreicht, wenn ein Stellungspflichtiger ein Mindestmaß an Kraftanstrengung und Beweglichkeit entwickeln kann, um eine Waffe bedienen zu können, um bereits seine Tauglichkeit zu begründen, weil der Wehrpflichtige der Beweglichkeit und Kraftanstrengung nicht nur bedarf, um die Waffe zu bedienen, sondern "in erster Linie" um die sonst bei der Leistung des Militärdienstes anfallenden Tätigkeiten und Übungen zu verrichten.
Ein auf "Tauglich" lautender Beschluss der Stellungskommission bedarf gemäß § 23 Abs. 2 letzter Satz WG der Zustimmung des Arztes. Die einem solchen Beschluss zu Grunde liegende Beurteilung muss erkennen lassen, aus welchem Grund der Arzt der Auffassung ist, der Stellungspflichtige besitze die notwendige körperliche und geistige Eignung im oben beschriebenen Sinn. Dies erfordert in Fällen, in denen Krankheitszustände oder Gebrechen festgestellt werden, welche die mögliche Kraftanstrengung und Beweglichkeit - aus welchen Gründen immer - beeinträchtigen, nachvollziehbare Ausführungen dazu, in welchem Ausmaß der Stellungspflichtige auf Grund seines festgestellten Gesundheitszustandes in der Kraftanstrengung und Beweglichkeit gehindert ist. Ohne derartige Feststellungen ist eine Klärung der Frage, ob der Stellungspflichtige einen Gesundheitszustand aufweist, bei dem es ihm noch möglich ist, die oben umschriebene Kraftanstrengung und Beweglichkeit aufzubringen, die eine zumindest eingeschränkte militärische Ausbildung voraussetzt, nicht möglich."
Derartige nachvollziehbare Ausführungen fehlen im vorliegenden Fall zur Gänze. Auf Grund welcher Erwägungen der ärztliche Sachverständige der Stellungskommission, der den Beschwerdeführer ohne weitere Ausführungen für geeignet befand, trotz der beim Beschwerdeführer auch nach der Diagnose der ärztlichen Sachverständigen der Stellungskommission gegebenen gesundheitlichen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule sowie seines linken Knies zur Bejahung seiner Eignung zum Wehrdienst gelangte, ist aus den vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar.
Der angefochtene Bescheid ist darüber hinaus mit weiteren wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet.
Zunächst ist die von der belangten Behörde aufgestellte Diagnose "Knieschmerzen links nach Unterschenkelbruch im Jahre 1999" ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar, hat doch der Beschwerdeführer, worauf er in der Beschwerde zutreffend verweist, ein (im Verwaltungsakt erliegendes) unfallchirurgischfachärztliches Gutachten eines Facharztes für Unfallchirurgie (Dr. H.) vom 26. August 1991 vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1991 "einen Schienbeinkopfbruch links mit Epiphysenbeteiligung" erlitten hat.
Schließlich hat die belangte Behörde völlig übergangen, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage ein Attest eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (Dr. S.) vom 1. August 2002 vorgelegt hat, welches wie folgt lautet:
"Herr B(...)ist seit Jahren wegen Knieschmerzen und Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung.
Diagnose:
Rez. Lumboischialgie links
Chondropathia patellae bds.
Z.n. Tibiakopfosteotomie links
Befund:
WS im Lot, Beckengeradstand, diskrete Haltungsschwäche im Mathias-Test. Neurologisch o.B. Mässiger paravertebraler lumbaler Muskelhartspann. An beiden Kniegelenken retropatelläre Krepitation, Brunner-Zeichen +++po, Varisations- und Flexionsschmerz im medialen Kniegelenksspalt bds.
Kniegelenksbeweglichkeit frei, Flexion und bei gleichzeitiger Varisation links schmerzhaft."
Dass sich die belangte Behörde mit diesem Attest auseinander gesetzt hätte, ist der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen.
Die umfangreichen Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ersetzen nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht die gehörige Bescheidbegründung (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2 (1998), E 141 zu § 60 AVG, angegebene Rechtsprechung).
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Es sei in diesem Zusammenhang festgehalten, dass der - ungeordnet - vorgelegte Verwaltungsakt auch die nach § 17 Abs. 2 zweiter Satz WG 2001 erforderliche Zustimmung des der Stellungskommission angehörenden Arztes sowie Zusammensetzung und Art der Beschlussfassung dieser Kommission nicht nachvollziehbar erkennen lässt (letzteres wird auch aus dem vorgelegten Stellungsblatt nicht ersichtlich).
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Februar 2004
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